BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19108 21. Wahlperiode 29.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 21.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Wer besteht die Heilpraktikerprüfung in Hamburg? Gemessen an den weitreichenden Behandlungs- und Therapiebefugnissen staatlich geprüfter Heilpraktiker sind die Zulassungskriterien für eine Heilpraktikerausbildung im Hinblick auf persönliche Voraussetzungen, schulische Qualifikation oder auch hinsichtlich der beruflichen Vorbildung verhältnismäßig leicht zu erfüllen.1 Das Ausbildungsangebot und das Spektrum unterschiedlicher Heilpraktikerschulen sind gleichermaßen vielfältig, denn es gibt in diesem Berufsfeld keine gesetzlich vorgeschriebene Regelausbildung. Jede Schule kann somit ihren eigenen Lehrplan erstellen und sowohl den Ausbildungsumfang als auch die Ausbildungsdauer eigenständig festlegen. So spannt sich diesbezüglich ein weiter Bogen von sechs- bis achtmonatigen Crashkursen bis hin zu dreijährigen Vollzeitausbildungen. Auch beim Ausbildungskonzept ist theoretisch alles erlaubt: Fernunterricht ohne Präsenzpflicht und ohne Praxiselemente, Präsenzunterricht im Vollzeitstudium , berufsbegleitende Ausbildungsvarianten, Tages- und Abendstudiengänge , Wochenendstudium, verkürztes Intensivstudium für Personen mit medizinischen Vorkenntnissen et cetera. Derart großzügig bemessene Gestaltungsspielräume mögen gerade in einem Berufsfeld, in welchem es nicht zuletzt um Patientenschutz und Patientensicherheit geht, verwundern. Beruhigend wiederum ist, dass sich spätestens in der Abschlussprüfung die Spreu vom Weizen trennt und das Bundesministerium für Gesundheit bereits im Jahre 2017 bundeseinheitliche Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern entworfen hat, die im März 2018 in Kraft traten.2 Die Anwärter haben seither umfangreiche Kenntnisse und Fertigkeiten unter anderem in folgenden Bereichen nachzuweisen: Rechtliche Rahmenbedingungen , Qualitätssicherung, Notfallsituationen, Kommunikation und natürlich Medizin in Theorie und Praxis. 1 Siehe Erste und Zweite Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz. 2 Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 22.12.2017 bundeseinheitliche Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern nach § 2 des Heilpraktikergesetzes in Verbindung mit § 2 (1) der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz veröffentlicht. Diese Leitlinien traten am 22.03.2018 in Kraft. Drucksache 21/19108 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine weitere Regelung, die scheinbar (nicht anscheinend!) für die Sicherung qualitativer Mindeststandards in der Schullandschaft sorgt, besteht darin, dass sich Bildungsträger, die Heilpraktikerausbildungen für Inhaber von Bildungsgutscheinen der Agentur für Arbeit anbieten, gemäß der sogenannten Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung zertifizieren lassen müssen (kurz: AZAV-Zertifizierung). Fraglich ist allerdings, ob solcherart zertifizierte Träger tatsächlich besonders gut auf die Abschlussprüfung vorbereiten. In Hamburg ist das Landesprüfungsamt für Heilberufe als Einrichtung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig für die Prüfung von Heilpraktikeranwärtern. Die Prüfung gliedert sich in einen schriftlichen und einen mündlich-praktischen Teil und erfordert unter anderem fundierte medizinische Kenntnisse der Anatomie, der Physiologie und der schulmedizinischen Krankheitslehre. Zudem werden Kenntnisse unterschiedlicher klinischer Untersuchungsmethoden , der Laborkunde und Diagnostik sowie Kenntnisse der psychopathologischen Befunderhebung verlangt und nicht zuletzt auch umfangreiches Wissen im Bereich der Pharmakologie abgefragt. Die Prüfungen sind in fachlicher Hinsicht zu Recht besonders anspruchsvoll, denn die prüfenden Amtsärzte der