BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20051 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 04.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Polizeilicher Warnschuss vor dem Pokalspiel am 30.10.2019 Laut Pressemitteilung der Polizei Hamburg vom 01.11.2019 kam es im Zusammenhang mit dem Pokalspiel zwischen dem FC St. Pauli und der Eintracht Frankfurt zur Abgabe eines Warnschusses durch einen Polizeibeamten . In der Pressemitteilung wird die Situation, die zur Abgabe des Warnschusses führte, wie folgt beschrieben: „Noch vor dem Anpfiff befanden sich vor dem Jolly Roger etwa 400 Heimfans. Gegen 19:45 Uhr beobachteten zivile Polizeibeamte , wie etwa 80 bis 90 von ihnen plötzlich in Richtung eines Gehwegs liefen. Dort hatten sich zuvor neun Gästefans befunden. Kurze Zeit später sahen die Beamten, dass es im Bereich des Gehwegs zu körperlichen Auseinandersetzungen kam. Sie begaben sich sofort dorthin und sahen, dass die Heimfans auf zwei am Boden liegende Gästefans eintraten und einschlugen . Die Beamten gaben sich durch mehrfaches lautes Rufen als Polizeibeamte zu erkennen und wollten den am Boden liegenden Männern zu Hilfe kommen. Im weiteren Verlauf attackierten die Heimfans aber auch die Polizeibeamten, woraufhin einer von ihnen einen Warnschuss abgab. Zur Unterstützung hinzugezogene Einsatzkräfte wurden teils mit Glasflaschen beworfen. Durch den Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray wurde die Lage aufgelöst. Im Anschluss vermummten sich im Bereich des Paulinenplatzes etwa 100 Heimfans. Durch den Einsatz starker Präsenzkräfte wurde die Lage beruhigt und die Fans legten die Vermummung ab.“ 1 Berichten zufolge soll die Warnschussabgabe hingegen unverhältnismäßig gewesen sein. Zwar habe es körperliche Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans gegeben; die Situation sei allerdings überschaubar und zum Zeitpunkt der Schussabgabe bereits beendet gewesen. Die Polizeikräfte seien nicht vor Abgabe des Warnschusses, sondern erst danach mit Flaschen angegriffen worden. Gründe für die Abgabe des Warnschusses habe es nicht gegeben. Der polizeiliche Schusswaffeneinsatz ist höchst gefährlich und daher nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Auch die Abgabe eines sogenannten Warnschusses stellt rechtlich einen Schusswaffengebrauch dar, der nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen zulässig ist. Ich frage den Senat: 1 https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4420240. Drucksache 21/20051 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Zum erfragten Sachverhalt und den von den tätigen Einsatzkräften eingesetzten Zwangsmitteln siehe Pressemeldung der Polizei vom 1. November 2019 https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4420240. Darüber hinaus sind die von der Polizei eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts des Landfriedensbruchs sowie Verdachts der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der betroffenen Frankfurter Gästefans und der eingesetzten Polizeibeamten derzeit noch nicht abgeschlossen. Um einen möglichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, sieht der Senat daher von weiteren Angaben ab. Der Einsatz der Schusswaffe durch einen der eingesetzten Beamten erfolgte auf Grundlage des § 34 des Strafgesetzbuches (StGB). Bei einem Warnschuss handelt es sich um die Androhung des Schusswaffengebrauchs ; die Androhung des Schusswaffengebrauchs ist in der nur für den internen Dienstgebrauch bestimmten Polizeidienstvorschrift für den täglichen Dienst der Polizei Hamburg (PDV 350 HH) geregelt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Aus welchem Grund wurde ein Warnschuss abgegeben? Bitte detailliert ausführen, aus welchen Gründen davon ausgegangen wurde, dass der Warnschuss zulässig und verhältnismäßig war. 2. Wie entwickelte sich die Situation bis zur Abgabe des Warnschusses? a. Fand zum Zeitpunkt der Warnschussabgabe noch eine gegenwärtige körperliche Auseinandersetzung zwischen „Heimfans“ und „Gästefans “ statt? b. Haben die anderen beiden zivilen Polizeikräfte, die sich bei den am Boden liegenden „Gästefans“ befunden haben, ebenfalls ihre Dienstwaffe gezogen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, aus welchen Gründen? 3. Welche polizeilichen Maßnahmen (des unmittelbaren Zwanges) wurden vor der Abgabe des Warnschusses mit welchem Ergebnis durchgeführt? Bitte detailliert ausführen. Siehe Vorbemerkung. 4. Wie viele zivile Polizeikräfte waren an dem Tag im Zusammenhang mit dem Pokalspiel im Einsatz und wie viele zivile Polizeikräfte befanden sich in dem räumlichen Bereich, in dem der Warnschuss abgegeben wurde? Die Fragestellung berührt die Einsatztaktik der Polizei, zu der aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben gemacht werden. 5. Wird der „szenekundige Beamte“, der den Warnschuss abgegeben hat, auch weiterhin als „szenekundiger Beamter“ eingesetzt? Nein. 6. Wurden aufgrund der Abgabe des Warnschusses Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren gegen Polizeikräfte, insbesondere gegen denjenigen, der den Warnschuss abgegeben hat, eingeleitet? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit den Ermittlungen durchgeführt und wie ist der Stand des Verfahrens? Es wurden keine Strafverfahren eingeleitet, da es sich um eine den Bestimmungen über den Schusswaffengebrauch entsprechende Schussabgabe gehandelt hat. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20051 3 7. Wurden aufgrund der Abgabe des Warnschusses Disziplinarverfahren gegen Polizeikräfte, insbesondere gegen denjenigen, der den Warnschuss abgegeben hat, eingeleitet? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren durchgeführt und wie ist der Stand des Verfahrens? Nein, da ein Anfangsverdacht für das Vorliegen eines Dienstvergehens nicht besteht. 8. Wurden im Zusammenhang mit der Situation, die zur Abgabe eines Warnschusses geführt hat, Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren gegen Fußballfans eingeleitet? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit den Ermittlungen durchgeführt und wie ist der Stand der jeweiligen Verfahren ? Ja. Die Polizei hat in diesem Zusammenhang folgende Maßnahmen getroffen: - Vorgangsfertigung, - Sicherung von Beweismitteln, - Vernehmung der Geschädigten, - Vorladung von Zeugen/Zeugenvernehmungen. Darüber hinaus siehe Vorbemerkung. 9. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde generell das Gefahrenpotenzial der Fanszene des FC St. Pauli und hat sich diese Bewertung durch die Abgabe eines Warnschusses verändert? Bitte Gründe für die Beurteilung angeben. Die Bewertung der Fanszene des FC St. Pauli hat sich für die Polizei nicht geändert. Nach Einschätzung der Polizei umfasst die Problemszene des FC St. Pauli etwa 260 gewaltbereite beziehungsweise gewaltsuchende Personen. Im Übrigen siehe Drs. 21/18383 und 21/18511. 10. Welche Maßstäbe werden in der Polizei Hamburg generell für die polizeiliche Einschätzung angelegt, ob ein Warnschuss abgegeben wird? Siehe Vorbemerkung.