BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19882 21. Wahlperiode 04.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 28.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Transitunterkunft am Flughafen Hamburg Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gibt an, dass der Hamburger Flughafen zu den Standorten gehört, an denen das BAMF sogenannte Flughafenverfahren durchführt. Bei dem Flughafenverfahren wird Schutzsuchenden, die über den Luftweg nach Deutschland gelangen, die Einreise verweigert. Stattdessen müssen sie bis zu 30 Tage im Transitbereich des Flughafens bleiben, bis das BAMF in einem Schnellverfahren entschieden hat, ob eine Bleibeperspektive besteht. Obwohl Hamburg als Standort für Flughafenverfahren benannt wird, wurde auf regelmäßige Anfragen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zuletzt angegeben, dass am Flughafen Hamburg keine Flughafenverfahren durchgeführt wurden. Auf dem Gelände des Flughafen Hamburgs soll sich im Transitbereich eine Container-Einrichtung befinden, die zur Unterbringung von Schutzsuchenden im Flughafenverfahren genutzt wird. Nach Informationen eines Rechtsanwaltes wollte dieser Anfang dieses Jahres einen dort untergebrachten Mandanten besuchen. Der schutzsuchende afghanische Staatsbürger war am 13.09. im Transitbereich des Flughafens Hamburg angetroffen worden, wo er einen Asylantrag stellte, den das BAMF am 17.09.2019 im Rahmen des Flughafenverfahrens als „offensichtlich unbegründet“ ablehnte. Zwischen dem 13.09.2019 und dem 04.11.2019 war der Betroffene in der Transiteinrichtung untergebracht. Im Abschluss wurde er in der Einrichtung zum Vollzug des Ausreisegewahrsams beziehungsweise der Abschiebehaft außerhalb des Flughafen Hamburgs untergebracht und nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2019 wieder in den Transitbereich des Flughafens zurückverlegt und mittlerweile abgeschoben . Nachdem dem Rechtsanwalt zunächst der Zugang verweigert worden sei, konnte er seinen Mandanten schließlich im Transitbereich besuchen und sich dabei ein Bild von den Zuständen vor Ort machen. Nach Auskunft des Anwalts sind die Zustände dort extrem schlecht. Die Einrichtung befände sich auf einem etwa 200 Quartradmeter großen, umzäunten Gelände in unmittelbarer Nähe zu den Start- und Landebahnen, was zu enormen Lärm- und Schadstoffbelastungen führe. Die Räume bestünden aus sechs Containern à 7x2 Meter sowie einen Sanitärcontainer, in dem sich eine Toilette und eine Dusche befänden. Weitere Toiletten seien in den Wohncontainern nicht vorhanden, es gäbe lediglich Waschbecken. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln bestehe aus dem Essen, das sonst Flugzeug-Passagiere erhalten. Die Zubereitung von eigenen Speisen sei nicht möglich, nicht ein- Drucksache 21/19882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mal die Zubereitung von heißen Wasser. Es gäbe zudem keinerlei Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (weder Fernsehen, noch Radio, noch WLAN oder Sportmöglichkeiten) oder der religiösen Betätigung. Die Ausstattung der Räume sei sehr spärlich und bestehe lediglich aus Stahlrohrbetten, einem Spind und einem Tisch mit Stuhl. Es gäbe keinerlei Möglichkeiten des Kontakts oder Austausches und auch keine Beratungsangebote oder Ähnliches. Die Unterbringungssituation von Geflüchteten in Hamburg steht immer wieder in der Kritik – viel zu oft sind die Standards menschenunwürdig und vollkommen unangemessen. Die Informationen des Rechtsanwalts legen den Schluss nahe, dass die Unterbringungssituation in der Transiteinrichtung ebenfalls menschenunwürdig ist. Ich frage den Senat: Das sogenannte