BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19840 21. Wahlperiode 31.01.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 23.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Wie weit ist Hamburg vom NATO-Manöver „Defender 2020“ betroffen? (II) – Nachfragen zu Drs. 21/19285 Der Senat gab auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/19285 sehr ausweichende und ungenaue Antworten, unter anderem hieß es: „Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg ist mit Schreiben des Generalsinspekteurs der Bundeswehr vom 01.10.2019 offiziell über die Übung der Streitkräfte der USA „DEFENDER 2020“ informiert worden. Die Hamburger Behörden sind, sofern fachlich und für zivile Aspekte zur Vorbereitung und Durchführung der Übung zuständig, in die Abstimmungsprozesse einbezogen. Alle in diesem Zusammenhang stehenden Informationen sind als Verschlusssachen eingestuft. Eine Beantwortung der Fragen ist daher im Rahmen einer Parlamentarischen Anfrage oder außerhalb von zum Umgang mit Verschlusssachen ermächtigten Formaten nicht zulässig.“ Oder pauschal ohne genau zu differenzieren welche Aspekte welcher Fragen genau gemeint sind: „Mit diesen Fragestellungen hat sich der Senat bisher nicht im Einzelnen befasst, im Übrigen siehe Vorbemerkung.“ Auf der Website von „buten un binnen“ vom 14. Januar 2020 heißt es in Bezug auf „DEFENDER 2020“ unter anderem: „Was ist in Bremerhaven geplant? Im geografisch günstig gelegenen Bremerhaven liefern drei Frachter 825 Fahrzeuge an, vom Großpanzer bis zu kleineren Gefährten. Die frühste Anlandung könnte – je nach Durchkommen – am 20. Februar stattfinden, die letzte wird am 26. Februar erwartet. Sechs Konvois mit jeweils rund 150 Fahrzeugen machen sich anschließend auf den Weg Richtung Polen. Die Großpanzer werden über Straßen und Schienen abtransportiert, Lkw und Kleinfahrzeuge fahren selbständig. 2017 wurde ein Großteil der Fahrzeuge und Materialien über Bremerhaven abgewickelt, damals ging es um 900 Eisenbahnwaggons mit militärischem Gerät. Ist mit Behinderungen für die Bevölkerung zu rechnen? Um die Belastung für die Bevölkerung zu minimieren, solle der Großteil der Transporte aber nachts zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr erfolgen. Auszuschließen seien Staus und Behinderungen auf den Straßen laut Bundeswehr allerdings nicht.“ Drucksache 21/19840 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vergleiche: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/ defender-europe-militaer-uebung-bremerhaven-100.html. In einem Brief an Bundestagsabgeordnete, der nicht als Verschlusssache deklariert ist, schreibt Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp- Karrenbauer: „(...) Verlegungen im Lufttransport sind gemäß derzeitiger Planung zu den Flughäfen in Berlin, Bremen, Hamburg, Frankfurt a.M., München , Nürnberg und Ramstein beabsichtigt, für den Seetransport sind zurzeit Häfen in Belgien, Frankreich und den Niederlanden sowie der Seehafen Bremerhaven und die Binnenhäfen Bremen, Duisburg, Krefeld und Mannheim vorgesehen. Hauptstrecken für den Straßentransport sind zurzeit geplant von Venlo und Aachen über Dortmund – Hannover – Berlin – Frankfurt/O. - Bremerhaven – Hamburg – Berlin – Stettin – Mannheim – Hannover sowie Mannheim – Dresden – Görlitz. Rasträume für diese Transporte sind in den militärischen Liegenschaften in Rheindahlen, Garlstedt, Münster, Augustdorf, Fritzlar, Burg, Lehnin, Hagenow, Torgelow, Frankenberg (Sachsen) und Oberlausitz sowie mehreren US-Liegenschaften vorgesehen. Darüber hinaus werden weitere Strecken genutzt. Es kann – auch kurzfristig – zu Änderungen kommen . Ein Teil des schweren Geräts wird zusätzlich über Schienen und Wasserstraßen transportiert. (...)