BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20067 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 04.02.20 und Antwort des Senats Betr.: IT-Desaster auch bei der Heilfürsorge? Aktive Polizeivollzugs- und Feuerwehrbeamte erhalten in Hamburg Heilfürsorge . Die Heilfürsorge umfasst die ärztliche und zahnärztliche Versorgung und Vorsorge nach den Bestimmungen des SGB V sowie der Hamburgischen Heilfürsorgeverordnung; die Kosten werden grundsätzlich von der Freien und Hansestadt Hamburg als Dienstherr übernommen, allerdings wird den Heilfürsorgeberechtigten ein monatlicher Beitrag in Höhe von 1,4 Prozent des jeweiligen Grundgehalts von ihrer Besoldung als Eigenbeitrag abgezogen . Der Rechnungshof hat in seinem Jahresbericht 2020 massive Kritik an der Heilfürsorgebearbeitung geäußert (Rz. 683 – 722). Alle Kritikpunkte basieren im Wesentlichen darauf, dass die Heilfürsorgebearbeitung in der Behörde für Inneres und Sport technisch und personell unzureichend ausgestattet sowie mangelhaft organisiert ist. Dies führt nicht nur dazu, dass notwendige Prüftätigkeiten unterlassen und Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet werden, sondern auch dazu, dass heilfürsorgeberechtigte Polizisten und Feuerwehrleute bis zu fünf Monate auf die Erstattung von verauslagten Kosten warten müssen. Auch hier ist die IT-Ausstattung wieder einmal weit hinter dem Zeitalter der Digitalisierung zurück: Rz. 688: „(…) Für eine einheitliche Aufbereitung der Daten ist die Heilfürsorgestelle technisch nicht ausgerüstet. (…)“, Rz. 697: „(…) Die Heilfürsorgestelle verfügt über keinen eigenen Zugriff auf das in der FHH verwendete Personalverwaltungssystem KoPers und ist daher auf Mitteilungen der Personalstellen von Polizei und Feuerwehr angewiesen.“, Rz. 781: „Abgesehen von der mangelhaften technischen Ausstattung bei der Prüfung von Sammelabrechnungen verfügt die Heilfürsorgestelle auch nicht über ein Fachverfahren zur Leistungsabrechnung. Trotz entsprechender Bedarfsmeldung der Heilfürsorgestelle unter Hinweis auf die Digitalisierung der Krankenakten, die Reduzierung des Bürobedarfs, mögliche Personaleinsparung und die Effizienz der Arbeitsprozesse hat die BIS keine fachspezifische IT-Unterstützung für die Heilfürsorgestelle zur Verfügung gestellt.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Polizei hat die Feststellungen und Beanstandungen des Rechnungshofes anerkannt und zugesagt, die Forderungen und Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen ; dieses geht die Polizei nachdrücklich an. Die notwendige Prüfung und Planung der Neuausrichtung der organisatorischen Abläufe und (informations-) technischen Ausstattungsbedarfe der Heilfürsorgestelle ist noch in der Anfangsphase und schließt auch die Betrachtung der historisch gewachsenen Organisationsform der Drucksache 21/20067 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Heilfürsorgestelle innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg und die Überprüfung der bestehenden vertraglichen Verpflichtungen ein. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist es richtig, dass heilfürsorgeberechtigte Polizisten und Feuerwehrleute bis zu fünf Monate ab Antragstellung auf die Erstattung von verauslagten Kosten warten müssen? a. Wie hat sich die durchschnittliche jährliche Bearbeitungsdauer seit dem Jahr 2015 entwickelt? b. Wie hat sich die maximale Bearbeitungsdauer seit dem Jahr 2015 entwickelt? c. Wie beurteilt die zuständige Behörde diesen Umstand und worin sieht sie die Ursachen? Statistische Daten zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer in den Vorjahren werden bei der Polizei nicht erhoben. Die Bearbeitungszeiten haben sich allgemein aber verlängert . Das begründet sich aus erforderlichen umfangreicheren Prüfungen der Einzelfälle aber auch einer hohen Personalfluktuation mit daraus folgenden Einarbeitungsbedarfen und Personalausfällen durch Erkrankungen. Heilfürsorgeberechtigte setzen für Leistungen der Krankenversorgung auf dem Niveau der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ihre Krankenversichertenkarte ein. Diese Leistungen umfassen den bei weitem größten Teil der Leistungen der Heilfürsorge und werden durch die behandelnden Ärzte über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) beziehungsweise Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) direkt abgerechnet. Für diese Kosten müssen die Heilfürsorgeberechtigten somit nicht in Vorleistung treten. Für darüber hinausgehende Leistungen müssen Heilfürsorgeberechtigte gegebenenfalls Vorleistungen erbringen. 