Flughafenverfahren nach § 18a des Asylgesetzes (AsylG) ist ein beschleunigtes Verfahren für Asylbewerberinnen und -bewerber aus gesetzlich festgelegten sicheren Herkunftsländern sowie Asylbewerberinnen und -bewerbern aus allen übrigen Ländern, die bei der Einreisekontrolle am Flughafen keinen gültigen Reisepass oder Passersatz vorlegen. Es soll eine zügige Entscheidung in einfach gelagerten Fällen ermöglichen, in denen ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist und in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dies innerhalb von zwei Tagen feststellen kann. Das Flughafenverfahren wird im Transitbereich des Flughafens vor der Entscheidung der Bundespolizei über die Einreise durchgeführt. Das Verfahren verantwortet das BAMF. Die Prüfung der Voraussetzungen für die Einreise obliegt der Bundespolizei. Bei einer Bewilligung des Asylantrages durch das BAMF wird zugleich die Einreise durch die Bundespolizei gestattet. Im Falle der Ablehnung verweigert die Bundespolizei die Einreise. Für das Flughafenverfahren gilt der sogenannte Unverzüglichkeitsgrundsatz . Dieser bedeutet, dass die beziehungsweise der Asylsuchende unverzüglich vom Bundesamt anzuhören und ihr beziehungsweise ihm unverzüglich Gelegenheit zu geben ist, mit einem Rechtsbeistand ihrer beziehungsweise seiner Wahl Verbindung aufzunehmen. Bei Ablehnung des Antrages kann innerhalb von drei Tagen ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt werden. Die Antragstellerin beziehungsweise der Antragssteller erhält dann innerhalb von drei Tagen Rechtsberatung durch eine in Asylrechtsfragen kundige Rechtsanwältin beziehungsweise einen in Asylverfahren kundigen Rechtsanwalt. Wenn das BAMF nicht innerhalb von zwei Tagen beziehungsweise das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von 14 Tagen entscheidet, ist die Einreise zu gestatten. Das Flughafenverfahren kann demnach bis zu 19 Tagen dauern. Währenddessen hat die beziehungsweise der Asylsuchende im Transitbereich zu verbleiben. Nach einem für die Asylbewerberin oder den Asylbewerber erfolglosen Abschluss des Flughafenverfahrens erfolgt die Einleitung einer Zurückweisung nach § 15 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Dies stellt ein eigenes, vom Flughafenverfahren abgekoppeltes Verfahren dar, bei dem die Bundespolizei zuständig ist. Das Flughafenverfahren wird an Flughäfen umgesetzt, die Asylsuchende auf dem Flughafengelände unterbringen können. In Hamburg hat der Betreiber des Flughafens Hamburg auf dem Flughafengelände im Transitbereich eine Fläche zur Verfügung gestellt, auf der seit September 1993 für die Unterbringung von Asylsuchenden Container mit insgesamt neun Plätzen vorgehalten werden. In vier Containern befinden sich die Schlafplätze, ausgestattet mit Bett, Tisch, Stuhl sowie Kleiderschrank. Sanitäreinrichtungen stehen in zwei Containern zur Verfügung. Ein weiterer Container dient als Aufenthaltsraum. Rund um die Container findet sich ein Außengelände zur jederzeitigen Nutzung. Zudem ist ein Aufenthalt im Transitbereich des Flughafens (den Terminals) möglich. Die Container für das Flughafenverfahren werden durch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) bereitgestellt. Die Einrichtung wird ausschließlich für das Flughafenverfahren vom BAMF und der Bundespolizei genutzt. Hierfür stellt die Bundespolizei derzeit das Wachpersonal und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19882 3 ist erste Ansprechpartnerin für die untergebrachten Personen. Weiteres Personal wird aufgrund der geringen Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer nicht vorgehalten. Bei Inanspruchnahme der