BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20052 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 04.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebung aus Krankenhäusern und psychiatrischen Abteilungen/ Kliniken In den Medien mehren sich Berichte, dass Menschen aus stationärer Behandlung abgeschoben werden. Auch in Hamburg soll es zu Abschiebungen insbesondere aus psychiatrischen Stationen Hamburger Kliniken gekommen sein. Ich frage den Senat: Eine gesonderte statistische oder namentliche Erhebung von Rückführungen aus in Kliniken befindlichen Personen gibt es nicht. Eine Auswertung aller im Jahr 2019 geplanten und/oder durchgeführten Rückführungsmaßnahmen bedarf der händischen Durchsicht mehrerer Hundert infrage kommender Ausländerakten. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Soweit Hinweise auf eine physische oder psychische Erkrankung bei einer Person vorliegen, deren Aufenthalt beendet werden muss, weil sie einer bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt, wird jeweils die Reisefähigkeit vorab überprüft. Eine Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung aus einer stationären Behandlung heraus beschränkt sich nach Erinnerung des Einwohner-Zentralamtes auf wenige Einzelfälle. Diese Fälle sind dann jeweils sorgfältig vorgeprüft worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie oft hat die Ausländerbehörde im Jahr 2019 Menschen aufgesucht, um sie abzuschieben, die sich zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung befanden und die in Räumen der Kliniken zum Zwecke der Abschiebung ergriffen wurden? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. 2. Wie oft wurden Menschen in stationärer Behandlung in psychiatrischen Abteilungen und/oder psychiatrischen Kliniken ergriffen, um sie abzuschieben ? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. a. Wurden die Personen jeweils auf ihre Reisefähigkeit untersucht? Wenn ja, mit welchen Ergebnis? b. Wie oft wurde diese Untersuchung durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie vorgenommen? c. Wurden bezüglich der Reisefähigkeit auch die stationär behandelnden Ärzte nach ihrer Einschätzung befragt? 3. Wie oft befanden sich die Menschen dabei auf einer geschlossenen/ geschützten Station? 4. Zu welcher Tageszeit fanden die Ergreifungen in stationärer Behandlung statt? Bitte nach Einzelfall aufschlüsseln. Drucksache 21/20052 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Vorbemerkung. 5. Wie beurteilt der Senat die Auswirkungen der Ergreifungsmaßnahmen zum Zweck der Abschiebung auf die anderen Patienten/-innen auf psychiatrischen Stationen? Im Einzelfall erforderliche Maßnahmen im Sinne der Fragestellung werden mit der notwendigen Umsicht für die Behandlungssituation durchgeführt. Es liegen aktuell keine Erkenntnisse vor, dass dem zuwidergehandelt wurde. 6. Wie beurteilt der Senat die Auswirkungen der oben genannten Maßnahmen auf die Funktionsabläufe der entsprechenden Stationen der Krankenhäuser ? Die zuständige Behörde geht davon aus, dass ausländerbehördliche Maßnahmen in einer Weise durchgeführt werden, dass Funktionsabläufe der Krankenhäuser mit Blick auf den Behandlungsablauf und das Wohl der dort zur klinisch-stationären Versorgung aufgenommenen Patientinnen und Patienten nicht beeinträchtigt werden. 7. Wurden für das Ergreifen der Personen in Krankenhäusern Durchsuchungsbeschlüsse eingeholt? a. Geht der Senat davon aus, dass es sich bei einem Ergreifen in einem Patientenzimmer eines Krankenhauses um eine Durchsuchung im Sinne des Artikels 13 GG handelt? b. Wie beurteilt der Senat, dass von entsprechenden Maßnahmen auch Patienten/-innen, die sich mit der ursprünglich zu ergreifenden Person ein Zimmer teilen, betroffen sind? c. Ist für diese Personen der Schutzbereich des Artikels 13 GG aus Sicht des Senats eröffnet? d. Wenn ja, wie rechtfertigt der Senat die Eingriffe in die Grundrechte der Zimmerkollegen/-innen von abzuschiebenden Personen? 8. Sind Krankenhäuser aus Sicht des Senats rechtlich dazu verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu dulden? Wenn ja, aus welcher gesetzlichen Vorschrift ergibt sich diese Verpflichtung ? 9. Sind Krankenhäuser aus Sicht des Senats rechtlich dazu verpflichtet, den Mitarbeitern/-innen der Ausländerbehörde und den von der Ausländerbehörde zum Zwecke der Abschiebung beauftragten Personen zu a. den Stationen, b. den Patienten-/-innenzimmern Zugang zu verschaffen? Wenn ja, aus welcher gesetzlichen Vorschrift ergeben sich diese Verpflichtungen ? Ob für Krankenzimmer der Schutzbereich des Art. 13 GG eröffnet ist, hängt von den Umständen im Einzelfall ab. Hierbei werden die Maßstäbe der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. August 2005 (BGH 1StR 140/05) herangezogen, wonach ein Krankenzimmer in einer Rehabilitationsklinik dem Schutzbereich des Art. 13 Abs.1 GG unterfällt, wenn ihm die Funktion als Rückzugsbereich der privaten Lebensgestaltung zukommt. Eine Betroffenheit im Sinne eines emotionalen Gefühls lässt sich nicht ausschließen. Hingegen besteht keine unmittelbare Betroffenheit von Mitpatientinnen oder Mitpatienten , die zur Unzulässigkeit der Maßnahmen führt. Das Recht, ein Krankenhaus zum Zwecke des Ergreifens zur Durchführung einer Abschiebung zu betreten, ergibt sich aus § 23 des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes . Der Verschaffung eines Zuganges durch das Krankenhaus bedarf es regelmäßig nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.