BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19993 21. Wahlperiode 07.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 31.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Hamburger Tierschutzverein (HTV): Wie gestaltet sich die behördliche Aufklärung bezüglich potenzieller Missstände und Rechtsverstöße? Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) gehört mit über 5 000 Mitgliedern zu den größten und in der Bevölkerung anerkanntesten Hamburger Vereinen. Das Tierheim in der Süderstraße steht in seiner Verantwortung . Zur Versorgung von jährlich bis zu 10 000 Tieren unterschiedlichster Tierarten, beschäftigt es rund 90 Mitarbeitende, die von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt werden. Die Stadt unterhält hinsichtlich der Erfüllung konkreter Tierschutzaufgaben ein Vertragsverhältnis mit dem HTV. Das erfordert nicht nur eine kontinuierlich enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Hamburger Ämtern und Dienststellen, sondern auch regelmäßige behördliche Kontrollen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erfüllung vertraglicher Pflichten des HTV. Darüber hinaus haben das Bezirksamt Mitte und die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) einem Überwachungsauftrag zur Einhaltung der den HTV und das Tierheim betreffenden Gesetze und der Verwendung finanzieller Mittel nachzukommen. In der ersten Jahreshälfte 2019 standen die Zustände im Tierheim Süderstraße immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit, sowohl in der medialen Berichterstattung als auch durch Schriftliche Kleine Anfragen an den Senat (vergleiche Drs. 21/16236, 21/16699, 21/17524). Es wurden kritische Umstände der Tierhaltung, Mängel in der pflegerischen, medizinischen und hygienischen Versorgung bis hin zu ungeklärten Todesfällen von amtlich sichergestellten Tieren, Umstände von Tiertransporten aus dem Ausland, potenzielle Probleme bezüglich der Impfnachweispflicht und fehlerhaft ausgestellte EU-Heimtierausweise sowie der Umgang mit hauptamtlichem und ehrenamtlichem Personal und die personelle Unterbesetzung des Tierheims thematisiert. Die oben erwähnten Drucksachen befassen sich detailliert mit der Ermittlungstätigkeit insbesondere des zuständigen Bezirksamts Mitte zu entstandenen Verdachtsfällen auf potenzielle Missstände und Rechtsverstöße . Hinsichtlich ungeklärter Todesfälle von amtlich sichergestellten Tieren seien vom HTV nicht alle erforderlichen Dokumente, die für die Überprüfung möglicher Rechtsverstöße notwendig sind, herausgegeben worden, weshalb entsprechende behördliche Überprüfungen stagnierten. Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete am 16.12.2019 über ein Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts in einem Rechtsstreit zwischen dem HTV und dem Bezirk Mitte . Demnach seien die Ermittlungen des Bezirksamts Mitte als rechtens anerkannt worden, weswegen die strittigen Dokumente herausgegeben werden müssten. Der Vorstand des HTV habe angekündigt, dagegen beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde einzureichen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/19993 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wurden die erforderlichen Dokumente, welche Gegenstand des Rechtsstreits zwischen dem HTV und dem Bezirk Mitte waren beziehungsweise sind, inzwischen ausgehändigt? Nein. a. Wenn ja, konnten die Ermittlungen fortgesetzt und Verdachtsmomente erhärtet beziehungsweise entkräftet werden? Entfällt. b. Wenn nein, was unternimmt die Ermittlungsbehörde, um die erforderlichen Dokumente zu erhalten? c. Wie viele Verfahren wurden zur Herausgabe erforderlicher Dokumente vor dem Verwaltungsgericht eingeleitet? d. Wie ist der Stand der Gerichtsverfahren? Die Anordnung zur Konkretisierung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ist derzeit im Eilverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg anhängig, nachdem die Anordnung des Bezirksamts Hamburg-Mitte beim Verwaltungsgericht für rechtmäßig erklärt wurde. 2. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat in Bezug auf Todesfälle von amtlich sichergestellten Tieren im Tierheim vor? (Bitte darstellen bezüglich Anzahl, Tierarten, Todesursache, potenziellen Versäumnissen beziehungsweise Rechtsverstößen.) Es wurden bislang 187 Wild- und 49 Heimtiere, inklusive Hunden und Katzen, zur amtlichen Untersuchung verbracht. Die amtlichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus können weitere Erkenntnisse erst mit dem Vorliegen notwendiger Dokumente gewonnen werden. Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) hat bislang die Herausgabe verweigert. 3. Was wird unternommen, um den Schutz von Tieren in der Obhut des HTV – angesichts eines Verdachts auf Verstöße gegenüber Bestimmungen des Tierschutzgesetzes – zu gewährleisten? Der HTV ist in der Pflicht, den Tierschutz in seinem Tierheim in ausreichendem Maße sicherzustellen. Das Bezirksamt kommt seinen Pflichten zur Überwachung mit verschiedenen anlassbezogenen Überprüfungen auf der Grundlage von § 16 TierSchG nach. Hierzu werden Betriebskontrollen, Probenahmen, Dokumentenkontrollen und konzeptionelle Prüfungen vorgenommen. 4. Wie am 22. Januar 2020 der Presse zu entnehmen war, sah sich das Bezirksamt Mitte erneut zu einer Ermittlung vor Ort im Tierheim veranlasst . Welche Verdachtsmomente lagen dieser Überprüfung zugrunde und welche Ergebnisse hat sie erzielt? Aufgrund Anzeigen Dritter auf die Ausbreitung verschiedener auch auf den Menschen übertragbarer Krankheiten hat das Bezirksamt am 22.01.2020 den Sachverhalt vor Ort überprüft. Hierbei wurden zahlreiche infektiös erkrankte Tiere vorgefunden, die ungenügend vom übrigen Tierbestand getrennt worden waren. Die Schutzmaßnahmen gegen die Weiterverbreitung innerhalb des Tierheims waren nicht hinreichend. Die festgestellten Personal- und Tierzahlen werden zurzeit noch ausgewertet. 5. Hat der HTV seinerseits Verfahren gegen behördliche Kontrollvorgänge angestrengt? Wenn ja, welche und wie ist der Stand der Verfahren? Ja. Zur Anordnung der Vorlage von Angaben und Dokumenten wurde zunächst ein Rechtsbehelfsverfahren durchgeführt und im Weiteren eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht zur Anordnung eingelegt, die inzwischen beim OVG Hamburg anhängig ist (siehe Antwort zu 1. b. bis 1. d.). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19993 3 Darüber hinaus hat der HTV am 10.01.2020 eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betretens des Tierheimgeländes zur Sicherstellung von Tierkadavern durch Behördenvertreterinnen beziehungsweise -vertreter erhoben. 6. Wie beurteilen die zuständigen Behörden qualitativ und quantitativ die personelle Besetzung des Tierheims Süderstraße? Um diesen Sachverhalt beurteilen zu können, sind vom Tierheim Angaben und Unterlagen eingefordert worden. Das Verwaltungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, daher ist eine Beurteilung zum derzeitigen Stand nicht möglich. 7. Haben die zuständigen Behörden bei Kontrollgängen den Eindruck, dass eine sachkundige pflegerische, medizinische und hygienische Betreuung aller Tiere zu allen Zeiten seit Januar 2018 bis heute gewährleistet ist? Kontrollen können die Betreuungsverhältnisse nur zum jeweiligen Zeitpunkt erfassen. Die Auswertung aktueller Kontrollen des Bezirksamtes ist noch nicht abgeschlossen. 8. Sind Arbeitszeitverstöße bekannt? Wenn ja, wie wird damit verfahren? Aufgrund von Beschwerden wurde durch das Amt für Arbeitsschutz eine Arbeitszeitkontrolle durchgeführt. Es wurden Verstöße festgestellt und ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Dieses ist noch nicht abgeschlossen. 