BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19881 21. Wahlperiode 04.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 28.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Staatsbürger der Russischen Föderation und Kriminalität – Abfrage für 2019 Aufgrund der Migrationskrise aus Ländern des Nahen Ostens und Afrika wird oft übersehen, dass Deutschland seit 2013 verstärkt zum Ziel einer Einwanderung aus der Russischen Föderation geworden ist. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der vor allem von Personen aus dem Nordkaukasus geprägt ist, der als ethnisch mannigfaltigste Region Russlands gilt. Hatte man 2015 insgesamt 20 521 Personen aus Russland als Asylbewerber registriert , stellten 2016 immerhin noch 12 234 Personen, darunter etwa 9 854 Tschetschenen, entsprechende Anträge. Dass letztlich nur 357 von ihnen eine Rechtsstellung als Flüchtling erhielten, blieb jedoch nahezu folgenlos. Trotz 5 712 verhängter Ablehnungen sowie 6 426 sonstiger Verfahrenseinstellungen , was einer Gesamtschutzquote von 5,2 Prozent entspricht, ist es bisher nicht zu nennenswerten Ausweisungen gekommen.1 Verschiedene Landesämter für Verfassungsschutz, darunter insbesondere Berlin und Brandenburg, haben in ihren Berichten für das Jahr 2015 auf die akute Sicherheitsgefahr hingewiesen, die von als Flüchtlinge nach Deutschland eingereisten Tschetschenen ausgeht. Im Verfassungsschutzbericht Brandenburg heißt es dazu: „Die bundesweite Dynamik des salafistischen Phänomenbereichs spiegelt sich auch im Land Brandenburg wieder: Das „Kaukasische Emirat“ ist zu einer Provinz des „Islamischen Staates“ geworden und hat somit seine lokale Fokussierung aufgegeben. Junge Tschetschenen orientieren sich zunehmend weniger an ihrer Heimat. Sie suchen den Jihad bei den salafistischen Organisationen in Syrien und Irak. Der Krieg im Nahen Osten bietet den Salafisten eine Projektionsfläche für ihr Ideal eines „Islamischen Staates“ und wird real zum Ort, wo sie ihre Macht- und Gewaltfantasien ausleben können (…) Die tschetschenischen Islamisten, die in Brandenburg leben, sind ideologisch gefestigt, gewaltbereit und agieren professionell. Einige bieten neuen Asylbewerbern ihre Hilfe zum Beispiel bei Behördengängen an und helfen bei der Streitschlichtung. Im Gegenzug halten sie die Asylsuchenden zu gemeinsamen Besuchen salafistischer Moscheen an, wo sie weiter radikalisiert werden.“2 Da die ethnische Zugehörigkeit einer Person in russischen Ausweisdokumenten nicht erfasst wird, ist es unmöglich, bei der Einreise von Flüchtlingen aus der Russischen Föderationen Aussagen über deren Volkszugehörigkeit 1 Confer „Kaum beachtet: Warum die gefährlichsten Gefährder aus Tschetschenien stammen .“ Focus Online vom 21.02.2017. 2 Confer Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2015. Seiten 160 – 161. Drucksache 21/19881 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zu treffen. Deswegen muss man sich bei der Erfassung von Kriminalität, die von Nordkaukasiern verursacht wird, mit Angaben zu Bürgern der Russischen Föderation zufrieden geben. Da die aus Russland erfolgende Migration jedoch faktisch ausschließlich von Menschen aus dem Nordkaukasus getragen wird, dürfen die gewonnenen Informationen dennoch als aufschlussreich gelten. Der Asylgeschäftsstatistik für das erste Halbjahr 2017 zufolge haben insgesamt 3 182 Bürger der Russischen Föderation einen Asylantrag gestellt, darunter 2 573 Erst- sowie 609 Folgeanträge. Im gleichen Zeitraum kam es zu 10 653 Entscheidungen über laufende Verfahren.3 Dass tschetschenische Kriminelle auch in Hamburg aktiv sind, belegt ein Video, das der AfD-Fraktion unlängst zugespielt wurde. Es zeigt zwei Tschetschenen, die in einem Pkw die Reeperbahn in Richtung des Heiligengeistfeldes entlang fahren und mit einer scharfen Pistole posieren. Dabei hält der Beifahrer die Waffe in die Kamera und erklärt, jeden zu töten, der sich despektierlich über den tschetschenischen Präsidenten äußere. Ferner werde Hamburg bereits von Tschetschenen kontrolliert. Schließlich skandiert der Mann den islamistischen Slogan „Allahu Akbar!“ Im Hintergrund ist das offene Handschuhfach zu sehen, in dem scharfe Munition lagert.4 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Bürger der Russischen Föderation sind seit dem 1. Januar 2019 in Hamburg registriert beziehungsweise der Freien und Hansestadt Hamburg aus anderen Bundesländern zugewiesen worden? In Hamburg * gemeldete Bürgerinnen und Bürger mit Staatsangehörigkeit Russische Föderation am: Stand: Einwohner/Anzahl 31.12.2018 9 335 30.06.2019 9 408 * = Hauptwohnsitz und alleiniger Wohnsitz Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister Bevölkerungsdaten mit Stand 31.12.2019 liegen voraussichtlich ab April 2020 vor. 2. Wie viele dieser Personen sind a) männlich volljährig; b) männlich minderjährig; c) weiblich volljährlich; d) weiblich minderjährig; e) männlich und älter als 30; f) weiblich und älter als 30; g) männlich und jünger als 50; h) weiblich und jünger als 50; i) älter als 50? 3 Confer Asylgeschäftsstatistik (01-06/2017). Seite 1. 