BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19714 21. Wahlperiode 21.01.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 15.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Streit um den Einsatz von Recycling-Bauschutt – Warum landet zertifiziertes Baumaterial nicht im Straßenbau? Hamburg transportiert stattdessen Material aus Schweden nach Hamburg Durch viele Immobilienabrisse und Modernisierungen in Hamburg fällt viel Bauschutt an. Bis Ende 2016 wurde tonnenweise wiederaufbereitetes Material für den Straßenbau in Hamburg eingesetzt. Unter der Asphaltdecke wurde das Material als Tragschicht verbaut. Doch mittlerweile klagen die Aufbereitungsbetriebe , dass sie auf ihren Schuttbergen sitzen bleiben, weil die Stadt größtenteils auf Naturstein aus Skandinavien oder Schottland setzt. Der wiederherum muss erst über große Entfernungen per Schiff nach Hamburg gebracht werden. Nach Angaben der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft landen circa 1 Million Tonnen Hamburger Bauschutt jährlich ungenutzt auf Deponien, was zu weiteren Problemen führt. Bauabfälle machen mittlerweile mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Abfalls aus. Zugleich werden in ganz Deutschland die Deponiekapazitäten knapper, was dazu führt, dass die Kosten für die Entsorgung von Bauschutt immer weiter ansteigen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Schonung natürlicher Ressourcen hat im Straßenbau eine hohe Bedeutung. Einen wesentlichen Baustein dabei stellt der Einsatz von Ersatzbaustoffen dar, zu denen auch die Recyclingbaustoffe gehören. Die in Hamburg geltenden Regelwerke des Straßenbauwesens enthalten daher entsprechende Vorgaben. So sind nach dem Hamburger Regelwerk für Planung und Entwurf von Stadtstraßen, den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen, den Richtlinien für Straßenbauarbeiten in Hamburg und den Vorgaben des Hamburgischen Abfallwirtschaftsgesetzes technisch gleichwertige Ersatzbaustoffe vorrangig auszuschreiben. Die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen definiert den Begriff „Bauschutt“ fachlich nicht als Straßenbaustoff, es handelt sich hierbei um nicht aufbereitete mineralische Reststoffe und Abfallarten. Bei allen Planungen von Neu- und Umbaumaßnahmen wird standardmäßig die Möglichkeit für den Einsatz von Recyclingbaustoffen geprüft und nach Möglichkeit umgesetzt . Dabei sind folgende grundlegende Voraussetzungen einzuhalten: − die Erfüllung der für den geplanten Verwendungszweck geltenden bautechnischen Anforderungen, − die Einhaltung der umweltrelevanten Merkmale und − die Eignung des vorgesehenen Einbaugebietes für die Verwendung von Ersatzbaustoffen . Drucksache 21/19714 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Über den Einsatz von Recyclingbaustoffen sowie zu den im Straßen- und Wegebau verbauten Mengen werden keine statistischen Daten erfasst. Die güteüberwachten Materialien für den Straßen- und Wegebau in Hamburg sind über die folgende Seite abrufbar: www.hamburg.de/contentblob/8992930/ 12f2a4fad2a10ae7e9e9906bdf5744a9/data/liste-zur-rs3-18.pdf. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Für welche Maßnahmen wird Bauschutt im Hamburger Straßenbau verwendet ? 2. Wie viele Tonnen Bauschutt wurden im Zeitraum 2011 bis 2019 im Hamburger Straßenbau verbaut? Bitte nach Jahren getrennt angeben. 3. Welcher Anteil aus Frage 2. wurde dabei in den einzelnen Jahren jeweils als Material für Tragschichten eingesetzt? 4. Welche weiteren Materialien kommen im Hamburger Straßenbau für den Tragschichtbau in welchen Mengen zum Einsatz? Bitte für die Jahre 2011 bis 2019 getrennt angeben. Siehe Vorbemerkung. 5. Wie viel Bauschutt ist in den Jahren 2011 bis 2019 in Hamburg jeweils angefallen? Bitte nach Jahren getrennt angeben. Der zuständigen Behörde liegen keine aktuellen Daten über in Hamburg erzeugte Bau- und Abbruchabfälle der Jahre 2011 bis 2019 vor. Bei Bau- und Abbruchabfällen handelt es sich in der Regel um ungefährliche Abfälle, die nicht nachweispflichtig sind. Derzeit wird der „Gemeinsame Abfallwirtschaftsplan für Bau- und Abbruchabfälle von Hamburg und Schleswig-Holstein aus 2006 und dessen Bewertung aus 2011“ fortgeschrieben . Nach Verabschiedung des Plans, voraussichtlich Mitte des Jahres, werden aussagekräftige Daten von in Hamburg erzeugten Bau- und Abbruchabfällen zur Verfügung stehen. 6. Wie viel Hamburger Bauschutt wurde in den Jahren 2011 bis 2019 auf Hamburger Deponien eingelagert? Bitte nach Jahren getrennt angeben. 