BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19816 21. Wahlperiode 28.01.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 21.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Ein Jahr Resozialisierungsgesetz – Welche Fortschritte wurden tatsächlich erzielt? In einer Pressemitteilung vom 20. Januar 2020 äußerten sich Justizsenator und Sozialsenatorin über die weiteren Fortschritte bei der Resozialisierung, die durch das Inkrafttreten des Hamburgischen Resozialisierungs- und Opferhilfegesetztes (HmbResOG) zum 1. Januar 2019 erzielt wurden. „Insbesondere im Bereich der Schuldnerberatung sehen wir – etwa beim Umgang mit Mahnungen, Pfändungen und Schreiben von Gläubigern – mehr Selbstständigkeit und Problembewusstsein der Betroffenen.“, teilte der Justizsenator mit. Gemäß § 8 Absatz 1 HmbResOG beginnt das Übergangsmanagement in der Regel sechs Monate vor der voraussichtlichen Haftentlassung mit Erstellung des Eingliederungsplans nach § 9 und endet in der Regel sechs Monate nach der Haftentlassung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat im Nachgang zu meinen Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/16879 und 21/16737: Das Übergangsmanagement als Kernstück des Resozialisierungsgesetzes trägt durch die Unterstützung und Stabilisierung der Klientinnen und Klienten sowie die enge Vernetzung zwischen Vollzug und Fachstelle Übergangsmanagement dazu bei, die Klientinnen und Klienten zu befähigen, ein Leben in Eigenverantwortung ohne weitere Straftaten zu führen. Die Fallmanagerinnen und Fallmanager unterstützen den Zugang zu den Leistungen der bestehenden Regelsysteme und fördern damit die Reintegration in die Gesellschaft. Dies gelingt, wenn frühzeitig der konkrete Bedarf an Hilfe erkannt und entsprechende Maßnahmen zur Unterstützung bereits in den letzten Monaten des Vollzuges eingeleitet werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Insassen, deren Haftentlassung sechs Monate bevorstand, befanden sich im Jahr 2019 insgesamt in den einzelnen Justizvollzugsanstalten ? a. Wie viele dieser wurden jeweils durch die „Fachstelle Übergangsmanagement “ (FÜma) beraten? Die Fachstelle Übergangsmanagement hat im Jahr 2019 1 354 Insassen über das Angebot des Übergangsmanagements schriftlich oder im Rahmen eines Erstgespräches informiert. Von diesen haben 360 Klientinnen und Klienten Beratungen zu individuellen Problemlagen in Anspruch genommen. Die im Jugendbereich mit der Aufgabe des Übergangsmanagements betraute Jugendgerichtshilfe beziehungsweise Jugend- Drucksache 21/19816 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bewährungshilfe informierte in 2019 insgesamt 95 Klienten über das Angebot. Davon ließen sich 86 beraten. Im Übrigen siehe Anlage. b. Ist sichergestellt, dass die Beratung sechs Monate vor der Haftentlassung beginnt? Ja. c. Für wie viele dieser wurden Eingliederungspläne durch die FÜma erstellt? Es wurden 143 vollumfängliche Eingliederungspläne im Sinne des Gesetzes durch die Fachstelle Übergangsmanagement erstellt. Im Jugendbereich wurden 47 Eingliederungspläne erstellt. d. Wie viele der Klienten wurden vor dem Erstgespräch aus der Haft entlassen? Im Zuständigkeitsbereich der Fachstelle Übergangsmanagement wurden 240 Klienten und Klientinnen entlassen, bevor ein Erstgespräch durchgeführt werden konnte. Hier handelte es sich um Klienten und Klientinnen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten und sich frühzeitig auslösten oder auslösen ließen. Diese Klienten und Klientinnen wurden, sofern eine Anschrift ermittelt werden konnte, in der Folge von der Fachstelle Übergangsmanagement angeschrieben, und das Angebot der Unterstützung unterbreitet . Aus dem Jugendvollzug wurden keine Klientinnen und Klienten vor der Durchführung eines Erstgespräches entlassen. e. Wie viele der Gefangenen haben die Beratung abgelehnt? Im Zuständigkeitsbereich der Fachstelle Übergangsmanagement lehnten von den unter 1. genannten im Jahr 2019 insgesamt 230 Klienten und Klientinnen das Beratungsangebot ab. Davon verweigerten zehn Klienten und Klientinnen die Beratung grundsätzlich. 