BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19159 21. Wahlperiode 03.12.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 27.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Qualität psychologischer Gutachten in Familiengerichtsverfahren Der aktuellen Medienberichterstattung zufolge wurde ein Beschuldigter zu 18 Monaten Haft, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt, da er sich als Diplom -Psychologe ausgegeben hatte und als solcher Gutachten für Familiengerichtsverfahren verfasst hat.1 Er soll auch für Hamburger Gerichte entsprechende Gutachten angefertigt haben. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Auswahl und Bestellung gerichtlich beauftragter Gutachterinnen und Gutachter erfolgt im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit. Den jeweils zuständigen Richterinnen beziehungsweise Richtern obliegt auch die Bewertung, ob sie den Ausführungen der beziehungsweise des Sachverständigen bei ihrer Entscheidungsfindung folgen. Sofern in den jeweiligen Verfahren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die oder der Sachverständige nicht über die nötige Qualifikation verfügt, liegt es in der Zuständigkeit des Gerichts, dies bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen beziehungsweise die erforderliche Prüfung vorzunehmen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Gutachten wurden durch diese Person für Hamburger Gerichte erstellt? Bei den Hamburger Amtsgerichten (Familiengerichte) erfolgte ausweislich des Aktenverwaltungssystems (forumSTAR) eine Bestellung in sieben Verfahren (alle aus dem Zeitraum 2012 bis 2014), wobei in drei dieser Verfahren innerhalb von zwei Monaten eine Entpflichtung erfolgt ist, offenbar auf Antrag des Sachverständigen selbst. Eine Begutachtung war zum Zeitpunkt der Entpflichtung nicht abgeschlossen. In mindestens drei der sieben Verfahren ist ein Gutachten erstellt worden. Bei einem weiteren dieser Verfahren ist anhand des Aktenverwaltungssystems nicht zu rekonstruieren, ob ein Gutachten erstellt worden ist. Zudem hat ein Abgleich mit den Zahlungen der Justizkasse ergeben, dass gemäß den Buchungsnummern eine Bestellung als Gutachterin beziehungsweise Gutachter in vier weiteren Verfahren aus dem Zeitraum vor 2011 erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt existierte forumSTAR noch nicht; die Verfahren sind dort nicht erfasst. Bei dem in zweiter Instanz für Familiensachen zuständigen Hanseatischen Oberlandesgericht konnten anhand des Aktenverwaltungssystems keine Verfahren ermittelt werden, in denen der Beschuldigte ein Gutachten in dieser Instanz erstellt hat. 1 Vergleiche: https://www.mopo.de/hamburg/prozess-in-hamburg-falscher-diplom-psychologe- -53--wegen-betrugs-vor-gericht-33523074. Drucksache 21/19159 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Weitere konkrete Einzelheiten zu den oben genannten Verfahren könnten nur durch eine händische Auswertung der Verfahrensakten der jeweils zuständigen Amtsgerichte ermittelt werden, was in der für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war. 2. Welche Kosten waren mit der Erstellung der Gutachten für Hamburger Gerichte verbunden? Ausweislich der Buchungsnummern der Justizkasse wurden in den in Antwort zu 1. genannten Verfahren für gutachterliche Tätigkeiten 53 096,76 Euro gezahlt. 3. Inwieweit hatten die Gutachten eine Auswirkung auf die Urteile und Entscheidungen der jeweiligen Hamburger Gerichte? Eines der drei erstinstanzlichen Verfahren vor den Amtsgerichten, in denen sicher ein Gutachten durch den Beschuldigten erstellt worden ist, endete mit einem Vergleich der Beteiligten, zwei Verfahren mit gerichtlichen Entscheidungen. Die zuständige Richterin ist in einer der beiden Entscheidungen dem Gutachten gefolgt, in der anderen Entscheidung nicht. Weitere konkrete Einzelheiten zu den oben genannten Verfahren könnten nur durch eine händische Auswertung der Verfahrensakten der jeweils zuständigen Amtsgerichte ermittelt werden, was in der für eine Schriftliche Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war. 4. Werden die Fälle, in welchen die Gutachten dieser Person eine Rolle gespielt haben, neu beurteilt? Wenn nein, warum nicht? In Kindschaftssachen kann auf Antrag der Eltern jederzeit ein neues Verfahren eröffnet werden. Das Gericht hat dann zu klären, ob die vorherige Entscheidung überholt und die Sachlage neu zu überprüfen ist. Im Übrigen hängt gemäß § 48 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Verbindung mit §§ 578 fortfolgende der Zivilprozessordnung eine etwaige Wiederaufnahme eines Verfahrens zunächst von einem Antrag einer oder eines der Beteiligten ab (Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 19. Auflage 2017, Rn. 24). Eine entsprechende Wiederaufnahme war aus dem Aktenverwaltungssystem (forumSTAR) nicht ersichtlich ; eine händische Auswertung aller entsprechenden Verfahrensakten, die bereits in den Archiven der Stadtteilgerichte lagern, ist in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wurden infolge die gerichtlich beauftragten Gutachter hinsichtlich ihrer jeweiligen Qualifikation überprüft? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung.