BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20024 21. Wahlperiode 07.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 31.01.20 und Antwort des Senats Betr.: Das neuartige Coronavirus 2019-nCoV: Wie gut sind der Senat und die Gesundheitseinrichtungen auf steigende Fallzahlen in Hamburg vorbereitet ? Der Präsident des Robert Koch-Institutes, Professor Dr. Wieler, antwortete am 29.01.2020 im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages auf die Frage des gesundheitspolitischen Sprechers der AfD, wann ein Impfstoff gegen die neuartige Form des Coronavirus zur Verfügung stehen könnte, eindeutig: Die Einführung eines solchen Impfstoffes sei vor Ablauf von circa 15 Monaten Entwicklungszeit zuzüglich einer Erprobungszeit von einem Jahr bis zur Freigabe nicht zu erwarten.1 Deshalb sind effektive Präventions- und Quarantänemaßnahmen und die unbedingte Einhaltung von Hygienestandards für den Ansteckungsschutz der Bevölkerung von besonders großer Wichtigkeit. Die globale Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus ist derzeit noch überschaubar, doch auch in Deutschland traten bereits erste Fälle auf. Hinzu kommt eine steigende Zahl von bisher nicht geklärten Verdachtsfällen.2 Das Robert Koch-Institut hat im Rahmen eines „Global Risk Assessment“ die Importwahrscheinlichkeit des Virus für unterschiedliche Länder beziehungsweise Regionen analysiert und eine Risikorangliste veröffentlicht.3 An der Spitze der Scala rangieren erwartungsgemäß Thailand, Taiwan und Hongkong. Das geringste Risiko weist Finnland auf. Deutschland befindet sich bezüglich der Risikoeinschätzung im oberen Mittelfeld, einige Plätze hinter Frankreich aber sehr deutlich vor Großbritannien. Innerhalb Deutschlands ist Hamburg sogar besonders exponiert, denn die Stadt stellt aufgrund ihres internationalen Flughafens nicht nur ein hochfrequentiertes Luftverkehrsdrehkreuz dar, sondern ist zudem Touristenmetropole – nicht zuletzt auch für sehr viele ostasiatische Besucher. Und schließlich ist die Freie und Hansestadt Hamburg ein wichtiger Anlaufpunkt für den See- 1 Kurzstatement zum Thema Coronavirus des Arbeitskreises Gesundheit der AfD- Bundestagsfraktion, 30.01.2020. 2 „Hamburger Abendblatt“, 30.01.2020. 3 http://rocs.hu-berlin.de/corona/ (letzter Zugriff 30.01.2020): Relative import risk in the top 30 countries (excluding China). The inset depicts the top airports for a selected country. Drucksache 21/20024 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 verkehr aus Fernost. Für den Hamburger Hafen ist China mit Abstand der wichtigste Handelspartner.4 Die Hamburger Gesundheitsbehörde ließ verlauten, man sei gut aufgestellt und tausche über die aktuelle Situation täglich Informationen mit dem Flughafen , dem Seehafen, dem Bernhard-Nocht-Institut (BNI) und dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin aus.5 Gleichzeitig wurde bekannt, welche Präventionsmaßnahmen derzeit am Hamburg Airport ergriffen werden.6 Tritt in einem aus China anreisenden Flugzeug aufgrund typischer Symptome des Coronavirus ein Verdachtsfall auf, werden schon aus dem Flugzeug heraus der Flughafen, das DRK sowie das BNI und das RKI informiert. Am Flughafen angekommen wird der Patient isoliert, medizinisch versorgt und später auf die Isolierstation eines Krankenhauses gebracht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass symptomfreie Passagiere aus China, deren Inkubationszeit noch andauert, keinen weiteren Untersuchungen am Flughafen unterzogen werden. Dies wird bestätigt durch eine weitere Veröffentlichung des RKI7, aus der hervorgeht, dass an Flughäfen lediglich Informationsplakate für Reisende platziert würden, deren Hinweise unter Federführung des Gesundheitsamtes Frankfurt formuliert wurden und folgendes aussagen8: Treten innerhalb von 14 Tagen nach der Rückkehr aus der chinesischen Provinz Wuhan oder aus anderen Risikogebieten Symptome wie Fieber, Husten und Atemnot auf, möge der Betroffene einen Arzt aufsuchen und bei der telefonischen Anmeldung auf seine Anreise aus einem Risikogebiet hinweisen. Dieses Verfahren ist aus mehreren Gründen als kritisch zu bezeichnen. Erstens sind Erkrankte auch bereits während der Inkubationszeit – also schon vor dem Auftreten von Symptomen – infektiös und können andere Menschen aus ihrem Umfeld anstecken. Im ungünstigsten Falle zwei Wochen lang. Zweitens wird hier der Infektionsschutz in die Eigenverantwortung der bereits Betroffenen gelegt. Melden diese sich nämlich nicht mit einem Hinweis auf ihre vorherige Rückkehr aus einem Risikogebiet bei einem Haus- oder Facharzt an, zum Beispiel weil sie irrtümlich von Grippe- oder Erkältungssymptomen ausgehen, gefährden sie den Arzt selbst, sein Praxispersonal und nicht zuletzt andere Patienten im Wartezimmer. Und drittens ist fraglich, ob die Haus- und Facharztpraxen auf die besonderen mit einer Coronavirus- Behandlung verbundenen Anforderungen überhaupt vorbereitet sind. Viertens gilt Ähnliches – wenn auch in abgeschwächter Form – für die Notaufnahmestationen der Hamburger Krankenhäuser. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zuständige Behörde ist in einem konstanten nahezu täglichen Austausch mit den übrigen Bundesländern, dem Robert Koch-Institut (RKI), dem Bundesministerium für Gesundheit sowie wichtigen Akteuren der Wissenschaft und Fachlichkeit. In diesem Rahmen erfolgt regelmäßig eine Risikoeinschätzung zu den Entwicklungen insgesamt . Darauf aufbauend werden Absprachen auf nationaler Ebene getroffen, die fortlaufend geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die in Hamburg umgesetzten Maßnahmen entsprechen diesen Absprachen. 4 „Hamburger Abendblatt“, 30.01.2020. 5 Ebenda. 6 Ebenda. 7 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html: Neuartiges Coronavirus (2019-nCoV), Prävention und Bekämpfungsmaßnahmen, Stand 30.01.2020. 8 Ebenda. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20024 3 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Höhe müssen die Fallzahlen in Deutschland erreicht haben, damit der Senat vor allem am Flughafen die Infektionskontrollen bei der Einreise aus Risikogebieten verschärft? Die Maßnahmen, die hinsichtlich der Einreise am Flughafen getroffen wurden, werden als ausreichend eingeschätzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Was unternimmt der Senat gegebenenfalls im Zusammenwirken mit der Hamburger Ärztekammer und/oder der Kassenärztlichen Vereinigung, um die Haus- und Fachärzte bestmöglich auf den Kontakt mit Coronavirus -Infizierten vorzubereiten und das Praxispersonal sowie die anwesende Patientenschaft zu schützen? Die zuständige Behörde steht in engem und regelmäßigem Austausch mit der Hamburger Ärztekammer (HÄK), der Kassenärztlichen Vereinigung (KVH) und ärztlichen Berufsfachverbänden, um Informationen auszutauschen und Verfahren gegenseitig abzustimmen. Darauf basierende Informationsschreiben für die Mitglieder wurden von der zuständigen Behörde an die HÄK, KVH und ausgewählte ärztliche Berufsfachverbände versandt. 3. Welches Informationsangebot für potenziell Infizierte stellt die Hamburger Gesundheitsbehörde zur Verfügung? Die zuständige Behörde stellt Informationen auf der Homepage zur Verfügung. Betroffene können sich darüber hinaus an den Hamburg Service oder das bezirkliche Gesundheitsamt wenden. 4. Welche Präventionsmaßnahmen werden derzeit im Hamburger Hafen im Hinblick auf Schiffsbesatzungen und Passagiere aus Risikogebieten durchgeführt? Der Hafen- und Flughafenärztliche Dienst informiert die entsprechenden Fachkreise im Hafen und sichtet ständig den Schiffsverkehr. Es werden in Abstimmung mit den anderen Häfen jeweils lagegerechte Informationen erarbeitet. Weitere Fachinformationen in deutscher, englischer und chinesischer Sprache sind vorbereitet und werden bereits verteilt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörde sind eingebunden in ein Beratungsgremium der EU Kommission, das entsprechende Hinweise für die Schifffahrt und Luftfahrt entwickelt hat und die unter www.healthygateways.eu einsehbar sind. 5. Das Robert Koch-Institut gibt den Einrichtungen des Gesundheitswesens in Deutschland Empfehlungen zur Infektionskontrolle bei Verdacht auf Infektion mit dem Coronavirus und auch zum weiteren Vorgehen bei bestätigten Fällen einer Infektion.9 Welche Krankenhäuser in Hamburg bieten die räumlichen, personellen, organisatorischen und gerätebezo- 9 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html. Im Falle von Verdachtsfällen wird zunächst ein Vorgehen zur Prävention der Übertragung durch Tröpfchen empfohlen – hierzu gehören das Tragen eines mehrlagigen Mund-Nasen-Schutzes mit korrektem Sitz vom Patienten (sofern toleriert), die Unterbringung in einem Isolierzimmer möglichst mit Vorraum/Schleuse, wenn dies nicht möglich ist in einem Einzelzimmer mit eigener Nasszelle, und zusätzlich vom Personal die Verwendung von Schutzkleidung, Schutzbrille, mindestens FFP2-Masken als Atemschutz und Handschuhen neben der konsequenten Einhaltung der Basishygienemaßnahmen. Handelt es sich um einen mittels Labordiagnostik bestätigen Fall einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus werden Maßnahmen empfohlen gemäß den „Empfehlungen des Robert Koch-Institutes für die Hygienemaßnahmen und Infektionskontrolle bei Patienten mit Schwerem Akutem Respiratorischem Syndrom (SARS)“. Dies beinhaltet unter anderem die Isolierung in einem Isolierzimmer mit Vorraum/Schleusenfunktion und ebenfalls die Verwendung von mindestens FFP2-Masken als Atemschutz. Sofern in den Patientenräumen eine raumlufttechnische Anlage betrieben wird, über die eine Verbreitung von Luft auf andere Räume möglich ist, ist diese abzustellen. Drucksache 21/20024 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 genen Voraussetzungen, um den Empfehlungen des RKI vollumfänglich entsprechen zu können? Alle an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhäuser in Hamburg sind grundsätzlich in der Lage, Patientinnen und Patienten mit dem Verdacht einer Coronavirus- Infektion oder einer bestätigten Coronavirus-Infektion entsprechend der Empfehlungen des RKI aufzunehmen, zu isolieren und entsprechend zu versorgen.