220 Klienten und Klientinnen äußerten im Beratungsgespräch keinen Unterstützungsbedarf und sahen sich ausreichend auf die Entlassung vorbereitet. Im Jugendbereich lehnten in 2019 insgesamt neun Klienten das Angebot des Übergangsmanagements ab. 2. Wie gestaltet sich die Betreuung der Klienten durch die FÜma nach dem Erstgespräch konkret? Im Erstgespräch werden gemeinsam mit der Klientin beziehungsweise dem Klienten Bedarfe erhoben und Ziele erarbeitet. Bereits bestehende Betreuungskontakte zu freien Trägern finden Beachtung und werden in die weitere Planung einbezogen. Klienten und Klientinnen werden vor dem Hintergrund vorhandener individueller Ressourcen darin unterstützt, ihr Selbsthilfepotenzial zu nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. In Folgegesprächen wird der Bedarf – wenn erforderlich – spezifiziert und die Umsetzung von Maßnahmen besprochen. In Abhängigkeit vom Unterstützungsbedarf erfolgt bei erwachsenen Strafgefangenen in der Folge eine Überleitung des Klienten beziehungsweise der Klientin an den freien Träger, der die Durchführungsaufgaben des Übergangsmanagements wahrnimmt. Die enge Zusammenarbeit der Kooperationspartner für die Umsetzung des Übergangsmanagements erfolgt durch bilaterale Kontakte, Fallbesprechungen und die gemeinsame Fortschreibung des Eingliederungsplans. 3. Wie gestaltet sich die Betreuung der Klienten nach der Entlassung konkret ? Nach der Haftentlassung besteht das Unterstützungsangebot an die Klienten beziehungsweise Klientinnen unverändert für einen Zeitraum von sechs Monaten fort. Die Wahrnehmung des Angebotes erfolgt auf freiwilliger Basis. Angeboten werden weitere Gesprächskontakte, die Begleitung zu behördlichen Terminen, die Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche, der Beantragung zu gesetzlichen Leistungen et cetera. Vor Haftentlassung werden in jedem Fall die Kontaktdaten der jeweiligen Ansprechpartner und -partnerinnen ausgehändigt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19816 3 4. Auf welchen konkreten Erkenntnissen beziehungsweise Daten basiert die Aussage des Justizsenators, dass insbesondere im Bereich der Schuldnerberatung, etwa beim Umfang mit Mahnungen, Pfändungen und Schreiben von Gläubigern, mehr Selbstständigkeit und Problembewusstsein bei den Betroffenen erzielt werden konnte? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schuldnerberatung der Justizbehörde haben seit Anwendung des Resozialisierungsgesetzes bei ihren Klientinnen und Klienten ein höheres Maß an Selbstständigkeit und Problembewusstsein festgestellt. Die Schuldnerberatungsstelle erhält Einblick in die Resozialisierungsplanfortschreibung des Vollzugs, die von den für die jeweiligen Gefangenen zuständigen Vollzugsabteilungsleitungen bearbeitet wird. Die dort enthaltenen Mitteilungen betreffen unter anderem die Bereitschaft der Gefangenen zur Schuldenregulierung. Der Resozialisierungsplan dokumentiert im Bereich Schulden vereinbarte Ratenzahlungen, Stundungen , Vergleiche und sonstige die Schuldenregulierung betreffende Vereinbarungen. Die Einsichtnahme in den Resozialisierungsplan durch die Schuldnerberatungsstelle erfolgt auf Grundlage einer Schweigepflichtsentbindung durch die Klientinnen und Klienten. Weiterhin führt die Schuldnerberatung Gruppenveranstaltungen durch. Hierbei erfolgen nach Ende der Veranstaltungen direkte Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die Beraterinnen und Berater. Aus diesen Rückmeldungen ist ersichtlich , dass die Wissensvermittlung zu Fragen der Schuldenregulierung und des Umgangs mit Geld mehrheitlich als erfolgreich gewertet werden kann. Das erhöhte Problembewusstsein im Bereich Schuldenregulierung macht sich auch an einer stetig steigenden Anzahl von Beratungsfällen bemerkbar. Im Jahr 2018 hatte die Schuldnerberatungsstelle 2 192 Fälle, im Jahr 2019 2 412. Vor fünf Jahren (2015) betrug die Anzahl der Beratungsfälle noch 1 247. Diese Einschätzungen sollen im Rahmen der Evaluation des Resozialisierungsgesetzes empirisch validiert werden. 