BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19112 21. Wahlperiode 29.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 21.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Nitratwerte im Hamburger Grundwasser Anlässlich der Demonstration der Landwirte am 14. November 2019 in Hamburg behauptete Umweltsenator Kerstan, dass das Grundwasser in Hamburg mit zu hohen Nitratwerten belastet sei und die Landwirtschaft wesentlicher Verursacher sei: „Wir müssen Grundwasser zum Teil aus anderen Landkreisen herbeiholen, weil das Wasser hier in Hamburg zum Teil nicht verwendet werden kann.“ Diese Aussage ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die gleichzeitige Behauptung, vor allem Bauern seien für Insektensterben und Schadstoffe im Grundwasser verantwortlich. Dementsprechend kritisierten die Protestierenden die Aussagen Kerstans mit einem lauten Pfeifkonzert. Tatsächlich werden der Landwirtschaft durch die Düngeverordnung des Bundes enge Vorgaben zum Schutz des Bodens und der Gewässer gesetzt. Demnach ist die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln unter Berücksichtigung der Standortbedingungen auf ein Gleichgewicht zwischen dem voraussichtlichen Nährstoffbedarf der Pflanzen einerseits und der Nährstoffversorgung aus dem Boden und aus der Düngung andererseits auszurichten. § 5 Absatz 1 verbietet das Aufbringen von stickstoff- oder phosphathaltigen Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen , Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln, wenn der Boden überschwemmt , wassergesättigt, gefroren oder schneebedeckt ist. Damit soll ein Abschwemmen der Inhaltsstoffe und Einträge in oberirdische Gewässer und das Grundwasser vermieden werden. Ansonsten könnten sich sowohl Nitrat als auch Krankheitserreger ins Grundwasser verlagern. Soweit die Behauptungen des Umweltsenators der Wahrheit entsprächen, wäre dies ein Beleg für das Versagen des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden bei der Kontrolle der gesetzlichen Schutzvorschriften. Die Hamburger Landwirtschaft ist stark im freiwilligen, kooperativen Naturschutz engagiert. 4 500 ha Dauergrünland werden extensiv bewirtschaftet. In den Vier- und Marschlanden beteiligen sich viele Bauern an Programmen wie zum Beispiel dem Wiesenbrüterschutz. Darüber hinaus ist in Hamburg der ökologische Anbau überdurchschnittlich gut vertreten. Die Kooperation zwischen dem Deutschen Bauernverband e.V., Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland e.V. und HAMBURG WASSER funktioniert seit über 20 Jahren bestens und sichert nachhaltig die Trinkwasserqualität. In Wasserschutzgebieten werden die Landwirte und Gärtner durch die Landwirtschaftskammer professionell beraten. Insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Kooperation dürfen Fehlurteile nicht zur Grundlage politischen Handelns werden. Natur- und Klimaschutz sollte mit den Landwirten, nicht gegen sie betrieben werden. Das setzt Kooperation statt Beschuldigungen und Verbote voraus. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/19112 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Entgegen der der Fragestellung zugrunde liegenden Behauptung hat Senator Kerstan nicht ausgeführt, dass es in Hamburg ein Nitratproblem gebe. Der Umweltsenator hat am Rande der Umweltministerkonferenz (UMK) erwähnt, dass Hamburg – wie nahezu sämtliche Metropolen – den eigenen Trinkwasserbedarf nicht allein aus Brunnen auf dem Stadtgebiet decken kann und deshalb auch auf Wasser von bester Qualität aus dem Umland angewiesen ist. Hamburg bezieht Wasser aus der Nordheide und aus Schleswig-Holstein. In seiner Rolle als Vorsitzender der Umweltministerkonferenz und mit Blick auf die bundesweite Situation hat der Umweltsenator erwähnt, dass die Landwirtschaft eine relevante Quelle für Nitratbelastungen des Grundwassers ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass trotz des bestehenden Düngerechts bundesweit eine Vielzahl von Grundwasserkörpern Nitratbelastungen oberhalb der gültigen Grenzwerte aufweisen, was ein schwerwiegendes Problem für die Trinkwassergewinnung darstellt. Die Nichteinhaltung des diesbezüglich geltenden EU-Rechts in Deutschland hat bereits zu einer Verurteilung der Bundesrepublik durch den EuGH geführt. Zu den