BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1972 21. Wahlperiode 27.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 19.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Möglichkeit der privaten Aufnahme Geflüchteter Die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt Hamburg ist seit Monaten katastrophal. Vielerorts mangelt es an lebensnotwendiger Versorgung mit Nahrung, Wasser, sanitären Einrichtungen, Betten, Decken, Hygieneartikeln und gesundheitlicher Versorgung. Tausende Flüchtlinge schlafen bei winterlichen Temperaturen in Zelten. Viele Helfer/-innen sind in dieser Situation bereit ihren privaten Wohnraum kurzfristig zu teilen. Gleichzeitig haben die Neuankommenden nach § 47 AsylVerfG die Verpflichtung in der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. An welche Stelle können sich Hamburgerinnen und Hamburger wenden, die längerfristig Wohnraum an sozial Bedürftige vergeben möchten? a. Wie lang sind die derzeitigen Bearbeitungszeiten von der Meldung einer Wohnung bis zum Einzug? b. Wie viele Geflüchtete und wie viele anders sozial Bedürftige konnten seit Januar 2015 auf diese Weise in Wohnraum vermittelt werden ? c. Für Menschen mit welchem Aufenthaltsstatus gibt es die Möglichkeit über private Unter-/Mietverträge von Erstaufnahmeeinrichtungen in normalen Wohnraum zu wechseln? Asylbegehrende sind nach derzeitiger Rechtslage gemäß § 47 Asylgesetz (AsylG) verpflichtet, bis zu sechs Monate in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Die Verpflichtung endet vor Ablauf dieser Zeit aus den in §§ 48, 49 AsylVfG genannten Gründen. Darüber hinaus sind von der zuständigen Ausländerbehörde verhängte Wohnsitzauflagen zu beachten. Anerkannte Asylberechtigte beziehungsweise Flüchtlinge sind diesbezüglich keinen Beschränkungen mehr unterworfen. Nach Ablauf der Verpflichtung gemäß § 47 AsylG, in der zuständigen (Erst-) Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in bestimmten Fällen privates Wohnen gestattet werden , zum Beispiel im Fall erheblicher gesundheitlicher Störungen, die eine Unterbringung in öffentlichen Unterkünften unmöglich machen. Zu den Einzelheiten siehe Teil B.II.1.3.1 der Fachanweisung zum AsylbLG und Nummer IX. der entsprechenden Arbeitshilfe. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle in jedem der sieben Hamburger Bezirksämter vermitteln Wohnraum an von Wohnungs- beziehungsweise Obdachlosigkeit bedrohte Drucksache 21/1972 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Menschen Hierzu zählen neben wohnungslosen Hamburgerinnen und Hamburgern auch bleibeberechtigte Flüchtlinge. Die Bearbeitungszeiten hängen vor allem vom Zustand der Wohnungen und vom Zeitablauf der Auswahl der Mieter ab. An diesem Prozess sind potenzielle Vermieter, vermittelnde Stellen – wie die Fachstellen für Wohnungsnotfälle – und die potenziellen Mieter gleichermaßen beteiligt. Ein mittlerer Wert kann hierzu nicht ermittelt beziehungsweise dargestellt werden. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle haben im Zeitraum von Januar 2015 bis August 2015 418 von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bedrohte Haushalte in privaten Wohnraum und in Wohnungen von Wohnungsbauunternehmen beziehungsweise -genossenschaften außerhalb des Kooperationsvertrages vermittelt (Quelle: Dokumentationssystem der Fachstellen für Wohnungsnotfälle). Eine Aussage über den Anteil der privaten Anbieter kann nicht abgeleitet werden. Eine Differenzierung nach Flüchtlingen und anders sozial Bedürftigen wird nicht vorgenommen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. d. Welche Voraussetzungen werden an den zu vergebenden Wohnraum gestellt? Gesucht werden Wohnungen mittlerer Art und Güte. e. Welche Mindeststandards müssen aufgrund welcher rechtlichen Vorschriften beachtet werden? Der Wohnraum muss in jedem Fall den in §§ 3 und 4 des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes (HmbWoSchG) vorgeschriebenen Mindestanforderungen entsprechen . Im Übrigen ist bei der Belegung der Wohnung den Anforderungen von § 7 HmbWoSchG zu entsprechen. 