Gesundheitsämter befinden sich als Leiter einer Aufsichtsbehörde im Dienste der Bürgergesundheit in der Pflicht, bei der Erteilung einer Berufserlaubnis der Patientensicherheit Rechnung zu tragen . Immerhin gilt es, Schaden abzuwenden, der durch Therapie- und Behandlungsfehler minderqualifizierter Heilberufler verursacht werden kann.3 Der Anteil nicht bestandener Heilpraktikerprüfungen variiert von Bundesland zu Bundesland, ist aber überall sehr hoch. Fachverbände berichten, dass durchschnittlich nur etwa 20 – 30 Prozent der Anwärter im ersten Anlauf bestehen.4 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gemäß § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will (Heilpraktikererlaubnis). Das Heilpraktikerrecht beschränkt die Heilpraktikerprüfung im Wesentlichen auf die Abwehr unzuverlässiger oder ungeeigneter Personen und solcher, die eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen würden. Dementsprechend ist in § 2 Absatz 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz lediglich vorgesehen , dass die Erlaubnis nicht erteilt wird, „... wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.“ Darüber hinaus ist für die Teilnahme an der Prüfung beziehungsweise die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis weder die Absolvierung einer berufsqualifizierenden Ausbildung noch das Bestehen einer Fachprüfung gesetzlich geregelt. Das hat zum einen zur Folge, dass sogenannte Heilpraktikerschulen beziehungsweise Bildungsträger, die eine Heilpraktikerausbildung anbieten, nicht staatlich anerkannt werden und deshalb den Behörden auch nicht gemeldet beziehungsweise verlässlich bekannt sind. Zum 3 So lautet der diesbezügliche Abschnitt in den Richtlinien zum HPG: „… liegt es im Interesse des Gesundheitsschutzes und der Gefahrenabwehr, die berufliche Zuverlässigkeit der Heilpraktiker sicherzustellen. Vor der Erlaubniserteilung sind deshalb unabweisbare Mindestanforderungen zu erfüllen, um eine Beeinträchtigung der Gesundheit von Patienten zu vermeiden .“ 4 Bund Deutscher Heilpraktiker, Fachverband Deutscher Heilpraktiker. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19108 3 anderen werden aus diesem Grund von den Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmern auch keinerlei Daten über eine eventuell absolvierte Ausbildung erfragt. Die Überprüfung wird in Hamburg zentral durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz sichergestellt. Sie umfasst sowohl einen mündlichen als auch schriftlichen Überprüfungsteil. Letzterer findet nahezu bundesweit mittels standardisierter Prüfungsfragen zweimal jährlich – jeweils im März und Oktober – statt. Die vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Heilpraktikerschulen beziehungsweise Bildungsträger, die eine Heilpraktikerausbildung anbieten, gibt es in Hamburg und wie viele davon können eine sogenannte AZAV-Zertifizierung vorweisen? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor, im Übrigen siehe Vorbemerkung . 2. Wie viele Anwärterprüfungen wurden in Hamburg im Zeitraum 2015 – 2019 (31.10.2019) durchgeführt und wie viele Prüfungen davon wurden „im ersten Anlauf“ nicht bestanden (Angabe bitte in Prozent)? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. 3. In welchem Prüfungsteil scheitern die meisten Anwärter – bereits im schriftlichen Abschnitt oder erst im mündlich-praktischen Abschnitt? Betrachtungszeitraum ist 2015 – 2019 (31.10.2019), (Angabe bitte in Prozent). Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. 4. Wie viele Anwärterprüfungen für Heilpraktiker wurden in Hamburg im Zeitraum 2015 – 2019 (31.10.2019) erst im zweiten oder dritten Versuch bestanden? Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung wird gebeten. Siehe Anlage. 