übermäßig belasteten Grundwasserkörpern gehören auch solche, an denen Hamburg gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen Flächenanteile besitzt. Allerdings ist in Hamburg selbst unter anderem dank der guten Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftsbehörde, Umweltbehörde, HAMBURG WASSER und den landwirtschaftlichen Betrieben bislang keine übermäßige Belastung des Grundwassers durch Nitrat aufgetreten. Die vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Wasserwerke wie folgt: 1. Sind dem Senator und Vorsitzenden der Hamburger Wasserwerke die Nitratanalysen der Grundwasserwerke Hamburg nicht bekannt oder behauptet er wider besseren Wissens eine zu hohe Nitratbelastung des Hamburger Grundwassers, sodass es „zum Teil nicht verwendet werden kann“? Siehe Vorbemerkung. 2. Was haben die Nitratanalysen der Grundwasserwerke Hamburg im Mittel ergeben? Bitte seit 2015 darstellen und wenn möglich nach Messpunkten untergliedern. Folgende Nitratgehalte wurden in den einzelnen Wasserwerken in den Jahren seit 2015 gemessen: Messpunkt Maßeinheit 2015 2016 2017 2018 20191 Wasserwerk Baursberg mg/l 3,4 2,9 3,0 3,0 2,7 Wasserwerk Bergedorf mg/l 1,7 1,7 1,6 1,7 1,7 Hauptpumpwerk Rothenburgsort mg/l 1,5 1,4 1,5 1,5 1,5 Wasserwerk Bostelbek mg/l n.n.2 n.n.2 n.n.2 n.n.2 n.n.2 Wasserwerk Großhansdorf mg/l 1,9 1,8 1,8 1,8 1,9 Wasserwerk Glinde mg/l 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 Wasserwerk Großensee mg/l 0,8 0,8 0,7 0,7 0,6 Wasserwerk Haseldorfer Marsch mg/l 10,6 9,9 9,7 9,3 9,5 Wasserwerk Langenhorn mg/l 1,4 1,4 1,4 1,3 1,2 Wasserwerk Lohbrügge mg/l 2,2 2,3 2,3 2,3 2,3 Wasserwerk Neugraben mg/l 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3 Wasserwerk Nordheide mg/l n.n.2 n.n.2 n.n.2 n.n.2 n.n.2 Wasserwerk Süderelbmarsch mg/l 0,7 0,6 0,5 0,5 0,5 Wasserwerk Schnelsen mg/l 1,3 1,0 1,0 0,9 1,0 Wasserwerk Stellingen mg/l 1,0 1,0 0,9 1,0 1,0 Wasserwerk Walddörfer mg/l 1,4 1,4 1,4 1,4 1,3 1 bis 25.11.2019 2 n.n.: nicht nachgewiesen, das heißt die Werte lagen unter der Bestimmungsgrenze für Nitrat bei 0,2 mg/l Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19112 3 3. Sind der zuständigen Behörde Verstöße gegen die Düngeverordnung in Hamburg in den vergangenen fünf Jahren bekannt? Wenn ja, um welche Art von Verstößen handelte es sich und welche Konsequenzen hatten diese Verstöße? Bitte nach Jahren auflisten. Folgende Verstöße gegen die Düngemittelverordnung sind der zuständigen Behörde aus den vergangenen fünf Jahren bekannt: Jahr Verstöße Art des Verstoßes Konsequenz 2014 1 Keine Nährstoffbilanz Einbehaltung von EU-Direktzahlungen 2015 1 Fehlerhafte/verspätete Nährstoffbilanz Einbehaltung von EU-Direktzahlungen 4. Was unternimmt die Stadt Hamburg, um die Einhaltung der Düngeverordnung in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen? Zur Einhaltung der Düngemittelverordnung werden Fachrechtskontrollen sowohl auf bezirklicher als auch fachbehördlicher Ebene durchgeführt. Darüber hinaus wird die Einhaltung bestimmter Regelungen der Düngemittelverordnung auch im Rahmen von Cross-Compliance-Kontrollen (zusätzliche Verpflichtungen aus der Gewährung von EU-Direktzahlungen) überwacht. Derzeit wird die Bündelung düngerechtlicher Vollzugsaufgaben in einer zentralen Dienststelle als Düngebehörde bei der Landwirtschaftskammer Hamburg geprüft. 5. Wie hoch sind die Nitratwerte durch die Einleitungen aus dem Klärwerk Köhlbrandhöft in die Elbe? Die behördliche Überwachung der Abwassereinleitung aus dem Klärwerk Köhlbrandhöft /Dradenau ergab in 2019 eine mittlere Nitratbelastung aus zehn Untersuchungen von 9,8 mg/l (niedrigster Wert: 5 mg/l, höchster Wert: 13 mg/l). Der Einleitungsgrenzwert für Stickstoff gesamt (als Summe von Ammonium-, Nitrit- und Nitratstickstoff, 1. Mai – 31. Oktober) von 18 mg/l wurde eingehalten. Für den restlichen Jahreszeitraum ist der Stickstoffgehalt des Abwassers über den Parameter Ammoniumstickstoff begrenzt. Der entsprechende Grenzwert wurde auch eingehalten. 6. Welche Ursachen für Nitratwerte gibt es insgesamt und durch wen werden sie verursacht? Wichtigste Ursache für erhöhte Nitratgehalte im Grundwasser sind diffuse Stickstoffeinträge aus der landwirtschaftlichen Flächennutzung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.