“ In einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ aktualisiert am 09.01.2020 heißt es unter anderem: „Auf Deutschland kommt in diesem Jahr das größte Nato- Manöver seit Ende des Kalten Krieges zu. Hessen spielt dabei eine zentrale Rolle. Beim Verlegen der Einheiten würden sämtliche Aktivitäten „federführend vom europäischen Hauptquartier der US-Streitkräfte in Wiesbaden übernommen“, schreibt Staatskanzlei-Chef Axel Wintermeyer (CDU) in seiner Antwort auf Fragen des Linken-Abgeordneten Jan Schalauske. Bei dem Manöver „Defender 2020“ übt die Nato die Verlagerung von US-Soldaten und Truppen aus anderen Nato-Staaten nach Polen und ins Baltikum. Dabei durchqueren sie Deutschland. Etwa 37 000 Soldaten sollen beteiligt sein. „Die Hauptverlegezeiten der US-Verbände reichen dabei von Februar bis in den Mai 2020“, erläutert Wintermeyer. Hessen: US-Kolonnen rollen über die Autobahnen In Hessen werden wie in ganz Deutschland Transportkolonnen auf Autobahnen rollen und lange Güterzüge die Bahnhöfe durchqueren. Das soll in der Regel nachts geschehen und nicht an den Ostertagen. Etliche Teile Hessens können davon betroffen sein, wie der Staatsminister aufzählt. So sollten der Flughafen Frankfurt und der US-Airport in Wiesbaden-Erbenheim „für die Verlegung von Truppenteilen per Lufttransport“ genutzt werden. Die geplanten Transportrouten führten durch die „Großräume Kassel, Gießen, Frankfurt, Wiesbaden sowie Bad Hersfeld und Darmstadt“. Am stärksten würden voraussichtlich Gemeinden „mit direktem Bezug zu den Marschrouten“ betroffen sein. Hierzu zählen nach Wintermeyers Angaben die Landkreise Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder und Hersfeld-Rotenburg im Norden des Landes sowie der Landkreis Bergstraße im Süden. Als „Rasträume für die militärischen Transporte“ sind demnach der Bundeswehrstandort Fritzlar sowie „alle US-Liegenschaften in Deutschland“ vorgesehen, darunter Erbenheim.“ In einem Bericht des NDR vom 22.01. heißt es: „Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat Einzelheiten zu den Auswirkungen des bevorstehenden Manövers „US Defender Europe 2020“ in Mecklenburg-Vorpommern bekannt gegeben. Demnach ist der Nordosten von der Übung nur auf Nebenrouten sowie auf der Strecke von Hamburg nach Berlin betroffen, wie Caffier am Mittwoch- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19840 3 abend nach einer Sondersitzung des Bundesrates erklärte, auf der die Landesinnenminister über Einzelheiten zum Manöver informiert wurden.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Bundesministerin der Verteidigung hat ein vom 10. Januar 2020 datiertes Schreiben an den Präsidenten des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg gerichtet, in dem wortgleich die in der Vorbemerkung zitierten Auszüge eines Schreibens an die Mitglieder des Deutschen Bundestages enthalten sind. Ein identisches Schreiben ist auch dem Präses der Behörde für Inneres und Sport zugegangen. Diese Schreiben lagen zum Zeitpunkt der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 6. Dezember 2019 noch nicht vor. Aus der Zusammenarbeit der zuständigen Stellen mit der Bundeswehr und den genannten Schreiben der Bundesministerin der Verteidigung ist zwischenzeitlich bekannt, dass für Hamburg eine Verlegung von Kräften über den Flughafen geplant ist. Weiterhin sind Militärtransporte über die Autobahnen BAB A 1 und BAB A 24 beabsichtigt. Darüber hinaus sind diese Schreiben weder geeignet, die sehr detaillierten Fragestellungen aus der Drs. 21/19285, noch die nachfolgenden Fragen inhaltlich hinreichend zu beantworten. In der Vorbereitung auf die militärische Übung haben die beteiligten Behördenvertreter der Freien und Hansestadt Hamburg mit den verantwortlichen Dienststellen des Bundes vereinbart, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die anstehende militärische Übung „US DEFENDER Europe 2020“ ausschließlich durch die Stellen des Bundes erfolgt. Für Sachverhalte, die sich im Rahmen der Durchführung des Übungsvorhabens ergeben werden und die unmittelbar den Aufgabenbereich einer Landesbehörde berühren, wird die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Zuständigkeit von dieser Stelle übernommen. Darüber hinaus gilt weiterhin, dass detaillierte Informationen, die insbesondere Aufschluss über konkrete Zeiten, Fahrtwege und -ziele, Verkehrsmittel und Truppenstärken geben können, als Verschlusssache zu behandeln sind. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie erklärt der Senat, dass andere Landesregierungen, wie zum Beispiel die hessische, ähnlich gelagerte Anfragen von Abgeordneten bezüglich von betroffenen Orten, Routen, Infrastrukturen et cetera aus Drs. 21/19285 detailliert beantwortet und der Innenminister Mecklenburg -Vorpommerns sich zur Strecke äußert, während der Senat pauschal Antworten verweigert, weil sämtliche Auskünfte Verschlusssache seien? 2. Wie erklärt der Senat, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp- Karrenbauer Abgeordneten ohne einen Hinweis auf Verschlusssache detaillierte Antworten zu einigen der oben genannten Aspekte der Drs. 21/19285 gibt, während der Senat pauschal Antworten verweigert, weil sämtliche Auskünfte Verschlusssache seien? Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, Äußerungen von Mitgliedern anderer Landesregierungen oder der Bundesregierung zu kommentieren. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie erklärt der Senat, dass in unzähligen Medien unter anderem „buten un binnen“ detaillierte Informationen über Aspekte der oben genannten Fragen aus der Drs. 21/19285 gegeben werden können, während der Senat pauschal Antworten verweigert, weil sämtliche Auskünfte Verschlusssache seien? Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Werden militärisches Material oder Infrastruktur für das Manöver „DEFENDER 2020“ über das Territorium der Freien und Hansestadt Hamburg, den Hamburger Flughafen und den Hamburger Hafen sowie Schienen oder Straßen in der Hansestadt Hamburg transportiert? Drucksache 21/19840 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn ja, bitte nach den Kategorien Hafen, Flughafen und „Gesamt Hamburg“, genauer Menge an militärischem Material und Infrastruktur sowie nach Transportwegen- und mitteln Schiene/Schiff/Straße auflisten. 5. Werden Soldaten der USA, weiterer NATO-Staaten und der Bundeswehr für das Manöver „DEFENDER 2020“ über das Territorium der Freien und Hansestadt Hamburg verlegt? (Bitte einzeln und nach Hafen, Flughafen, Schiene, Straße und andere Wege und Anzahl der Soldaten auflisten.) Ja. Darüber hinaus liegen zur Weitergabe geeignete Informationen den zuständigen Stellen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Hat der Senat vorbeugende Maßnahmen getroffen, sodass beim Transport von schwerem Militärgerät, wie zum Beispiel Panzern, die nach Medienberichten insgesamt bis zu 130 Tonnen wiegen können, Schäden an der Infrastruktur der Freien und Hansestadt Hamburg verhindert werden ? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Ja. Strecken, auf denen Straßentransporte mit besonderen Abmessungen oder Gewichten durchgeführt werden können, sind in Hamburg für Großraum- und Schwertransporte festgelegt. 7. Rechnet der Senat mit verkehrlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit „DEFENDER 2020“ auf dem Gebiet des Bundeslandes Hamburg ? Wenn ja, bitte möglichst detailliert aufführen nach Straßen-, Schienen, Schiffs- und Luftverkehr. Wenn nein, warum nicht? 8. Ist beabsichtigt, die Hamburger Bevölkerung über zu erwartende Einschränkungen zu informieren, damit es nicht zum Beispiel zu unnötigen Staus und überlangen Wartezeiten an Bahnhöfen kommt? Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, warum nicht? Hinweise auf mögliche Verkehrsbeeinträchtigungen und verkehrliche Einschränkungen sind den zuständigen Stellen derzeit nicht bekannt. Sollten im Rahmen der Durchführung der Transporte Verkehrsbeeinträchtigungen konkret bevorstehen oder eingetreten sein, wird die Bevölkerung über die regelmäßig genutzten Verfahren, insbesondere die Medien und den Verkehrswarndienst informiert. 9. Der 2018 geschlossene Frachtvertrag zwischen Bundeswehr und DB Cargo AG beinhaltet unter anderem, dass Militärtransporte Vorrang vor Personentransporten haben. Hat der Senat sich an die Vertragsparteien gewandt oder diese sich an den Senat, um sich darüber zu verständigen , wie sich dieser Umstand während der umfangreichen Transporte im Bundesgebiet, durch Hamburg und die umliegenden Bundesländer im Zusammenhang mit „DEFENDER 2020“ im April/Mai 2020 auf Hamburg auswirken wird? Wenn ja, was ist das Ergebnis der Verständigung? Wenn nein, ist dies geplant? Wenn diesbezüglich nein, warum nicht? Nein. Die Planung der im Zusammenhang mit der Übung notwendigen Transporte obliegt den verantwortlichen Stellen der Bundeswehr und der beteiligten Streitkräfte. Aus der Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Länder ist bekannt, dass bei der Planung des Übungsvorhabens weitgehend auf die Belange der Zivilgesellschaft Rücksicht genommen wird. Die Bundesministerin der Verteidigung führt dazu in ihrem Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19840 5 Schreiben vom 10. Januar 2020 unter anderem aus: „Die Kernzeit der Verlegung größerer Verbände durch Deutschland wird zwischen März und Mai 2020 liegen, wobei es während der Osterfeiertage zu keinen Truppenbewegungen kommen soll.“ Darüber hinaus ist bekannt, dass der Transport von Konvois überwiegend für die Nachtstunden geplant ist. 10. Beabsichtigt der Senat die Hamburger/-innen über das Manöver und die Betroffenheit Hamburgs in irgendeiner Form zu informieren? Es handelt sich bei der Übung und den daraus folgenden Transporten auch durch Hamburg um eine Maßnahme des Bundes. Es entspricht der ständigen Übung, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit daher grundsätzlich durch die Bundesbehörden erfolgt. 11. Beabsichtigt der Senat darüber zu informieren, welche Waffen-, Munitions - und Truppenteile wann und wo durch Hamburg bewegt werden sollen ? Wenn ja, auf welche Weise und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Zur Weitergabe geeignete Informationen liegen den zuständigen Stellen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 12. Ist eine „zivil-militärische Zusammenarbeit“, geplant? Wenn ja, bedeutet das, dass Angehörige der Polizei oder der Bundespolizei in Hamburg im Zusammenhang mit dem Manöver eingesetzt werden ? Falls ja, wie und in welchem Umfang? Es ist davon auszugehen, dass die Polizei Hamburg Maßnahmen zur Verkehrsregelung /-lenkung im Zusammenhang mit Straßentransporten treffen wird. Darüber hinaus berührt die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei, über die der Senat grundsätzlich keine Auskunft gibt. 13. In welchem Umfang werden logistische Maßnahmen von Hafenbetrieben in Hamburg erbracht? Die Hafenbetriebe betreiben ihr operatives Geschäft eigenverantwortlich. Es liegen dazu keine Informationen vor. 14. Ist eine Unterbringung/Übernachtung/Zwischenlagerung von Soldaten/ -innen/Material in Hamburg geplant? Wenn ja: auf welche Weise und wo? Zur Weitergabe geeignete Informationen liegen den zuständigen Stellen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 15. Welche Kosten werden gegebenenfalls durch das Manöver für das Land Hamburg verursacht? Aktuell sind durch die anstehenden Transporte durch Hamburg keine Kosten zu erwarten, die nicht durch den laufenden Haushalt gedeckt sind.