BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20054 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 04.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Waffen, Drogen, Handys in Hamburgs Gefängnissen – Munitionsfund in der JVA Billwerder Waffen, Drogen, Handys – Funde von illegal eingeschmuggelten Gegenständen sind seit Jahren in Hamburgs Justizvollzugsanstalten gang und gäbe. Wie der Senat bereits in der Drs. 21/276 mitteilte, gelangen diese im Wesentlichen neben Mauerüberwürfen und Postsendungen mittels Übergabe durch Besucher, durch Gefangene nach Vollzugslockerungen, durch einzelne Beschäftigte oder externe Dienstleister in die Anstalten. Nun sollen in einem Ballen Altkleider, aus dem Putzlappen von Gefangenen der JVA Billwerder gefertigt werden, einem Bericht der „Bild“-Zeitung vom 4. Februar 2020 zufolge, sechs scharfe Schrotpatronen versteckt gewesen sein! Die „Ware“ wurde von einem Dienstleister aus Hamburg-Billstedt in die JVA zur Verarbeitung gebracht. Ein Gefangener, der sie entdeckte, habe die Patronen bereits am 24. Januar 2020 einem Bediensteten der JVA übergeben . Dieser Dienstleister stehe im Verdacht, seit Jahren immer wieder illegale Gegenstände einzuschleusen: „So seien mehrfach Messer in den Ballen entdeckt worden. Konsequenzen seien nie gezogen worden. Sogar von einem Drogenfund im Führerhaus eines Liefer-Lkw im Jahr 2016 ist die Rede.“, berichtet die „Bild“-Zeitung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gemäß § 38 Absatz 1 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) sind Gefangene grundsätzlich verpflichtet, eine ihnen zugewiesene, ihren körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Beschäftigung auszuüben , zu deren Verrichtung sie aufgrund ihres Zustands in der Lage sind. Die gesetzliche Arbeitspflicht ist ein Baustein für eine erfolgreiche Resozialisierung. In einem Fertigungsbetrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder werden Altkleider zu Putzlappen verarbeitet. Die Altkleider werden durch einen Dienstleister in rund 500 Kilogramm schweren, gepressten Altkleiderballen in die JVA Billwerder geliefert. Danach werden die Ballen nach dem Zufallsprinzip an die bis zu 70 Gefangenen, die im Fertigungsbetrieb arbeiten, verteilt und anschließend weiterverarbeitet. Der Fertigungsbetrieb stellt eine wichtige Möglichkeit da, eine hohe Anzahl Gefangener vergütet zu beschäftigen, die keine besonderen Ausbildungsnachweise vorweisen können, da die dort zu verrichtende Arbeit schnell zu erlernen ist. Drucksache 21/20054 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Am 24. Januar 2020 fand ein Gefangener während seines Arbeitseinsatzes in dem Fertigungsbetrieb in der Hosentasche einer alten Jogginghose sechs Schrotpatronen. Diesen Fund gab der Gefangene umgehend bei einem vor Ort befindlichen Bediensteten ab. Der Betrieb in der Fertigung wurde sofort eingestellt. Auf Anordnung des Anstaltsleiters wurden alle Gefangenen des Fertigungsbetriebes einer körperlichen Durchsuchung mit Entkleidung unterzogen und im Anschluss in die Hafthäuser zurückgebracht . Der Sicherheitsdienstleiter ordnete die Sperrung des Bereiches an, in dem die Patronen gefunden worden waren. Der gesamte Ballen wurde durch Bedienstete Stück für Stück händisch durchsucht und mit elektronischen Hilfsmitteln abgescannt. Zeitgleich wurden die weiteren Bereiche des Fertigungsbetriebs durchsucht. Weder bei den Gefangenen noch im Betrieb gab es weitere Funde. Am Wochenende vom 25. und 26 Januar 2020 erfolgte zur Sicherheit eine weitere Durchsuchung des Fertigungsbetriebes durch die Revisionsgruppe Abteilung Justizvollzug und unter dem Einsatz von Hunden. Auch bei dieser Durchsuchung gab es keine weiteren Funde. Der Betrieb wurde daraufhin am 27. Januar 2020 wieder aufgenommen. Dabei wurden der Personaleinsatz erhöht und die Kontrolldichte intensiviert. Zudem befindet sich die Justizvollzugsanstalt mit der Firma, welche die Altkleider liefert, im Austausch über die weitere Zusammenarbeit. Die JVA Billwerder hatte bisher keinen Anlass, an der grundsätzlichen Zuverlässigkeit des seit dem Jahr 2009 dort tätigen Dienstleisters zu zweifeln. Dass sich Fremdkörper in den Ballen finden, dürfte nie gänzlich auszuschließen sein, auch durch den Dienstleister nicht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist es richtig, dass in der JVA Billwerder sechs scharfe Schrotpatronen gefunden beziehungsweise sichergestellt wurden? a. Wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar? b. Welche Maßnahmen wurden daraufhin von wem jeweils wann ergriffen? c. Wann wurde die Aufsichtsbehörde darüber informiert? Was veranlasste der Justizsenator konkret? Die Aufsichtsbehörde wurde am 24. Januar 2020 in Kenntnis gesetzt und hatte keinen weiteren Veranlassungsbedarf, da die JVA Billwerder bereits die erforderlichen Schritte eingeleitet hatte. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Seit wann ist diese Firma als Dienstleister in der JVA Billwerder tätig? a. Was genau leistet die Firma für Dienste? Siehe Vorbemerkung. b. Wurden gegen Mitarbeiter dieser Firma in den vergangenen Jahren bereits Anstaltsverbote ausgesprochen? Falls ja, wann? Nein. c. Wie häufig fahren Lkws dieser Firma in die JVA Billwerder? d. Wie häufig wurden Lkws dieser Firma seit Beginn des Jahres 2020 kontrolliert? Fahrzeuge der Firma fahren durchschnittlich sechs- bis siebenmal pro Monat in die JVA Billwerder. Die Fahrzeuge werden bei jeder Einfahrt in die JVA Billwerder kontrolliert . In diesem Jahr erfolgten bisher zehn Kontrollen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20054 3 3. Ist es richtig, dass 2016 bereits Drogen im Führerhaus eines Lkws dieses Dienstleisters gefunden wurden? Falls ja, wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar und welche Maßnahmen wurden jeweils wann von wem ergriffen? Nein. 4. Ist es richtig, dass bereits Messer in den Ballen entdeckt wurden? Falls ja, wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar und welche Maßnahmen wurden jeweils wann von wem ergriffen? In einem gepressten Ballen wurde Ende 2019 von einem Gefangenen ein handelsübliches Brotmesser gefunden, das dieser unverzüglich einem Beamten des Betriebes übergab. Es gab keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Messer absichtlich in den Ballen gesteckt wurde. Anlässlich des Vorfalls wurde ein Gespräch mit dem Lieferunternehmen geführt, in dem dieses auf seine vertragliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die anzuliefernden Altkleider so weit vorzusortieren, dass sicherheitsrelevante Risiken verhindert werden. Außerdem wurde die Kontrolldichte intensiviert. Aktuell wird geprüft, ob es technische Geräte gibt, welche die großen und verdichteten Ballen zuverlässig auf metallische Gegenstände scannen können. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Sind der Leitung der JVA Billwerder und/oder der zuständigen Behörde weitere Hinweise über Unregelmäßigkeiten bei der Anlieferung beziehungsweise Abholung durch diesen Dienstleister zugegangen? Falls ja, a. wann und welche Hinweise? b. welche Maßnahmen wurden daraufhin jeweils von wem ergriffen? Im März 2014 wurden bei der Kontrolle eines einfahrenden Lkws der Firma Betäubungsmittel in geringen Mengen aufgefunden und unmittelbar sichergestellt. Die JVA Billwerder hat unverzüglich Strafanzeige erstattet. Das entsprechende Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Absatz 2 StPO seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt, da der Täter nicht ermittelt werden konnte. Insbesondere gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betäubungsmittel durch einen Mitarbeiter der Firma versteckt wurden. Anlässlich dieses Vorfalls wurden verstärkte Fahrzeugkontrollen angeordnet. 6. Weshalb wurde die Zusammenarbeit mit diesem Dienstleister nicht bereits beendet? Siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele Anstaltsverbote wurden im Jahr 2019 sowie bislang in 2020 jeweils gegenüber wem erteilt? Bitte nach JVA getrennt darstellen. In der JVA Billwerder wurden im Jahr 2019 neun Besuchern und im Jahr 2020 einem Besucher, in der Untersuchungshaftanstalt im Jahr 2019 einem Besucher und einem Absender einer Briefsendung, in der JVA Fuhlsbüttel im Jahr 2019 drei Besuchern und im Jahr 2020 einem Besucher, in der Sozialtherapeutischen Anstalt im Jahr 2019 drei Besuchern und in der JVA Hahnöfersand im Jahr 2019 zwei Besuchern Hausverbote erteilt. 8. Bei wie vielen Personen bestehen aktuell Anstaltsverbote? Bitte nach JVA getrennt darstellen. In der JVA Billwerder bestehen aktuell 28, in der Untersuchungshaftanstalt zwei, in der JVA Fuhlsbüttel 24, in der JVA Glasmoor ein und in der JVA Hahnöfersand 21 Anstaltsverbote. 9. Welche sonstigen rechtlichen Schritte wurden im Jahr 2019 sowie bislang in 2020 jeweils gegenüber wem und mit welchem Ergebnis eingeleitet ? Bitte nach JVA getrennt darstellen. Drucksache 21/20054 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Strafanzeigen, bzw. Vorgänge, die zur strafrechtlichen Überprüfung an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden Ergebnisse der im Vorgangsverwaltungsund Vorgangsbearbeitungssystem MESTA zum 10.02.2020 erfassten Verfahren JVA Billwerder Sieben gegen Besucher - in zwei Fällen Geldstrafe - in einem Fall Einstellung gem. § 45 Abs. 1 JGG mit Verwarnung - in einem Fall Einstellung gem. § 154 Abs. 1 StPO - in einem Fall Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO - in einem Fall Verbindung mit anderer Sache, in dieser Freiheitsstrafe mit Bewährung - ein Verfahren ist noch nicht abgeschlossen Acht gegen Absender von Briefsendungen - in zwei Fällen Geldstrafe - in einem Fall Antrag auf Erlass eines Strafbefehls mit Geldstrafe - in drei Fällen Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO - zwei Verfahren sind noch nicht abgeschlossen Eine gegen den Absender eines Wäschepakets Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO Untersuchungshaftanstalt Eine gegen einen Besucher Vorläufige Einstellung gem. § 154 f StPO. Eine gegen einen Absender einer Briefsendung Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen . JVA Fuhlsbüttel Eine gegen einen Besucher Anklage zum Schöffengericht Eine gegen einen Mitarbeiter einer Fremdfirma Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen . JVA Hahnöfersand Eine gegen einen Besucher. Die Anzeige erfolgte gegenüber der Polizeidienststelle Buxtehude. Für das Verfahren sind die Hamburger Behörden nicht zuständig, daher ist dem Senat das Ergebnis nicht bekannt.