BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19052 21. Wahlperiode 26.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Niedmers (CDU) vom 19.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Auf welchem Stand befinden sich die Arbeiten zur Optimierung des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer? Ein gravierender Wettbewerbsnachteil deutscher Häfen entsteht durch das Verfahren zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer. Bei der Einfuhr von Waren über Deutschland müssen Importeure zunächst die Einfuhrumsatzsteuer entrichten und bekommen diese erst Monate später zurückerstattet. Dies führt bei den betroffenen Unternehmen zu einem erheblichen Liquiditätsnachteil. Gerade für kleinere Unternehmen hat dies oftmals existenzielle finanzielle Engpässe zur Folge. Bei Einfuhren über die Niederlande beispielsweise wird die Steuer gar nicht erst erhoben. Ein Faktum, mit dem der Hafenbetrieb Rotterdam aktiv wirbt und seinen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Hamburg deutlich macht. Auf Bundesebene ist diesbezüglich vereinbart worden, das Erhebungsverfahren so umzustellen, dass Deutschland nicht weiter gegenüber anderen Staaten benachteiligt wird. In einem Schreiben des Staatsekretärs hatte das Bundesministerium der Finanzen angekündigt, der Finanzministerkonferenz bis zum 30. September 2019 einen Bericht der interdisziplinären Arbeitsgruppe über den Sachstand der Arbeit vorzulegen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nachdem die deutsche Import- und Logistikwirtschaft auf Wettbewerbsnachteile an deutschen Standorten hingewiesen hatte, hat Hamburg als erstes Land unter anderem in Erörterungen mit der Handelskammer Hamburg Art und Reichweite des Wettbewerbsnachteils untersucht. Erst auf Betreiben Hamburgs entschied sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf Leitungsebene, diese Frage im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe näher zu untersuchen und Lösungsansätze zu entwickeln . In der interdisziplinären Arbeitsgruppe und der unter Leitung Hamburgs zusätzlich eingerichteten Unterarbeitsgruppe war Hamburg ständig vertreten und arbeitete intensiv an der Umsetzung von Lösungsansätzen mit. Am 24. Oktober 2019 hat sich die Finanzministerkonferenz (FMK) mit den wesentlichen Aussagen des Arbeitsgruppenberichtes auseinandergesetzt und auf Betreiben Hamburgs ein gemeinsames weiteres Vorgehen verabredet. Anders als in den Niederlanden sieht aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands die verfassungsrechtliche Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung von Bund und Ländern eine Zuständigkeit der Zollverwaltung für die Einfuhrumsatzsteuer und eine Zuständigkeit der Steuerverwaltung für die Umsatzsteuer vor. Die Einfuhrumsatzsteuer wird daher von der Zollverwaltung festgesetzt und ist zunächst an den Zoll zu entrichten . Die als Vorsteuer in der Umsatzsteuererklärung geltend gemachte Einfuhrumsatzsteuer wird von den Steuerverwaltungen der Ländern – sofern sich Vorsteuer- Drucksache 21/19052 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 überschüsse ergeben – in der Regel zeitnah nach Erklärungsabgabe erstattet. In Einzelfällen ist jedoch eine Verzögerung in der Auszahlung möglich. Auch in den Niederlanden muss jedoch eine Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden. Durch die Möglichkeit der Verrechnung in der Umsatzsteuererklärung muss diese jedoch nicht vorab entrichtet werden. Der Senat und die zuständige Behörde werden sich auch zukünftig weiter dafür einsetzen, die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens durch die Optimierung des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer zu steigern. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann wurde der zuvor erwähnte Bericht der Finanzministerkonferenz, der auch der Hamburger Finanzsenator angehört, vorgelegt? Der Bericht wurde in der FMK am 24. Oktober 2019 zur Kenntnis genommen. 