BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19048 21. Wahlperiode 26.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 19.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Falschaussagen in der „Stellungnahme des Senats zum Ersuchen der Bürgerschaft vom 20. Dezember 2017„Maßnahmen zur Verbesserung der Inklusion an Hamburgs Schulen – Konsens mit den Initiatoren der Volksinitiative „Gute Inklusion““ (Drucksache 21/11428)“? In der Drs. 21/18872 heißt es auf Seite 1: „Insgesamt stehen derzeit mehr als 1.500 Stellen nur für die Inklusion zur Verfügung. Bei Einführung der Inklusion war es knapp die Hälfte. Diese Verdopplung geht deutlich über das hinaus , was notwendig gewesen wäre, um die steigenden Schülerzahlen zu kompensieren. Hier zeichnet sich ein Bild kontinuierlicher Qualitätsverbesserung in der Hamburger Inklusion.“ Diese Aussagen widersprechen vollständig der wirklichen Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Inklusion in Hamburg: 1. Bei Einführung der Inklusion zum Schuljahr 2010/2011 gab es über 700 Lehrerstellen und über 300 Stellen für Erzieher/-innen und Sozialpädagogen /-innen also insgesamt über 1 000 Stellen. Die Stellen für die Inklusion sind von 2010 bis 2019 nur um 50 Prozent erhöht worden und nicht um 100 Prozent, wie im Senatsbericht behauptet wird. 2. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Inklusion betrug im Schuljahr 2010/2011 2 098 Schülerinnen und Schüler. Im Schuljahr 2018/2019 waren es 8 196.1 Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Inklusion hat sich somit von 2010 bis 2019 ungefähr vervierfacht. Da die Stellen für Erzieher/-innen und Sozialpädagogen/-innen im selben Zeitraum nur um die Hälfte angewachsen sind, ist der Stellenzuwachs sehr viel geringer als der Zuwachs der Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Aussage im Senatsbericht, dass der Stellenzuwachs „deutlich über das hinaus geht, was notwendig gewesen wäre, um die steigenden Schülerzahlen zu kompensieren“ ist also falsch. 3. Da die Zahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler um 300 Prozent gestiegen ist und die Zahl der Pädagogenstellen nur um 50 Prozent, ist die Personalausstattung pro Schülerin und Schüler seit 2010 deutlich abgesenkt worden. Die im oben genannten Senatsbericht behauptete „kontinuierliche Qualitätsverbesserung in der Hamburger Inklusion“ stellt die mangelhafte Wirklichkeit vollkommen falsch dar. 1 Das Schuljahr 2018/2019 in Zahlen. Das Hamburger Schulwesen., Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IFBQ), Seite 37: https://www.hamburg.de/schuljahr-inzahlen /5017554/sonderpaeadagogischer-foerderbedarf/. Drucksache 21/19048 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die eklatanten Diskrepanzen erfordern dringende Nachfragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die vorangestellten Darstellungen sind falsch. Die in Drs.21/18872 genannten Angaben zu Stellen in der Inklusion sind zutreffend. Im laufenden Schuljahr werden 1 515,7 Stellen Lehrkräfte beziehungsweise pädagogisch-therapeutisches Fachpersonal (PTF) für die inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zugewiesen. Die Bedarfszuweisung Inklusion im Schuljahr 2010/2011 betrug in Stellen: Umset - zung § 12 Anschub - finanzierung § 12 Förderzentren Mehrbedarf Integrationsklassen Mehrbedarf Integrative Regelklassen Schülerinnen und Schüler, die sich in einer Integrativen Regelklasse befanden und nun in der Sek I sind Summe Lehrkräfte 30,0 13,0 51,0 208,6 137,0 7,0 446,6 PTF 15,7 - - 213,0 44,1 - 272,8 Summe insgesamt 719,4 Entsprechende Zahlen wurden bereits in Drs. 19/8704 sowie Drs. 21/7365 veröffentlicht . Die in der Vorbemerkung der Fragestellerin geäußerten Annahmen zur Ressourcenzuweisung im Schuljahr 2010/2011 sind somit nicht zutreffend. Die Stellenzuweisung in der Inklusion ist zwischen 2010 und 2019 im Verhältnis zur Schülerzahlentwicklung insgesamt überproportional gestiegen. In Drs. 21/11428 wird explizit auf die Schülerzahlen und nicht auf die Fallzahlen hingewiesen. Der Grund dafür ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Anteil der förderbedürftigen Schülerinnen und Schüler in Hamburg im Jahr 2010 faktisch genauso hoch war wie heute, dieser Bedarf aber damals nicht festgestellt wurde. Erst im Jahr 2010 wurde damit begonnen, den Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung sowie Autismus zu diagnostizieren. Die entsprechenden Schülerinnen und Schüler wurden damals in den allgemeinen Schulen ohne zusätzliche Ressource beschult. Das ist heute anders und eine deutliche Verbesserung für die entsprechenden Kinder sowie für das Lehrpersonal. Zur Bewertung der Inklusionszuweisung ist deshalb die Relation zu den Schülerzahlen zu Grunde zu legen. Die zwischenzeitlichen Veränderungen hinsichtlich der Sensibilität und der Diagnostik im Bereich der sonderpädagogischen Förderung führen dazu, dass der Anteil auch statistisch erfasster, sonderpädagogisch geförderter Schülerinnen und Schüler an der Gesamtschülerschaft als deutlich höher ausgewiesen wird als vor zehn Jahren. Bei gleicher Förderung wie im Jahr 2010/2011, aber unter Berücksichtigung steigender Gesamtschülerzahlen wäre der Stellenzuwachs deshalb – wie in Drs. 21/11428 dargestellt – deutlich geringer als er heute tatsächlich ist. Bei genauer Betrachtung geht die Steigerung der Personalressourcen sogar über die dargestellte Verdopplung von 719 auf über 1 500 Stellen hinaus. Denn die Zahl der Stellen täuscht darüber hinweg, dass die aktuellen Stellen ausschließlich Lehrerstellen darstellen, während für 2010 ein Professionenmix von Lehrerstellen und Stellen für pädagogisch-therapeutisches Fachpersonal dargestellt wird. Wenn die Schulen die aktuell zur Verfügung stehenden über 1 500 Lehrerstellen mit dem gleichen Professionenmix wie 2010 (62,1 Prozent Lehrerinnen und Lehrer/37,9 Prozent pädagogischtherapeutisches Fachpersonal) besetzen, entstehen so rund 1 807 Stellen im Professionenmix , das sind 2,5-mal mehr Stellen als 2010. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19048 3 1. Sind die oben genannten Zahlen des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung oder die Aussagen im Senatsbericht falsch? 2. Wenn die oben genannten Zahlen des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung zutreffend sind: a. Wann wird der Senat eine Korrektur des oben genannten Berichts veröffentlichen? b. Welche Konsequenzen wird der Schulsenator aus der Tatsache ziehen , dass er mit den oben genannten Falschaussagen der Bürgerschaft falsch berichtet hat. c. Welche Konsequenzen wird der Bürgermeister bis wann gegenüber dem Schulsenator ziehen, der mit den oben genannten falschen Aussagen im Senatsbericht der Glaubwürdigkeit des Senats geschadet hat? Es besteht kein Widerspruch zwischen den genannten Darstellungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.