Einrichtung erfolgt rund um die Uhr eine Bewachung der Bundespolizei. Auf Bitte beziehungsweise bei Bedarf wird eine medizinische Versorgung , soziale Betreuung beziehungsweise die Erfüllung sonstiger Bedarfe, zum Beispiel Friseur, umgehend veranlasst. Es steht ein Telefon zum jederzeitigen Gebrauch bereit, ferner liegt eine Liste mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus. Betreiber der Unterkunft ist die Freie und Hansestadt Hamburg. Eine Inanspruchnahme der Transiteinrichtung wird seitens der zuständigen Behörden statistisch nicht erfasst. Nach den Erfahrungswerten der zuständigen Behörden waren zeitgleich bislang nicht mehr als vier Asylsuchende untergebracht. Die Erfahrungswerte zeigen auch, dass die Einrichtung jährlich durchschnittlich von zehn bis 19 Fällen belegt wurde. Diese geringe Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer der Einrichtung erlaubt eine geschlechtergerechte Sanitärnutzung und eine familiengerechte Unterbringung. Angesichts der sehr geringen Inanspruchnahme der Einrichtung und auch im Hinblick auf die Größe der Unterkunft war eine Hausordnung bisher nicht erforderlich. Mit Mail vom 29.01.2020 wurden darüber hinaus das zuständige BAMF und die zuständige Bundespolizei um einen Beitrag zur Beantwortung der Fragestellungen gebeten. In der für die Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit hat die Bundespolizei der zuständigen Behörde mitgeteilt, dass sie als Bundesbehörde generell zu Anfragen aus den Länderparlamenten keine Stellung nimmt. Seitens des BAMF ist keine Rückmeldung in der für die Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit eingegangen. Im Übrigen siehe hierzu auch Drs. 21/4566. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Um was für eine Einrichtung handelt es sich bei der beschriebenen Unterkunft und welchem Zweck dient sie? a. Wie lautet die offizielle Bezeichnung der Unterkunft und welche Behörde beziehungsweise welcher Träger ist für den Betrieb verantwortlich ? b. Seit wann existiert die Einrichtung und seit wann wird sie zum derzeitigen Zweck genutzt? c. Befindet sich die Unterkunft im sogenannten Transitbereich? d. Wird die Einrichtung ausschließlich zur Durchführung von sogenannten Flughafen-Asylverfahren genutzt? Wenn nein, aus welchen anderen Gründen und zu welchen Zwecken werden dort Personen untergebracht? 2. Wie viele Verfahren mit wie vielen Personen wurden in der Einrichtung seit dem 01.01.2015 durchgeführt? Bitte nach Jahren, Herkunftsländern der Betroffenen, Geschlecht, Alter der Betroffenen und Dauer der Unterbringung differenzieren. 3. Nach welcher Rechtsgrundlage richtet sich der Vollzug der Unterbringung in der Einrichtung? 4. Gibt es eine Hausordnung? Wenn ja, wie lautet diese? Bitte im Wortlaut angeben. 5. Wie viele Plätze sind in der Einrichtung vorgesehen? a. In welche Einheiten ist die Einrichtung räumlich unterteilt? b. Wie viele Schlafplätze sind in den Räumen jeweils vorgesehen? c. Wie sind die Räume ausgestattet? Drucksache 21/19882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d. Wie wird die Trennung nach Geschlechtern und/oder Familien gewährleistet? e. Wie viele Sanitäreinrichtungen stehen zur Verfügung und wie wird die Trennung nach Geschlechtern in den Sanitärbereichen gewährleistet ? 6. Welches und wie viel Personal ist vor Ort eingesetzt? Bitte nach unterschiedlichen Berufsgruppen (Wachdienst, Sozialarbeiter/-innen, Behördenmitarbeiter /-innen et cetera) differenzieren und jeweils die VZÄ angeben. 7. Welche Beratungen werden vor Ort in der Einrichtung angeboten? Bitte nach Beratungsangeboten differenzieren und wöchentliche Stundenanzahl angeben. 