BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19145 21. Wahlperiode 03.12.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 26.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Befreiungen von der Schulpflicht Gemäß des Hamburgischen Schulgesetzes (Abschnitt 2, § 37 fortfolgende) besteht eine generelle Schulpflicht. Langfristige Beurlaubungen und Befreiungen setzen in der Regel voraus, dass die Schülerinnen und Schüler anderweitig gebildet werden. Das Hamburgische Schulgesetz normiert in den §§ 28, 38, 39 und 40 eine Reihe von Tatbeständen, die eine Beurlaubung vom Unterricht oder eine Befreiung von der Schulpflicht zulassen oder aufgrund derer die Schulpflicht ruht. Der Wunsch von Eltern, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten (Homeschooling ), ist indessen kein Grund, der eine Befreiung von der Schulpflicht rechtfertigt. Diese Eltern sind – wie alle Eltern – dafür verantwortlich, dass ihre Kinder am Unterricht und an den Unterrichtsveranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen. Pflichtverletzungen werden als Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verfolgt, erklärt der Senat in Drs. 21/6781. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Anträge auf Befreiung vom Unterricht werden in der Regel in der zuständigen Schule gestellt und dort bearbeitet. Eine zentrale Erfassung der Genehmigungen, der Ablehnungen oder der Ablehnungsgründe erfolgt nicht. Aktuelle Befreiungen von der Schulpflicht werden im Zentralen Schülerregister (ZSR) inklusive der Befreiungsgründe erfasst. Eine Auswertung des ZSR nach früheren Befreiungen ist technisch nicht möglich. Schülerinnen und Schüler, die wegen Krankheit die Schule nicht besuchen können, gelten als entschuldigt, ohne dass es einer Befreiung oder Beurlaubung bedarf. Bei langfristigen Erkrankungen besteht die Möglichkeit der Betreuung durch das Bildungsund Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit (BBZ). Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können – ohne Befreiung oder Beurlaubung vom Unterricht – zeitweilig in gesonderten Lerngruppen unterrichtet werden, wenn dies im Einzelfall pädagogisch geboten ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Anträge auf Befreiung von der Unterrichtspflicht wurden seit dem 1.1.2017 bis heute in Hamburg insgesamt für wie viele Schüler seitens der Eltern/der Schule gestellt? Wie vielen wurde stattgegeben, wie viele wurden abgelehnt und was waren die fünf häufigsten Gründe für den Antrag auf Befreiung von der Unterrichtspflicht? Diese Daten werden nicht zentral erfasst. Um die Frage zu beantworten, müssten alle Schülerbögen einer Schule daraufhin durchgesehen werden, ob seit dem 1. Januar 2017 ein Antrag auf Befreiung vom Unterricht gestellt wurde, ob diesem stattgegeben Drucksache 21/19145 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 wurde und welches der Grund für die Befreiung war. Sodann müssten alle einzelschulischen Ergebnisse daraufhin ausgewertet werden, welches die fünf häufigsten Gründe für die Befreiung waren. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage vorgesehenen Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wo werden die Anträge auf Befreiung von der Schulpflicht gestellt, wo werden sie/wo die Ergebnisse erfasst? Anträge auf Befreiung vom Besuch einer Vorschulklasse nach § 28 Absatz 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) und Anträge auf Zurückstellung vom Schulbesuch nach § 38 Absatz 3 HmbSG werden in der zuständigen Grundschule gestellt. Die genehmigte Befreiung wird im ZSR vermerkt. Anträge auf Befreiung von der Schulpflicht nach § 39 Absatz 2 HmbSG, wenn ein wichtiger Grund dies rechtfertigt und hinreichender Unterricht oder eine gleichwertige Förderung anderweitig gewährleistet ist, nimmt die Schule entgegen. Die Genehmigung erfolgt durch die für Bildung zuständige Behörde. Die Befreiung wird im ZSR erfasst. Anträge auf Befreiung von der Schulpflicht nach § 40 HmbSG, das heißt nach einer Niederkunft, für die für die Dauer des Wehr- und Zivildienstes oder eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres, werden der zuständigen Schule mitgeteilt. Das Ruhen der Schulpflicht wird im ZSR vermerkt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele Schüler sind seit dem 1.1.2017 bis heute aus welchem wichtigen und/oder hinreichenden Grund und/oder bei gleichwertiger Förderung vom Schulbesuch wie lange befreit (worden)? Bitte der Frage entsprechend aufschlüsseln. Siehe Vorbemerkung und nachfolgende Auswertung aus dem ZSR. Danach sind aktuell 3 765 Schülerinnen und Schüler länger als sechs Wochen von der Schulpflicht befreit und zwar aus folgenden Gründen: Befreiungsgrund Anzahl Gastschulbesuch 910 Schüleraustausch, organisierter Auslandsschulbesuch 361 Teilnahme an einer außerschulischen schulpflichtersetzenden Qualifizierungsmaßnahme , zum Beispiel Gangway, Produktionsschulen 319 Befreiung aus wichtigem Grund bei hinreichendem Unterricht oder gleichwertiger Förderung 245 Befreiung wegen einer Ausbildung im öffentlichen Dienst