7. Wie viel Bauschutt wurde in den Jahren 2011 bis 2019 insgesamt jeweils auf Hamburger Deponien eingelagert? Bitte nach Jahren getrennt angeben . Hamburg verfügt über keine in Betrieb befindliche Deponie für Bau- und Abbruchabfälle . 8. Wie viel Hamburger Bauschutt wurde in den Jahren 2011 bis 2019 auf Deponien außerhalb Hamburgs eingelagert? Bitte nach Jahren getrennt angeben. Da diese Abfälle nicht nachweispflichtig sind, liegen der zuständigen Behörde keine Daten darüber vor, wie viel Bau- und Abbruchabfälle auf Deponien außerhalb Hamburgs entsorgt worden sind. 9. Wie viele Hamburger Deponien nehmen Baustoffabfälle (Bauschutt) an? 10. Wie haben sich die Deponierungskosten für Bauschutt in den Jahren 2011 bis 2019 in Hamburg verändert? Bitte nach Jahren getrennte Angaben machen. 11. Welche Preisunterschiede gibt es hierbei zwischen privatem und gewerblichem Bauschutt? Bitte nach Jahren für den Zeitraum 2011 bis 2019 angeben. Siehe Antwort zu 6. und 7. 12. Wie ist das Mengenverhältnis zwischen Bauschutt und anderen Materialien beim Einsatz für Tragschichten im Straßenbau in Hamburg insgesamt gewesen? Bitte getrennte Angaben für die Jahre 2011 bis 2019. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19714 3 Über das Mengenverhältnis zwischen Bauschutt und anderen Materialien liegen keine statistischen Daten vor, im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. Wie beurteilt der Senat die ökologische Bilanz beim Vergleich zwischen der Verwendung von Bauschutt und skandinavischem beziehungsweise schottischem Naturstein? 14. Wie hat sich diese Einschätzung in den Jahren 2011 bis 2019 verändert und was waren die Gründe für die veränderte Einschätzung? 15. Welche Gutachten liegen dem Senat zur Bewertung der ökologischen Bilanz nach Frage 13. vor und wann sind diese Gutachten jeweils entstanden ? Die Verwertung von Recyclingmaterialen trägt grundsätzlich in erheblichem Umfang zur Einsparung von Primärressourcen bei und leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz. Den zuständigen Behörden liegen hierzu weder Ökobilanzen noch Gutachten vor. 16. Was spricht aus Sicht des Senats für den verstärkten Einsatz von Naturstein im Straßenbau im Vergleich zum recycelten Bauschutt? Ziel des Senats ist der verstärkte Einsatz von Ersatzbaustoffen, sofern die umweltrelevanten und bauphysikalischen Merkmale eingehalten werden können, siehe dazu auch Antwort zu 20. 17. Wie hat sich nach Erkenntnissen des Senats die Qualität des für den Tragschichtbau vorgesehenen recycelten Bauschutts im Zeitraum 2011 bis 2019 verändert? Güteüberwachte Materialien für den Straßen- und Wegebau in Hamburg müssen zum Nachweis der technischen Gleichwertigkeit die bundeseinheitlichen Anforderungen der Technischen Lieferbedingungen für Gestein und für Schichten ohne Bindemittel erfüllen. Zu den Veränderungen innerhalb der zulässigen Material- und Stoffgrenzwerte liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor. 18. Wie sieht die CO2-Bilanz bei der Verwendung von Naturstein im Vergleich zum recycelten Bauschutt pro Tonne aus? In welcher Form wird der Deponieeinsatz für nicht wiederverwendeten Bauschutt hierbei berücksichtigt? Siehe Antwort zu 13. bis 15. 19. Hat der Senat im Jahr 2019 Gespräche mit der Hamburger Bauwirtschaft dahin gehend geführt, die Recyclingquote im Straßenbau zu erhöhen? Was waren die Ergebnisse der Gespräche? Wer war an diesen Gesprächen beteiligt? 20. Was wird die Stadt veranlassen, damit Recycling-Bauschutt wieder verstärkt bei öffentlichen Baumaßnahmen eingesetzt wird? Zu Beginn des Jahres 2019 hat die zuständige Behörde entsprechende Gespräche mit der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft geführt. Eine Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen erfolgt über diverse Regelwerke auf Bundes- und Länderebene. In der Freien und Hansestadt Hamburg weist zum Beispiel die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation bereits seit Jahren in ihren Regelwerken darauf hin, dass Ersatzbaustoffe zu priorisieren beziehungsweise vorrangig auszuschreiben sind (siehe hierzu unter anderem „Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen“ und „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Straßenbauarbeiten in Hamburg“). Dies korrespondiert mit den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und dem Hamburgischen Abfallwirtschaftsgesetz sowie mit den Pflichten der öffentlichen Hand und der Vorbildfunktion, bei Bauvorhaben die natürlichen Ressourcen zu schonen.