2. Welche Unterstützung gibt es für Vermieter/-innen, die eine Wohnung/ ein Zimmer vermieten/untervermieten möchten? Gibt es juristische Beratung ? Gibt es Beratung im Konfliktfall? Welche Kosten werden übernommen ? Welche Möglichkeit von finanziellen Zuschüssen gibt es? Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle bei einem Träger oder einer Stiftung für die Vermittlung von privatem Wohnraum an Flüchtlinge befindet sich zurzeit in Planung. Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Für Leistungsberechtigte nach dem SGB II, dem SGB XII oder § 2 AsylbLG können Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Hierbei sind die in der Fachanweisung zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II oder § 35 SGB XII) geregelten Höchstwerte zu beachten. Unter bestimmten Voraussetzungen, welche ebenfalls in der vorgenannten Fachanweisung geregelt sind, können auf den jeweils geltenden Höchstwert Zuschläge gewährt werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/286. 3. Inwiefern können Hamburgerinnen und Hamburger in der derzeitigen Situation Geflüchteten aus den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen über Nacht ein Gästezimmer/Gästebett anbieten? Wenn das nicht möglich ist, warum nicht? a. Was müssen die Aufnehmenden dabei beachten? b. Was müssen die Untergebrachten dabei beachten? Asylbegehrende müssen sich zunächst in der Anlaufstelle der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) in der Harburger Poststraße melden. Dort wird ihnen ein Unterbringungsplatz an einem der Standorte der ZEA zur Verfügung gestellt. In den folgenden Tagen erfolgen die Registrierung sowie die Eingangsuntersuchung an diesen Standorten. Dazu fahren mobile Teams der Ausländerbehörde und der Ärzte mit Dolmetschern in die Unterkünfte. Diese Verfahrensschritte lassen sich bei einer dezentralen Unterbringung in einer Vielzahl von Privatwohnungen nicht ohne erheblichen organisatorischen Mehraufwand nachholen, der jedenfalls in der aktuellen Situation nicht zu bewältigen wäre. Die möglichst zügige und reibungslose Durchführung des Asylverfahrens, die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1972 3 auch im Interesse der Asylbegehrenden liegt, hat neben der Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge hohe Priorität. 4. Die Ausländerbehörde ist nach der „Anordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylverfahrensrecht“ auch zuständig für die Durchführung des AsylverfG. Was bedeutet die Verpflichtung in einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung zu „wohnen“ nach Ansicht des Senates beziehungsweise der zuständigen Behörde konkret? a. Umfasst diese Verpflichtung auch die dortige tägliche Übernachtung ? b. Reicht es nach Ansicht des Senates aus, wenn die Geflüchteten tagsüber vor Ort ansprechbar sind? c. Plant die Behörde angesichts der momentanen Notsituation Ausnahmen von dieser Regelung? 5. Inwiefern haben die Geflüchteten mit Konsequenzen zu rechnen, wenn sie die Auflage des „Wohnens“ in der Zentralen Erstaufnahme unterbrechen ? a. Gilt dies auch, wenn die Unterbrechung nur nachts erfolgt und sie am Tag wieder vor Ort sind? b. Kommen die genannten Konsequenzen auch zum Tragen, wenn die in § 47 Absatz 4 AsylverfG genannte Belehrung über die Verpflichtung in der zuständigen Erstaufnahmestelle zu wohnen noch nicht erfolgt ist? Die Wohnverpflichtung in einer ZEA bestimmt sich nach § 47 Absatz 1 AsylG. Aus ihr ergibt sich auch der Zweck, durch diese Verpflichtung die jederzeitige Erreichbarkeit für die zuständige Behörde zu gewährleisten. Bei einer Wohnsitznahme außerhalb der ZEA können Terminänderungen, Ladungen oder Bescheide im Rahmen des Asylverfahrens gegebenenfalls die Betroffenen nicht zeitgerecht erreichen, wodurch die Betroffenen gegebenenfalls ihren Mitwirkungspflichten (siehe § 15 AsylG) nicht rechtzeitig nachkommen und ihnen Rechtsnachteile entstehen können (zum Beispiel durch den Ablauf von Rechtsmittelfristen). Zudem verlieren Personen, die sich einige Nächte nicht in der Unterkunft aufhalten, ihren Unterbringungsplatz. Entsprechend der gesetzlichen Regelung sind Wohnsitznahmen außerhalb der ZEA durch Verpflichtete auch mit Zustimmung der zuständigen Behörde nicht möglich.