oder Ausbildung auf bundes- oder landesgesetzlicher Grundlage 4 Feststellung, dass wegen andauernden Aufenthalts außerhalb Hamburgs der Schulbesuch am Aufenthaltsort erfolgt 1 108 Zurückstellung vom Schulbesuch oder vom Besuch einer Vorschulklasse 489 Ruhen der Schulpflicht wegen Niederkunft, Wehr- oder Zivildienst oder wegen eines freiwilligen sozialen oder ökologisches Jahres 209 Sonstiges (überwiegend Unterbringungen durch das Jugendamt außerhalb Hamburgs) 120 Summe 3 765 4. Wie viele Schüler wurden seit dem 1.1.2017 bis heute von welcher Sprachförderung befreit und aus welchem Grund/welchen Gründen? Eltern können seit dem Schuljahr 2017/2018 entscheiden, ob ihr Kind die Sprachförderung in der Schule oder in der Kita wahrnehmen soll. Auf Antrag werden die Kinder von der Sprachförderung in der Schule befreit, solange sie die Sprachförderung in der Kita wahrnehmen. Voraussetzung hierfür ist eine täglich mindestens sechsstündige Betreuung in einer Kindertagesbetreuung und eine sprachliche Förderung nach den Qualitätsvorgaben des Landesrahmenvertrags „Kinderbetreuung in Kindertageseinrichtungen “. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19145 3 Auf eine Förderung der deutschen Sprachkenntnisse nach § 28a HmbSG kann verzichtet werden, wenn Kinder bereits Eingliederungshilfe nach § 53 Absatz 1 Satz 1 SGB XII sowie umfangreiche Förderungen und Therapien erhalten und eine zusätzliche Sprachförderung als wirkungslos oder kontraproduktiv eingeschätzt wird. Beide Befreiungsanlässe erfolgen dezentral durch die Schulleitungen vor Ort. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 5. Wie viele Schüler wurden seit dem 1.1.2017 bis heute im Bildungs- und Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit/Autismus unterrichtet? Bitte unterteilen nach folgenden Unterrichtsorten: a) in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken, b) in Krankenhäusern, c) in eigenen Unterrichtsräumen in Gruppen, d) zu Hause, wenn Schülerinnen und Schüler aus gesundheitlichen Gründen das Haus nicht verlassen können. Alle im BBZ unterrichteten Schülerinnen und Schüler sind nicht von der Schulpflicht befreit, sondern aufgrund von Erkrankungen, verbunden mit ärztlichen Attesten, entschuldigt , siehe Vorbemerkung. Sie erhalten wie in § 1 HmbSG festgeschrieben ein Unterrichtsangebot durch das BBZ unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten.  Eine Differenzierung nach Unterrichtsorten ist nur durch eine händische Auswertung zu beantworten, da die Schülerinnen und Schüler zwischen Klinik (dort verschiedenen Stationen), Gruppenangeboten und Hausunterricht, je nach krankheitsbedingten Einschränkungen flexibel und kurzfristig wechseln. Im Jahr 2017 wurden 2 226 Schülerinnen und Schüler im BBZ unterrichtet, im Jahr 2018 waren es 2 415 Schülerinnen und Schüler. Zum jetzigen Zeitpunkt ist über die Anzahl der im BBZ unterrichteten Schülerinnen und Schüler für 2019 noch keine Aussage zu treffen, da auch diese Zahlen händisch ausgezählt werden müssten. In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist dies nicht möglich. 6. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Schulpflichtverletzung gemäß § 114 HmbSG wurden seit dem 1.1.2017 bis heute (bitte nach Jahren aufgeführt) mit wie vielen Beschuldigten (Klasse/ Geschlecht/Alter) mit welcher Erledigung/welchem Ausgang geführt? Und in wie vielen Fällen lag ein Migrationshintergrund vor? Ein Migrationshintergrund wird von der Rechtsabteilung der für Bildung zuständigen Behörde nicht erhoben. Bei den Beschuldigten handelt es sich um die Personen, die das Kind von der Schulpflicht fernhalten beziehungsweise es entziehen. Das Kind selber ist in diesen Fällen nie beschuldigt. Es wird daher Alter und Geschlecht des Kindes berichtet, das von der Erfüllung der Schulpflicht ferngehalten wurde. Die Klassenstufe wird nicht erfasst. Im Jahr 2019 wurde bisher keine Strafanzeige erstattet. Im Übrigen siehe nachfolgende Auswertung: Jahr, in dem die Strafanzeige erstattet wurde Anzahl der Strafanzeigen Angaben zu den Kindern /Jugendlichen (Geschlecht /Alter) Ergebnis der Strafanzeigen 2017 7 3x weibliche Kinder/ Jugendliche (alle zum Zeitpunkt der Strafanzeige 12 Jahre alt 1x vorläufige Einstellung durch Gericht (mit Auflage mit dem Jugendamt zusammen zu arbeiten) 5x Verurteilung zur Zahlung von Tagessätzen 1x Freispruch 4x männliche Kinder/ Jugendliche (Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Strafanzeige : 7,10,13,13) Drucksache 21/19145 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 2018 2 1x weibliches Kind/Jugendliche (zum Zeitpunkt der Strafanzeige 11 Jahre alt) 2x verurteilt (jetzt in Berufung) 1x männliches Kind (zum Zeitpunkt der Strafanzeige 5 Jahre alt) 7. Unter welcher/n Voraussetzung/en könnte im Bundesland Hamburg eine Befreiung von der Schulpflicht gesetzlich durchgesetzt werden? Ein Rechtsanspruch auf Befreiung von der Schulpflicht besteht dann, wenn jeder andere Gebrauch der Ermessensausübung durch die für Bildung zuständige Behörde rechtswidrig wäre (Ermessenreduktion auf Null).