5. Inwiefern hat sich seit Inkrafttreten des Resozialisierungsgesetzes die Suche nach Wohnraum für die Betroffenen verbessert? Die Integration in Wohnraum für die Gruppe der Haftentlassenen stellt weiterhin eine Herausforderung dar. Im Jugendbereich werden die Möglichkeiten der Jugendhilfe, zum Beispiel die Unterbringung im Rahmen der Hilfen zur Erziehung/Hilfen für junge Volljährige (zum Beispiel über trägereigenen Wohnraum nach §§ 27 und 35 SGB VIII), genutzt. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Jungerwachsene in die Wohnprojekte (Jungerwachsenenprogramm) von f & w fördern und wohnen AöR einzusteuern. Im Übrigen siehe Drs. 21/13881. 6. Wie viele Stellen (Stellen-Soll und VZÄ) umfasst die Fachstelle Übergangsmanagement aktuell? Die Fachstelle Übergangsmanagement umfasst zehn Stellen Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen . Dies sind derzeit 7,77 VZÄ. 7. Wie hat sich die Anzahl der durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleiche a. im Jugendstrafverfahren, b. bei Erwachsenen seit dem Jahr 2016 jährlich entwickelt? Jugendstrafverfahren: 2016 2017 2018 2019 202 144 154 126 Erwachsene: 2016 2017 2018 2019 172 211 214 125 Drucksache 21/19816 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Gezählt werden die Verfahren, die im jeweiligen Kalenderjahr begonnen wurden. Da von den im Kalenderjahr 2019 begonnenen Ausgleichsverfahren noch eine Vielzahl Verfahren nicht abgeschlossen sind, ergibt sich für 2019 eine vorläufige, relativ geringe Zahl. 8. Wie haben sich die Anzahl der Täter mit Verpflichtung zu Ausgleichsbemühungen und die Anzahl der Geschädigten, die Wiedergutmachung über den Opferfonds erhielten, jährlich seit dem Jahr 2016 entwickelt? 2016 2017 2018 2019 Ausgleichsverfahren 533 512 494 528 Geschädigte 331 281 278 294 Im Erwachsenenbereich kann die Anzahl der Beschuldigten, die bei einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich einen materiellen Ausgleich geleistet haben, nicht genannt werden, da nicht erfasst wird, welche Art von Ausgleich zu einem Erfolg geführt hat. Ein Ausgleich zwischen Täter und Opfer setzt nicht notwendigerweise eine Zahlung an den Geschädigten voraus. Um die Anzahl der Täter mit Verpflichtung zu Ausgleichsbemühungen zu ermitteln, müssten mehrere Hundert Akten durchgeführter Täter-Opfer-Ausgleiche händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. A n s ta lt e n S ti c h ta g 3 1 .0 1 .2 0 1 9 S ti c h ta g 2 8 .0 2 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .0 3 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 0 .0 4 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .0 5 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 0 .0 6 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .0 7 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .0 8 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 0 .0 9 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .1 0 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 0 .1 1 .2 0 1 9 S ti c h ta g 3 1 .1 2 .2 0 1 9 B W * 2 6 6 2 8 2 2 8 3 2 8 5 2 9 8 3 0 7 3 2 9 3 2 7 3 4 0 3 4 3 3 3 3 3 3 1 B W T A F * 3 3 3 5 4 2 3 6 3 1 3 3 3 8 4 3 4 4 4 7 5 1 4 2 F B * 7 8 8 2 8 3 8 0 8 7 8 9 8 3 8 8 9 1 1 0 0 9 5 1 0 1 G M * 9 3 9 9 1 0 1 1 1 4 1 1 0 1 1 3 1 1 8 1 2 3 1 3 5 1 2 7 1 2 7 1 2 7 H S * 3 8 4 3 4 3 4 7 4 0 3 7 3 1 2 9 3 1 2 7 2 9 3 6 S H * 6 5 7 1 6 8 6 1 6 8 6 4 5 7 5 9 6 2 7 4 7 3 6 3 U H * 3 3 4 3 5 3 3 6 8 3 2 5 3 2 7 3 1 2 3 2 4 3 2 9 3 5 8 3 5 8 3 5 1 3 6 6 Q u e lle : D a te n d e r fü r J u s ti z z u s tä n d ig e n B e h ö rd e S ta ti s ti k e n i m S in n e d e r F ra g e s te llu n g w e rd e n b e i d e r V o llz u g s s ta ti s ti k n ic h t g e fü h rt . 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