9. Wie viele Personen haben ihre Tätigkeit im Tierheim seit 2016 aufgegeben ? Bitte gemäß Stellenbezeichnungen aufführen. 10. Wie viele Personen wurden seit 2016 entlassen? Bitte gemäß Stellenbezeichnungen aufführen. 11. Ist dem Senat bekannt, dass mehrere Mitarbeitende seit 2016 monatelang freigestellt und die Gehälter fortgezahlt wurden? Wenn ja, wie viele Personen betraf das? Bitte gemäß Stellenbezeichnung und monatlicher Dauer der Gehaltsfortzahlungen aufführen. Zur personellen Ausstattung des HTV kann keine Auskunft gegeben werden. Der HTV ist nicht verpflichtet, den Behörden Informationen zur eigenen Personalgestaltung mitzuteilen . 12. Wie oft fanden seit 2018 Kontrollgänge der zuständigen Behörden im Tierheim Süderstraße statt? Erfolgen diese angemeldet oder unangemeldet ? Zu veterinärrechtlichen Kontrollen siehe Drs. 21/19859. Seit 2018 wurden davon 17 Kontrollen unangemeldet durchgeführt. In dem Zeitraum vom 1 Januar 2018 bis 31. Januar 2020 wurden von der Abteilung Arbeitnehmerschutz fünf Aufsichtstätigkeiten auf dem Gelände des HTV durchgeführt. Davon waren drei angemeldet und zwei unangemeldet. 13. Sind Sicherheitsprobleme in Bezug auf die gesetzeskonforme Betreuung als gefährlich einzustufender Tiere bekannt? Den zuständigen Behörden liegen zu Sicherheitsproblemen in Bezug auf gesetzeskonforme Betreuung als gefährlich einzustufender Tiere keine Erkenntnisse vor. 14. Sind den zuständigen Behörden Unfälle gemeldet worden, bei denen Menschen oder Tiere zu Schaden kamen? Wenn ja, um welche Unfälle handelt es sich? (Bitte seit 2018 monatlich aufführen, mit betroffenem Opfer nach Mensch oder Tierart, Verletzungsart sowie verschuldeter Tierart.) Der HTV muss Unfälle von Versicherten (Arbeitnehmern) in seinem Unternehmen dem Unfallversicherungsträger anzeigen, wenn Versicherte getötet oder so verletzt sind, dass sie mehr als drei Tage arbeitsunfähig werden. Drucksache 21/19993 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Bei Unfällen in Unternehmen, die der allgemeinen Arbeitsschutzaufsicht unterstehen, hat der Unternehmer eine Durchschrift der Anzeige der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde zu übersenden (§ 193 (1) und (7) SGB VII). Folgende Arbeitsunfälle sind seit 01.01.2018 bekannt: 01.03.2018 Mensch verletzt, Bisswunde Hand Tierart: Hund 03.03.2018 Mensch verletzt, Bisswunde Hand/Handgelenk Tierart: Hund 10.05.2019 Mensch verletzt, Desinfektionsmittel-Spritzer ins Auge 23.07.2019 Mensch verletzt, Schwere offene Bissverletzung, Hand, Innenschenkel Mensch verletzt, psychisches Trauma Tierart: Hund 29.07.2019 Mensch verletzt, Bisswunde Oberschenkel Tierart: Hund 01.08.2019 Mensch verletzt, Bisswunde Arm Tierart: Hund 15. Gibt es Betreuungsschlüssel oder Sicherheitsvorgaben für den Umgang mit bestimmten Tierarten? Wenn ja, diese bitte nach Tierarten aufführen. Hinsichtlich der erfragten Betreuungsschlüssel macht das Tierschutzgesetz keine konkreten Vorgaben. Unabhängig davon umfasst die Erlaubnis nach § 11 TierSchG des HTV die Auflage, einen Notfallplan zum Schutz vor Überbelegung zu erstellen und umzusetzen. Für Tiere nach dem Hamburgischen Gefahrtiergesetz sind Vorgaben hinsichtlich Sachkunde und sicherer Unterbringung einzuhalten. Für Tiere, die nach dem Hundegesetz als gefährlich eingestuft sind, sind Vorgaben zum Halten und Führen zu erfüllen . Für alle anderen Tiere gibt es keine konkreten Sicherheitsvorgaben. 16. Werden diese Betreuungsschlüssel beziehungsweise Sicherheitsvorgaben gemäß Kontrollen grundsätzlich eingehalten? Relevante Verstöße gegen die Vorgaben des Hamburgischen Gefahrtiergesetzes und des Hundegesetzes beim HTV sind nicht bekannt. Hinsichtlich der Frage eines ausreichenden Konzeptes des Tierheims zum Schutz vor Überbelegung führt das Bezirksamt Hamburg-Mitte noch Ermittlungen durch. Bislang wurde diese Frage noch nicht abschließend geklärt.