BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/193 21. Wahlperiode 14.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 07.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Auswärtige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen Die auswärtige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung ist seit langer Zeit ein Thema in der Kinder- und Jugendhilfe . Nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung solcher Maßnahmen , sondern auch unter der Fragestellung, in welchen Fällen solche Maßnahmen pädagogisch vertretbar sind. Wir fragen den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes Hamburg e.V. wie folgt: 1. Wie viele Hamburger Kinder und Jugendliche in befanden sich in den Jahren 2008 – 2015 in stationärer Betreuung nach §§ 34 und 35 SGB VIII? Wie viele davon waren jeweils außerhalb der Hamburger Landesgrenzen untergebracht? Bitte für den jeweiligen 1. Januar des Jahres absolute und prozentuale Zahlen angeben für die Jahre 2008 – 2015. 2. Wie hoch sind die jeweiligen Kosten für die auswärtige Unterbringung für die Jahre 2008 und 2011 bis 2014 gewesen, wie hoch ist der Haushaltsvoranschlag für 2015? Kinder und Jugendliche in Hilfen nach §§ 34,35 SGBVIII insgesamt davon Anzahl außerhalb der Hamburger Landesgrenze - absolut - davon Anzahl außerhalb der Hamburger Landesgrenze - prozentual - Kosten der Unterbringung außerhalb der Hamburger Landesgrenze 2008 1.903 1.026 53,9 % 51.484.686 € 2009 2.044 1.134 55,5 % 57.803.401 € 2010 2.129 1.183 55,6 % 59.867.808 € 2011 2.256 1.171 51,9 % 61.849.185 € 2012 2.380 1.204 50,6 % 65.763.663 € 2013 2.434 1.218 50,0 % 65.385.050 € 2014 2.441 1.192 48,8 % 68.604.769 € 2015 2.526 1.247 49,4 % - Quellen: Datawarehouse PROJUGA und JUS-IT (für 2012 liegen, bedingt durch den Systemwechsel , keine Ganzjahresdaten vor, der angegebene Wert basiert auf den in JUS-IT ab dem 1. Juli 2012 erfassten Fall- und Kostendaten, hochgerechnet auf einen Ganzjahreswert). Die Kosten für die Unterbringung von Kinder und Jugendlichen in Maßnahmen nach §§ 34 und 35 SGB VIII werden in den Haushaltsplänen nicht gesondert nach ihren Unterbringungsorten – innerhalb oder außerhalb der Hamburger Landesgrenze – veranschlagt . Drucksache 21/193 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele Verfahren nach § 1632 b BGB wurden jeweils in diesen Jahren eingeleitet, um eine geschlossene Unterbringung anzustreben? Anträge nach § 1631 b BGB wurden bei den Amtsgerichtengestellt in - 46 Fällen im Jahre 2014, - 17 Fällen in 2015 bisher (Quelle: Datawarehouse JUS-IT, Stichtag: 04.04.2015). Hierbei handelt es sich um die Anzahl aller im Datawarehouse von JUS-IT ausgewiesenen Anträge auf Erlaubnis einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung nach § 1631 b BGB. Enthalten sind daher auch Anträge zur Unterbringung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, Mehrfach- beziehungsweise Folgeanträge sowie zurückgezogene und ruhende Anträge. Im Datawarehouse werden Anträge auf Erlaubnis einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung nach § 1631 b BGB, die in einer Einrichtung der Jugendhilfe § 34 SGB VIII durchgeführt werden, nicht gesondert erfasst. Auch eine einzelfallbezogene Auswertung ist nicht möglich, da hierfür die Namen der Betroffenen erforderlich wären, die aus Gründen des Datenschutzes im Datawarehouse nicht vorhanden sind. Eine Ermittlung der erfragten Daten durch eine unmittelbare Abfrage aus der JUS-ITDatenbank erfordert einen technischen Vorlauf. Dies ist im Rahmen der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 20/13149. 4. In wie vielen Fällen kam es tatsächlich zu einer geschlossenen Unterbringung in diesen Jahren? Bei welchen Trägern oder Einrichtungen wurden diese durchgeführt? Bitte tabellarisch nach Jahren und Zahl der Unterbringung auflisten. Siehe Drs. 20/4033, 20/8501 sowie 20/14138. Darüber hinaus waren im Jahr 2008 zwei Minderjährige in der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße des Landesbetriebes Erziehung und Beratung untergebracht. Im Jahr 2015 erfolgte bisher eine Unterbringung in einer Einrichtung des Trägers EJF – Evangelisches Jugendund Fürsorgewerk. 5. In wie vielen Fällen wurden die Koordinierungsstelle beim PARITÄTISCHEN und der dazugehörige Trägerverbund seit ihrer Gründung in Anspruch genommen? In wie vielen Fällen wurde eine erfolgreiche Vermittlung in eine Maßnahme erreicht? Wie bewertet der Senat die Arbeit der Koordinierungsstelle? 6. Wie wird die Koordinierungsstelle finanziert und bis wann ist die Finanzierung dieser Stelle gesichert? Wenn eine dauerhafte Finanzierung nicht gegeben ist, wird diese angestrebt? Die Koordinierungsstelle beim PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Hamburg e.V. wurde nach eigenen Angaben bisher für 24 Jugendliche tätig. 14 Jugendliche wurden versorgt und blieben bisher stabil, für neun Jugendliche sind die Anfragen noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine Anfrage wurde wegen akkutem psychiatrischem Behandlungsbedarf vorläufig nicht weiterverfolgt. Für die Tätigkeit der Koordinierungsstelle erhält der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V. aus dem Haushalt der zuständigen Behörde für das Jahr 2015 eine Zuwendung in Höhe von 63.020,82 Euro. Darüber hinaus sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. 7. Hält der Senat weiterhin daran fest, geschlossene Unterbringung als erforderliche und notwendige Maßnahme im Rahmen der Hilfen zur Erziehung anzustreben? Wenn ja, wie wird diese Haltung begründet? Wenn nein, warum hat der Senat davon Abstand genommen? Ja. Für eine kleine Gruppe von Minderjährigen, bei denen andere Hilfeformen gescheitert sind, kommt die geschlossene Unterbringung als Ultima Ratio in Betracht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/193 3 Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung kommt dabei nur in Betracht, wenn - eine Hilfeplanung vorliegt, aus der hervorgeht, dass es keine andere geeignete Hilfe gibt, - die Bestellung eines Verfahrensbeistandes (Rechtsanwalt/Rechtsanwältin) für die/den Minderjährige/n erfolgt, - ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten und - der Beschluss eines Familiengerichtes vorliegt. Die Unterbringung der Minderjährigen in der Einrichtung mit Freiheitsentziehung soll durch ein umfassendes Anschluss- und Nachsorgekonzept in Hamburg begleitet werden . Insgesamt sollen diese Maßnahmen dazu beitragen, besonders problembehaftete Minderjährige wieder in die Gesellschaft zu integrieren.