2. Welche wesentlichen Punkte enthält der Bericht über den Sachstand hinsichtlich der Optimierung des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer ? Im Sachstandsbericht der AG werden zur Optimierung des Erhebungsverfahrens das Beschleunigungs- sowie das Verrechnungsmodell in ihren Grundzügen und denkbare Modifizierungen dargestellt und in Hinblick auf Effizienz, Kosten und Umsetzungszeiträume bewertet. Beschleunigungsmodell: Der Bericht enthält hierzu zunächst eine Beschreibung des Sachstandes zu den derzeit bereits begonnenen Umsetzungsarbeiten für eine zeitnähere Be- und Verarbeitung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Auszahlung von Vorsteuerguthaben sowie eine Darstellung weiterer Beschleunigungspotenziale in den Ländern. Im Weiteren enthält er einen Diskussionsentwurf für eine mögliche gesetzliche Regelung zur moderaten Verschiebung des Fälligkeitstermins der Einfuhrumsatzsteuer beim Zoll. Dieses Grundmodell wird im Bericht durch die zwei weiteren Vorschläge, der vorgezogenen Geltendmachung von Vorsteuer aus Einfuhrumsatzsteuer und des „ausgedehnten Fristenmodells“ ergänzt. Verrechnungsmodell: Im Bericht der AG werden die wesentlichen fachlichen Eckpunkte für ein Verrechnungsmodell skizziert, die umfangreichen, erforderlichen, weiteren Arbeiten insbesondere fachlicher, IT-technischer und organisatorischer Art aufgezeigt und die konkrete Ausgestaltung des Modells für einen möglichst weiten Anwendungsbereich dargelegt. Die Handhabbarkeit des Modells, auch in Hinblick möglicher Betrugsszenarien, wird gewürdigt und Lösungsansätze hierzu werden vorgeschlagen. Der Bericht stellt die beiden Modelle weitgehend anhand von Aufkommenswirkungen, Umsetzungsaufwand, realistischem zeitlichen Vorlauf für die technische Bereitstellung und denkbarem Adressatenkreis dar, ohne eine Festlegung für eines der beiden Modelle zu treffen. 3. Wie bewertet der Senat/die zuständige Behörde die zuvor genannten wesentlichen Punkte, insbesondere im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens? Der Senat betrachtet allein das Verrechnungsmodell als geeignet, die von der deutschen Import- und Logistikwirtschaft vorgetragenen Wettbewerbsnachteile gegenüber den anderen Mitgliedstaaten wirksam und dauerhaft zu beseitigen, da nur bei Umsetzung des Verrechnungsmodells die gesonderten Zahlungsflüsse an Zoll und Steuer entfielen und für die Unternehmer keine Liquiditätsnachteile mehr auftreten würden. Die unnötige Bindung von Liquidität und die damit erhöhten Kosten für Importeure, die in den EU-Nachbarstaaten nicht anfallen, lassen sich nach Auffassung des Senats nur durch Umsetzung des Verrechnungsmodells beseitigen. Das Beschleunigungsmodell kann lediglich Erleichterungen für die betroffenen Unternehmer erreichen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19052 3 4. Haben sich seit der Fertigstellung des Berichtes neue Entwicklungen ergeben? Wenn ja, welche? Die FMK hat begrüßt, dass die Steuerverwaltungen der Länder bereits Anstrengungen unternommen haben, um die Beschleunigung der Erstattung von Vorsteuerüberschüssen weiter voranzutreiben. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben den Bundesminister der Finanzen unter Einbeziehung der Arbeitsgruppe gebeten, unter anderem die haushaltsmäßigen Folgen des Beschleunigungs- und Verrechnungsmodells nach Bund, Länder und Gemeinden differenziert zu ermitteln und einen Plan zur technischen Umsetzung des Beschleunigungsmodells und des Verrechnungsmodells zu erstellen. Hierbei soll insbesondere ein finanzieller und personeller Mehrbedarf beziffert sowie die Auswirkung auf die bereits geplanten und notwendigen IT-Projekte bei Steuer- und Zollverwaltung dargestellt werden. Nach Klärung dieser Fragen sollen die Eckpunkte des Beschleunigungs- und des Verrechnungsmodells mit den einschlägigen Verbänden erörtert werden. 5. Mit welchem Zeitrahmen ist nach Einschätzung des Senats für den Umsetzungsprozess zu rechnen? 6. Sind alle für die Umstellung erforderlichen IT-Systeme abschließend entwickelt ? Wenn nein, welche IT-Anwendungen stehen noch aus und welcher Zeitbedarf wird für diese voraussichtlich benötigt? 7. Wann ist die sogenannte Erstinbetriebnahme des neuen Erhebungsverfahrens geplant? Bitte Tag nach dem Kalender nennen. Da der dem Umsetzungsprozess vorgeschaltete Entscheidungsprozess auf Bundesebene unter Beteiligung aller Länder andauert, können hierzu derzeit keine Angaben gemacht werden.