4 XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19881 3 In Hamburg* gemeldete Bürgerinnen und Bürger mit Staatsangehörigkeit Russische Föderation insgesamt nach Geschlecht und Altersgruppen am: 30.06.2019 Altersgruppe Einwohner/Anzahl a) männlich volljährig 2 837 b) männlich minderjährig 720 c) weiblich volljährig 5 199 d) weiblich minderjährig 652 e) männlich älter als 30 2 358 f) weiblich älter als 30 4 215 g) männlich jünger als 50 2 597 h) weiblich jünger als 50 4 442 i) älter als 50 2 369 * = Hauptwohnsitz und alleiniger Wohnsitz e) und f) einschließlich 30-jährig und i) einschließlich 50-jährig Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister Bevölkerungsdaten mit Stand 31.12.2019 liegen voraussichtlich ab April 2020 vor. 3. In wie vielen Fällen ist eine Herkunft aus Tschetschenien beziehungsweise anderen Republiken des Nordkaukasus belegt? Siehe Drs. 21/14124. 4. Wie viele dieser Personen sind seit ihrer Einreise strafrechtlich in Erscheinung getreten? 5. Wie viele Bürger der Russischen Föderation waren in Hamburg 2019 strafrechtlich aufgefallen? Bei der Berechnung der Tatverdächtigen (TV) wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) eine echte Tatverdächtigenzählung vorgenommen. Dabei wird ein TV nur einmal gezählt, auch wenn er mehrfach registriert wurde. Eine Aufschlüsselung, welche dieser TV erst seit dem 1. Januar 2019 in Hamburg registriert oder Hamburg zugewiesen wurden, ist nicht möglich. Die Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten TV oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Da die erfragten Jahresdaten der PKS 2019 zur Zeit noch nicht qualitätsgesichert sind und ein Datenabgleich mit dem Bundeskriminalamt noch nicht erfolgt ist, werden die erfragten Daten für das Jahr 2019 zur Gewährleistung eines Minimums an Validität als kumulative Dreivierteljahreszahlen (Januar bis September) berechnet. Vom 1. Januar bis 30. September 2019 hat die Polizei insgesamt 494 TV mit russischer Staatsangehörigkeit registriert. 6. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden nach aktuellem Sachstand als Intensivtäter5 geführt? Sechs. 7. Wie viele Bürger der Russischen Föderation sitzen seit dem 1. Januar 2019 in einer Justizvollzugsanstalt? Bitte jeweils auch Alter, Geschlecht, Delikt und Strafmaß angeben. Bürgerinnen und Bürger mit Staatangehörigkeit Russische Föderation, die seit dem 1. Januar 2019 inhaftiert sind – Stichtag 01.01.2020 Alter Geschlecht Delikt Strafmaß 30 männlich Bandendiebstahl 4 Jahre 6 Monate 41 männlich schwerer Diebstahl 1 Jahr 2 Monate 5 Für diese Frage gelte die begriffliche Definition aus Drs. 21/8122. Drucksache 21/19881 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Bürgerinnen und Bürger mit Staatangehörigkeit Russische Föderation, die seit dem 1. Januar 2019 inhaftiert sind – Stichtag 01.01.2020 Alter Geschlecht Delikt Strafmaß 25 männlich Diebstahl 1 Jahr 2 Monate 21 männlich Betrug Untersuchungshaft 44 männlich Diebstahl Untersuchungshaft 69 männlich Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz Untersuchungshaft 36 männlich Diebstahl mit Waffen 1 Jahr 2 Monate 34 männlich Einbruchdiebstahl Untersuchungshaft 8. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden von den Sicherheitsbehörden seit dem 1. Januar 2019 dem salafistischen Spektrum zugerechnet? 9. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden von den Behörden seit dem 1. Januar 2019 einem dem Jihadismus zugerechnet und gelten deswegen als Gefährder? Siehe Drs. 21/11321 und 21/19515. 10. Gegen wie viele Bürger der Russischen Föderation laufen gegenwärtig Abschiebeverfahren? Mit Stand 29. Januar 2020 ist die Abschiebung bei 29 Personen mit russischer Staatsangehörigkeit in Vorbereitung. 11. In wie vielen Fällen sind Bürger der Russischen Föderation, die in Hamburg gemeldet waren, seit dem 1. Januar 2019 ausgewiesen worden? Seit dem 1. Januar 2019 wurde eine Person mit russischer Staatsangehörigkeit ausgewiesen . 12. Wie viele dieser Personen waren zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten? Die eine ausgewiesene Person war zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten. 13. In wie vielen Fällen haben die Sicherheitsbehörden illegale Einwanderer aus der Russischen Föderation aufgegriffen? In der PKS sind unter dem PKS-Schlüssel 725100 (unerlaubte Einreise/Grenzübertritt) für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September insgesamt vier TV mit der Staatsangehörigkeit „Russische Föderation“ erfasst; im Übrigen siehe Antwort zu 4. und 5. 14. Wie viele Bürger der Russischen Föderation befinden sich gegenwärtig in Abschiebehaft? Zum 29. Januar 2020 befindet sich keine Person mit russischer Staatsbürgerschaft in Abschiebehaft. 15. Wo befinden sich gegenwärtig die im Oktober 2016 in Hamburg bei einer Razzia gegen islamische Gefährder festgenommenen Bürger der Russischen Föderation, bei denen es sich nachweislich um Tschetschenen handelte? 16. In wie vielen Fällen ist es bei dieser Personengruppe zu einer Verurteilung gekommen? Bitte jeweils das zugrundeliegende Delikt und das Strafmaß nennen. Siehe Drs. 21/16275 und 21/9831.