BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1987 21. Wahlperiode 27.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ludwig Flocken (AfD) vom 20.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Die Rolle von Moscheen für die salafistische Bedrohung in Hamburg  Die Hansestadt Hamburg ist seit Jahren von der Aktivität salafistischer Gruppierungen betroffen; diese operieren in der Regel bundesweit und sind offenbar gut miteinander vernetzt. Nicht wenige von ihnen werden gegenwärtig als eklatantes Sicherheitsrisiko eingestuft und daher vom Verfassungsschutz überwacht („LIES“, „Siegel des Propheten“, „Deutschsprachiger Islamkreis im Norden“ und „Jesus im Islam“).1 Neben den bekannten Tätigkeitsfeldern, die sich oben genannte Organisationen mittlerweile vor allem mit als Informationsstände getarnten Koranverteilungs - und Anwerbungspunkten sowie Street-Dawa-Aktionen erschlossen haben, zu denen aber auch konspirative Versammlungen in Privatwohnungen gehören, sind in der Vergangenheit vereinzelt auch Moscheen in den Fokus der behördlichen Aufmerksamkeit getreten, die im Verdacht stehen, dem salafistischen Spektrum anzugehören. In Hinblick auf die evidente Zunahme salafistischer Aktivitäten in Hamburg, die für den Zeitraum von 20122 bis heute zu verzeichnen ist und damit einer kumulativen Entwicklung unterliegt, sowie eingedenk der Tatsache, dass gegenwärtig 472 Salafisten beziehungsweise 266 Jihadisten in Hamburg erfasst sind3, ist davon auszugehen, dass die salafistische Szene in Hamburg auf ein intaktes Netzwerk zurückgreifen kann, welches augenscheinlich zur islamischen Infrastruktur der Hansestadt gehört. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die 2010 geschlossene Al-Quds-Moschee jahrelang ein internationales Drehkreuz für Jihadisten gewesen ist. Aber auch die Taqwa- sowie die Masjid-El-ImanMoschee sind den Sicherheitsbehörden als Treffpunkte von militanten Muslimen bekannt.4 Die As-Sahaba-Moschee in Barmbek-Nord geriet zuletzt im Februar 2015 in die Schlagzeilen, weil sie den salafistischen Hassprediger Abu Abdallah (bürgerlich Baher Ibrahim) vor die Tür setzte, nachdem dieser dem Verfassungsschutz zufolge bei jungen Muslimen implizit für den Dschihad im Nahen Osten geworben hatte.5 Beunruhigend ist auch, dass der 1 Confer Drs. 21/1306. 2 Im Jahr 2012 sind erstmals Koranverteilungen in Hamburg festgestellt worden. Confer Drs. 21/114. Ihre Anzahl hat sich allein im Bezirk Mitte von 19 (Gesamtjahr 2012) auf 80 (Zeitraum 1.1.15 bis 18.08.15) gesteigert. Confer Drs. 21/1278. 3 Confer ibidem. 4 Confer Drs. 21/1278 und 21/58. 5 Barmbeker Moschee schließt Salafisten-Prediger aus. „Hamburger Abendblatt“ online am 27.2.2015. Drucksache 21/1987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gleichnamige Moschee-Verein (Assahaba e.V.) mittlerweile aus dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg (SCHURA) ausgetreten ist und damit nicht mehr dessen Kontrolle unterliegt.6 Dass es sich bei dieser Tendenz offenbar nicht nur um Einzelfälle handelt, geht indes aus der Stellungnahme des Stadtteilrats Wilhelmsburg hervor, der mittlerweile von drei salafistischen Moscheen vor Ort spricht.7 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Im Juni 2013 hat die Bürgerschaft den Vereinbarungen mit den muslimischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde zugestimmt (siehe Drs. 20/5830). Der Abschluss dieser Verträge wird sowohl vonseiten des Senats als auch vonseiten der Vertragspartner als Zeichen eines kooperativen Miteinanders verstanden und bildet nicht nur die Basis für die Weiterentwicklung religiöser Themen – wie die Ausgestaltung des Religionsunterrichts –, sondern auch für eine gemeinsame Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Islamfeindlichkeit und religiös begründetem Extremismus. Bereits seit September 2014 arbeiten die muslimischen Religionsgemeinschaften und die alevitischen Gemeinden zusammen mit verschiedenen Fachbehörden und den Bezirken in dem Beratungsnetzwerk „Prävention und Deradikalisierung“ eng und vertrauensvoll zusammen. Für die frühzeitige Einbeziehung der muslimischen und alevitischen Religionsgemeinschaften in die Präventionsarbeit erhält Hamburg bundesweit Anerkennung. Im Übrigen siehe Drs. 20/13460 sowie Drs. 21/476, Drs. 21/954, Drs. 21/1204, Drs. 21/1542, Drs. 21/1674 und Drs. 21/1706. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Inwieweit hat sich die islamische Infrastruktur in Hamburg während der vergangenen 20 Jahre verändert? Lässt sich eine Verdichtung derselben feststellen? Falls ja, bitte konkrete Zahlenwerte angeben, die eine etwaige Zubeziehungsweise Abnahme von in Hamburg existierenden MoscheeGemeinden darstellen (die jeweiligen Einrichtungen bitte anhand der Bezirke aufschlüsseln). Die erfragten Daten liegen den zuständigen Behörden nicht vor. Eine systematische staatliche Erfassung von Kirchen, Moscheen et cetera und ihrer Entwicklung wäre mit der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit nicht vereinbar. 2. Welche Anstrengungen unternimmt der Senat, um der Verbreitung salafistischer Propaganda durch islamistische Agitatoren in Hamburger Moscheen entgegenzuwirken? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg informiert im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Öffentlichkeitsarbeit umfassend über die Gefahren, die von den Salafisten ausgehen. Dies geschieht durch umfangreiche Medienarbeit (Pressestatements , Interviews, Internetbeiträge auf der Homepage, jährlicher Verfassungsschutzbericht ) sowie durch Vorträge und Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen. Vertreter des LfV Hamburg stehen zudem für Beratungen in Einzelfällen zur Verfügung . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Werden die für das Gemeindeleben sowie die religiöse Ausgestaltung der Gottesdienste verantwortlichen Imame einer Eignungsprüfung durch eine Behörde der Hansestadt Hamburg unterzogen? 6 Confer Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 44. 7 Wie Salafisten in Wilhelmsburg Einfluss nehmen. „Hamburger Abendblatt“ online am 16.10.2015. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1987 3 Falls ja, worin besteht diese? Falls nein, warum nicht? Nein. Eine solche Prüfung würde die Religionsfreiheit verletzen, siehe Antwort zu 1. 4. Ist es bislang immer noch der Regelfall, dass eine profunde Kenntnis der deutschen Sprache nicht zur Grundvoraussetzung für die Tätigkeit eines Imams gehört? Die Definition der Grundvoraussetzungen für die Ausübung religiöser Ämter obliegt ohne staatliche Beteiligung allein den Religionsgemeinschaften. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 5. Der Senat hat 2015 angekündigt, Moscheegemeinden in Hinblick auf Radikalisierungstendenzen zu „stärken“.8 Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ sollen unter anderem auch verschiedene Moscheen eingebunden werden. Allerdings bleibt die Implikation derartiger Maßnahmen gänzlich unklar. Ist seitens des Senats bisher der Versuch unternommen worden, das religiöse Personal von als „gemäßigt“ geltenden Moscheen dafür zu gewinnen, um mildernd auf „radikalisierte“ Kollegen einzuwirken? Moscheegemeinden und Cemhäuser sind über die Vertragspartner des Senats (SCHURA – dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V.) als zivilgesellschaftliche Kooperationspartner in die Präventionsarbeit des Senats eingebunden. Siehe hierzu Drs. 20/13460, Drs. 21/476, Drs. 21/954 sowie Drs. 21/1204. 6. Unterhält der Senat dauerhaft eine direkte Kommunikation mit den Vertretern von Moscheen der Hansestadt Hamburg, die über die Tätigkeit projektspezifischer Maßnahmen sowie die im Staatsvertrag (Artikel 11, Paragraph 2) seitens der islamischen Dachverbände für Senat und Bürgerschaft bestellten Beauftragen hinausgeht? Falls ja, wie sieht diese aus? Falls nein, warum nicht? Eine dauerhafte direkte Kommunikation mit allen Gemeinden einer Religionsgemeinschaft ist generell nicht üblich. Behörden und Bezirksämter kooperieren jedoch anlassbezogen sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der muslimischen und Alevitischen Religionsgemeinschaften, die mit der Freien und Hansestadt Hamburg 2012 Verträge geschlossen haben, als auch mit einzelnen Moscheegemeinden: Die Behörde für Schule und Berufsbildung steht in kontinuierlichen Arbeitsprozessen mit den Vertragspartnern. Im Zentrum stehen dabei die zukünftige Struktur des Religionsunterrichts (entsprechend Artikel 6 des Vertrages), Lehrerfortbildungen und die Organisation von Moscheebesuchen für Schulklassen. Eine kontinuierliche Kooperation findet auch im Bereich der Extremismusprävention statt: Vertreterinnen und Vertreter der Vertragspartner sind Mitglieder in den überbehördlichen Beratungsnetzwerken gegen Rechtsextremismus und religiös begründeten Extremismus. Die Sicherheitsbehörden stehen darüber hinaus mit Vertretern von Moscheegemeinden und anderer Institutionen und Einrichtungen regelmäßig und anlassbezogen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben in Kontakt. Zudem unterhalten die an den Polizeikommissariaten eingesetzten Beamten des Besonderen Fußstreifendienstes (BFS), im Rahmen ihrer Tätigkeit, ebenfalls Kontakte zu Vertretern örtlich ansässigen Moscheen. Das Bezirksamt Harburg hält über das Sozialraummanagement (Integrationsbeauftragte ) dauerhaft den Kontakt zu den islamischen Vereinen im Bezirk. Auch über den 8 Confer Drs. 21/476. Drucksache 21/1987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Integrationsrat wird dauerhafter Kontakt mit zwei Gemeinden gepflegt. Darüber hinaus plant das Bezirksamt Harburg im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ einen ganztägigen Fachtag mit allen Harburger Moscheen zu aktuellen Handlungsbedarfen . Das Bezirksamt Hamburg-Mitte arbeitet im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ (vormals „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“) seit fünf Jahren mit mehreren Moscheevereinen zusammen. Schwerpunkte sind die Förderung des Interkulturellen/interreligiösen Dialogs und die Durchführung gemeinsamer Projekte . Darüber hinaus sind drei Moscheen/Vereine Mitglied im bezirklichen Integrationsbeirat . 7. Werden Moscheen, die bereits als Treffpunkte für Salafisten identifiziert worden sind (Taqwa- und Masjid-El-Iman- und As-Sahaba-Moschee), durch den Senat mit Auflagen versehen, die eine behördliche Kontrolle erleichtern? Falls ja, worin bestehen diese? Falls nein, warum nicht? 8. Unter welchen Voraussetzungen werden unter Punkt 7. genannte Moscheen mit Sanktionen versehen, durch die salafistische Aktivitäten in Zukunft eingeschränkt werden können und wie sehen diese aus? Moscheevereine können wie alle anderen Vereine verboten werden, wenn deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Darüber hinaus: nein.