5. Wie viele Monate beträgt in Hamburg die durchschnittliche Wartezeit auf einen Anwärterprüfungsplatz vor dem Gesundheitsamt? Die schriftlichen Prüfungsteile der Heilpraktikerüberprüfungen für die uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis und für die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie finden im März und Oktober eines jeden Jahres statt. Der mündliche Prüfungsteil kann dann jeweils bis zum nächsten schriftlichen Überprüfungstermin absolviert werden. Darüber hinausgehende Wartezeiten gibt es derzeit in Hamburg nicht. 6. Bestehen signifikante Unterschiede im Prüfungserfolg (erster „Anlauf“) zwischen Heilpraktikeranwärtern, die auf sogenannten AZAV-zertifizierten Schulen ausgebildet wurden, und anderen Anwärtern? Betrachtungszeitraum ist erneut 2015 – 2019 (31.10.2019). Um eine nach Jahren gegliederte Darstellung der beiden Anwärtergruppen wird gebeten. 7. Sind der zuständigen Behörde anwärterbezogene Ausbildungs- beziehungsweise Vorbildungsmerkmale bekannt, deren Vorliegen ein Bestehen der Prüfung erfahrungsgemäß wahrscheinlicher machen? (Beispiele : berufliche Erfahrungen im medizinisch-pflegerischen Bereich, Realschulabschluss beziehungsweise Abitur et cetera) Erfahrungszeitraum 2015 – 2019 (31.10.2019). 8. Sind der zuständigen Behörde bildungsträgerbezogene Merkmale (abgesehen von der AZAV-Zertifizierung) bekannt, deren Vorliegen ein Bestehen der Prüfung erfahrungsgemäß wahrscheinlicher machen? (Beispiele: Vollzeitunterricht mit Präsenzpflicht und Praxisanteilen, hoher Medizinanteil am Curriculum et cetera). Erfahrungszeitraum 2015 – 2019 (31.10.2019). Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse vor, im Übrigen siehe Vorbemerkung . Heilpraktiker uneingeschränkt  Jahr   Gesamtzahl   Teilnehmer   schriftlich   nicht   bestanden  1.   Versuch   2.   Versuch   3.   Versuch  schriftlich   bestanden   mündlich   nicht   bestanden  1.   Versuch   2.   Versuch   3.   Versuch  2015  318  145 (45,6%)  18  (12,4%)  2   (1,3%)  0  173   (54,4%)  26   (15%)  4   (15,4%)  0  0  2016  386  172 (44,6%)  15 (8,7%)  9   (5,2%)  7   (4,0%)  214   (55,4%)  37 (17,3%)  4  (10,8%)  1   (2,7%)  1 (2,7%)  2017  410  229 (55,8%)  31  (13,5%)  13  (5,7%)  7   (3,1%)  181   (44,2%)  36 (19,9%)  8   (22,2%)  1   (2,8%)  1 (2,8%)  2018  356  145 (40,7%)  19  (13,10%)   12  (8,3%)  7   (4,8%)  211  ( 59,3%)  98 (46,4%)   11  (11,2%)  1   (1,0%)  1 (1,0%)  2019  394*  244* (62,0%)  76 *  (31,1%)   36*  (14,7%)  21*  (8,6%)  150   (38%)*  44**  (29,3%)  0**  2**  (4,55%)  0**  * gesamt 2019 ** nur Prüfungsdurchgang März 2019, mdl. Prüfungen Durchgang Oktober starten im 12/2019 Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie  Jahr   Gesamtzahl  Teilnehmer  schriftlich   nicht  bestanden  1.   Versuch   2.   Versuch   3.   Versuch  schriftlich  bestanden   mündlich   nicht   bestanden  1.  Versuch   2.   Versuch   3.   Versuch  2015  316    19   (6,0%)  14  (73,7%)  5   (26,3%)  0  2016  379  °    8   (2,1%)  4 (50%)  4   (50%)  0  2017  408   13   (3,2 %)  9 (69,2%)  2   (15,4%)  1  (7,7%)  2018  240 47 (19,6%)  8 (17%)  17  (36,2%)  8 (17%)  63  11   (17,5%)  11   (100%)  0  0  52  5   (9,6%)   5   (100%)  0  0  2019  420*  88 *  (21%)  65*   (73,9%)   22*  (25%)  6*  (6,8%)  332*  5** (1,51%)  5**  (100%)  0**  0**  °schriftliche Prüfung erst ab Oktober 2018 2018 fand im Oktober erstmalig eine schriftliche Überprüfung statt, Teilnehmer mit Anmeldung bis zum Stichtag 31.03.2018  mussten nur eine mdl. Prüfung ablegen. * gesamt 2019 ** nur Prüfungsdurchgang März 2019, mdl. Prüfungen für Durchgang Oktober starten in 12/2019 Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie  Jahr   Gesamtzahl  Teilnehmer  mündlich  nicht   bestanden  1.   Versuch   2015  2   0   0   2016  2   1   1   2017  4   0   0   2018  5   4   4   2019  0   0   0   Drucksache 21/19108 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 19108ska_Text 19108ska_Anlage