BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20057 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 04.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Behördliche Kontenabrufe in Hamburg – Abfrage für die 21. Wahlperiode Seit 2005 ist es den Finanzbehörden erlaubt, einen Kontenabruf zu starten, wenn ein Steuerpflichtiger etwa keine ausreichenden Angaben über seine Einkommensverhältnisse gibt. Bereits 2003 hatte die Bundesregierung das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ verabschiedet, das zum Ziel hatte, Steuerhinterziehung zu erschweren und sicherzustellen, dass staatliche Leistungen nur an Personen ausgezahlt würden, die einen legitimen Anspruch darauf hätten. Die zentrale Informationsgewalt für den Kontenabruf liegt seit April 2003 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die von ihr erhobene Daten nur in speziellen Fällen weiterzugeben ermächtigt ist. Seit April 2005 führt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Anfragen für die Finanzbehörden und bestimmte andere Behörden durch. Außer den Finanzbehörden – und in manchen Fällen auch Gemeinden – dürfen noch weitere Behörden einen Kontenabruf starten. Dazu zählen etwa Sozialdienststellen, Jobcenter, Gerichtsvollzieher, Staatsanwaltschaften und Zollbehörden. Alle Banken beziehungsweise Kreditinstitute müssen eine besondere Datei pflegen, aus der die BaFin Informationen über Konten und Depots abrufen kann. In dieser Datei liegen die sogenannten Kontenstammdaten der Kunden. Dabei handelt es sich um Angaben wie Namen und Geburtsdaten, Anzahl und Nummern geführter Konten und Depots sowie um den Tag der Einrichtung und der Auflösung. Ebenso enthält die Datenbank die Namen aller Personen, die auch über das jeweilige Konto verfügen dürfen . Eine Speicherung von Kontoständen oder -umsätzen erfolgt nicht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gemäß § 93b der Abgabenordnung (AO) haben Kreditinstitute für Kontenabrufersuchen nach § 93 Absatz 7 oder 8 AO zusätzlich zu den in § 24c Absatz 1 des Kreditwesengesetzes bezeichneten Daten für jeden Verfügungsberechtigten und jeden wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des Geldwäschegesetzes auch die Adressen sowie die in § 154 Absatz 2a AO bezeichneten Daten zu speichern. Die erfragten Angaben werden in den zuständigen Behörden teilweise nicht gesondert statistisch erfasst, sondern liegen allenfalls einzelfallbezogen in den jeweiligen Sachakten vor. Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit in diesen Fällen nicht möglich, weil hierfür der gesamte Aktenbestand der jeweiligen Behörden entsprechend ausgewertet werden müsste (siehe hierzu auch Drs. 21/329 sowie Drs. 21/9923). Für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens stellen Kontenabfragen eine wichtige Erkenntnisquelle dar, da andernfalls die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht sichergestellt ist. Drucksache 21/20057 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Soweit sich die Fragen auf die Zollverwaltung beziehen, liegt dies außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft , weil es sich um eine Verwaltung des Bundes handelt. Gleichwohl hat das Hauptzollamt Hamburg dazu auf Nachfrage Angaben gemacht, die nachfolgend berücksichtigt wurden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Fällen hat eine der nachfolgend genannten Behörden 2019 einen Kontenabruf erwirkt und durchgeführt? a) Finanzbehörde; b) Sozialdienststellen; c) Jobcenter, d) Gerichtsvollzieher, e) Staatsanwaltschaften, f) Zollbehörde. Nach den der Finanzbehörde vorliegenden statistischen Auswertungen des BZSt ergeben sich folgende Zahlen: Behörde 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Finanzbehörde - Finanzämter - Kasse Hamburg 3 577 0 3 312 0 3 763 0 5 350 0 7 080 0 *) Sozialdienststellen 0 2 5 0 20 *) Jobcenter 662 575 702 457 486 *) Gerichtsvollzieher 4 835 5 141 12 245 14 181 14 390 *) Staatsanwaltschaften*) - - - - - - Zoll*) - - - - 56 - *) Keine Angaben möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. In wie vielen Fällen waren davon Privat- beziehungsweise Firmenkonten betroffen? Eine Unterscheidung zwischen Privat- und Firmenkonten wird von dem die Auskunft gebenden BZSt nicht vorgenommen und kann daher statistisch nicht gesondert erfasst werden. Das Hauptzollamt Hamburg hat mitgeteilt, dass von den dort in 2019 erfolgten Kontenabrufen insgesamt 73 Privat- und 50 Firmenkonten betroffen waren. 3. Wie häufig ist es infolge der durchgeführten Kontenabrufe zur Einleitung eines Strafverfahrens gekommen? 4. Welches waren die zugrunde liegenden Delikte? 5. Ist es dabei zu Verurteilungen gekommen? Falls ja, wie häufig wurden Geld- beziehungsweise Freiheitsstrafen verhängt ? In zwei Fällen, in denen das für die Durchführung von Steuerstrafverfahren zuständige Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg im Jahr 2019 Kontenabrufe nach § 93 Absatz 7 Nummer 4b AO im Besteuerungsverfahren getätigt hat, wurden später Strafverfahren nach § 370 AO eingeleitet. Zu Verurteilungen ist es in diesen beiden Strafverfahren noch nicht gekommen. Das Hauptzollamt Hamburg hat mitgeteilt, dass es infolge der dort erfolgten Kontenabrufe nach § 93 AO nicht zur Einleitung von Strafverfahren gekommen sei. Da die Verursachungsbeiträge für die Einleitung eines Strafverfahrens nicht gesondert statistisch erfasst werden, können die erbetenen Angaben in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht gemacht werden . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20057 3 6. Wie hat sich das Aufkommen von behördlichen Kontenabrufen zwischen 2015 und 2020 entwickelt? Bitte kurz etwaige Ab- beziehungsweise Zunahmen skizzieren. 7. Wie hat sich das Aufkommen von behördlichen Kontenabrufen zwischen 2015 und 2020 entwickelt? Bitte kurz etwaige Ab- beziehungsweise Zunahmen skizzieren. Siehe Antwort zu 1. 8. Wie hat sich zwischen 2015 und 2020 die Häufigkeit von Strafverfahren entwickelt, die infolge von behördlichen Kontenabrufen erfolgt sind? Bitte kurz etwaige Ab- beziehungsweise Zunahmen skizzieren. Siehe Antwort zu 3. bis 5. 9. Wie viele Delikte der Steuerhinterziehung hat es 2019 in Hamburg gegeben? 10. Wie hat sich die Häufigkeit solcher Delikte zwischen 2015 und 2020 entwickelt ? Bitte etwaige Zu- beziehungsweise Abnahmen skizzieren. Die zuständige Fachbehörde kann sich nur zur Anzahl der aufgedeckten Delikte der Steuerhinterziehung äußern. Belastbare Erkenntnisse zur Höhe der Dunkelziffer liegen nicht vor. Die Anzahl der in der Bußgeld- und Strafsachenstelle beim Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg im Jahr hinzugekommenen Strafverfahren wegen Steuerstraftaten und gleichgestellten Straftaten hat sich in den Jahren 2015 bis 2020 (Stichtag: 05.02.2020) wie folgt entwickelt: Jahr hinzugekommene Strafverfahren Veränderung zum Vorjahr 2015 1 002 2016 779 −223 2017 825 +46 2018 822 −3 2019 683 −139 2020 48