8. Auf welche Weise wird gewährleistet, dass die in der Einrichtung untergebrachten Personen Zugang zu rechtlicher Beratung erhalten können? a. Inwieweit wird eine unabhängige rechtliche Beratung angeboten beziehungsweise der Zugang dazu gewährleistet? b. Welche Möglichkeiten bestehen für die in der Einrichtung untergebrachten Personen Kontakt zu Anwälten/-innen ihrer Wahl aufzunehmen ? 9. Inwieweit und auf welche Weise ist die medizinische Versorgung gewährleistet? a. Inwieweit und auf welche Weise wird eine fachärztliche Versorgung gewährleistet? b. Wie häufig mussten seit dem 01.01.2015 Menschen, die in der Transiteinrichtung untergebracht waren, von dort in ein Krankenhaus verlegt werden? 10. Welche Freizeitangebote stehen zur Verfügung? Bitte jeweils angeben, ob und in welchem Umfang die Freizeitangebote zeitlich begrenzt sind. 11. Welche Möglichkeiten zum Aufenthalt an der frischen Luft bestehen? Bitte angeben, zu welcher Tageszeit und in welchem zeitlichen Umfang die Möglichkeiten bestehen. 12. Welche Schutzvorkehrungen gegen die Schadstoff- und Lärmbelastung sind in der Einrichtung ergriffen worden? Siehe Vorbemerkung. 13. Welche jährlichen Kosten entstehen für den Betrieb der Einrichtung und aus dem Haushalt welcher Behörde werden sie jeweils gezahlt? Im Haushaltsjahr 2019 sind für die Unterhaltung der Gebäude und die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung Kosten in Höhe von rund 12 Tausend Euro entstanden, die aus dem Einzelplan 4 der zuständigen Behörde finanziert werden . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 14. Wie viele Personen, die sich seit dem 01.01.2018 am Flughafen Hamburg in einem sogenannten Flughafen-Asylverfahren befunden haben, waren während dieser Zeit in den Gebäuden des Ausreisegewahrsam oder der Abschiebehaft untergebracht? Bitte nach Jahren und Ausreisegewahrsam beziehungsweise Abschiebehaft differenzieren. Während der Durchführung eines Verfahren nach § 18a AsylG waren keine Personen in den Gebäuden des Ausreisegewahrsams oder der Abschiebehaft untergebracht. Zwei Personen wurden im Jahr 2019 in der Rückführungseinrichtung untergebracht, nachdem zuvor ein Verfahren nach § 18a AsylG durchgeführt worden war: Bei einer Person lag eine richterliche Haftanordnung zur Sicherung der Einreiseverweigerung vor (Artikel 14 der Verordnung (EU) 2016/399, § 422 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19882 5 keit, § 58 Absatz 2 Bundespolizeigesetz in Verbindung mit §§ 1, 2 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden sowie § 71 Absatz 3 Nummer 1e Aufenthaltsgesetz (AufenthG)), bei einer weiteren Person eine richterliche Anordnung nach § 15 Absatz 6 in Verbindung mit Absatz 5 AufenthG. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 15. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Unterbringungssituation in der Transiteinrichtung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Behörde die Verlegung des in der Einleitung genannten afghanischen Schutzsuchenden in den Ausreisegewahrsam mit den dortigen „besseren“ Unterbringungsbedingungen begründet hat (vergleiche BGH, Beschluss vom 16.12.2019 – XIII ZB 136/19, Rn.11). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 16.12.2019 – XIII ZB 136/19 entschieden, dass eine Anordnung nach § 15 Absatz 6 AufenthG im Transitbereich des Flughafens oder in einer Unterkunft, deren luftseitiges Verlassen jederzeit möglich ist, zu vollziehen ist. Vor diesem Hintergrund wird gegenwärtig die Eignung der Transiteinrichtung für die Vollziehung von Anordnungen nach § 15 Absatz 6 AufenthG geprüft. Diese Prüfung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.