2. Wie hat sich die Personalausstattung der Heilfürsorgestelle seit dem Jahr 2015 entwickelt? Bitte Stellensoll und VZÄ jeweils zum Stichtag 1. Januar angeben. Die erfragten Daten zu den jeweiligen Stichtagen sind in der folgenden Tabelle dargestellt : Stand Stellen-Soll VPK* 2015 11 18,5 2016 11 19,5 2017 11 19,2 2018 11 18,3 2019 14 18,5 * verfügbare Personalkapazität Mit Umstellung der Personalwirtschaft auf das Kooperationsprojekt Personaldienste der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein (KoPers) ist ein „Stellen-Soll“ nicht mehr vorgesehen. Es erfolgt eine Auswertung nach zugeordneten Dienstposten/ Arbeitsplätzen (DP/AP). Zum Stichtag 1. Januar 2020 sind der Heilfürsorgestelle insgesamt 14 Dienstposten zugeordnet. 3. Wie hat sich die jährliche krankheitsbedingte Fehlzeitenquote in der Heilfürsorgestelle seit dem Jahr 2015 entwickelt? Für das Jahr 2019 liegen die erfragten Daten zum Stichtag 6. Februar 2020 aufgrund der zweimonatigen Verarbeitungsvorläufe bis einschließlich November 2019 vor: Jahr Fehlzeitenquote 2015 15,2 % 2016 20,2 % 2017 14,5 % 2018* 14,1 % Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20067 3 Jahr Fehlzeitenquote 2019** 20,4 % * aufgrund der Systemumstellung nur Daten für das erste Halbjahr 2018 ** bis einschließlich November 2019 4. Hat die Heilfürsorgestelle, wie in der Rz. 781 des Jahresberichts 2020 angegeben, eine entsprechende Bedarfsmeldung auf fachspezifische IT-Unterstützung abgegeben? Falls ja, wann, wem gegenüber und weshalb wurde dieser nicht entsprochen ? Ja, die Leitung der Personalabteilung der Polizei hat im Juni 2016 eine Bedarfsmeldung auf computergestützte Vorgangsbearbeitung an die Abteilung Informationstechnik (IT) der Polizei gestellt. Eine Realisierung ist aufgrund anderer vorrangig umzusetzender IT-Maßnahmen bei der Polizei bisher nicht erfolgt. 5. Aus welchem Grund verfügt die Heilfürsorgestelle über keinen eigenen Zugriff auf das in der Freien und Hansestadt Hamburg verwendete Personalverwaltungssystem KoPers? a. Wer hat dies wann entschieden? b. Wie beurteilt die zuständige Behörde den Umstand, dass die Heilfürsorgestelle daher auf Mitteilungen der Personalstellen von Polizei und Feuerwehr angewiesen ist? c. Inwiefern besteht das Risiko, dass Mitteilungen, beispielsweise über Pensionierungen, versehentlich nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig erfolgen? Dienststellen- und ämterübergreifende Berechtigungen waren in KoPers zunächst nicht vorgesehen. Das KoPers-Berechtigungskonzept sieht grundsätzlich vor, dass für jede Dienststelle einzeln eine Datei erzeugt wird und diese anschließend zusammengeführt werden. Ein Risiko einer nicht erfolgenden oder nicht rechtzeitigen Übermittlung von Mitteilungen kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, ist aber als gering einzuschätzen und eine Aussage dazu spekulativ. An einer für die Heilfürsorgestelle zufriedenstellenderen Lösung wird derzeit gemeinsam mit der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) gearbeitet. Im Übrigen, siehe Vorbemerkung. d. Wie kann es dazu kommen, dass bei der Heilfürsorgestelle Abrechnungen von Personen vorliegen, die in Wirklichkeit gar nicht heilfürsorgeberechtigt sind? Welche Maßnahmen werden bei derartigen Feststellungen ergriffen? Die beschriebenen Situationen können in Fällen falscher Zuordnungen der Versicherten durch Abrechnungszentren der jeweiligen Dienstleister oder durch irrtümlich eingereichte Rechnungen von zum Beispiel Beihilfeberechtigten entstehen. Bei Feststellung eines Nichtanspruchs wird eine Rechnung unbearbeitet zurückgeschickt beziehungsweise die Sammelrechnung um den entsprechenden Betrag gekürzt. 6. Aus welchen Grund hat die Behörde für Inneres und Sport im Jahr 1992 mit der KV Hamburg und im Jahre 2014 mit der KZV Hamburg Verträge über die ärztliche beziehungsweise zahnärztliche Versorgung geschlossen , wenn sie doch seit dem Gesundheits-Reformgesetz 1988 nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung verpflichtet ist? In Umsetzung der Senatsdrucksache zum Erlass der HmbHFVO wurden 2014 die bisherigen Verträge mit der KZV angepasst. Den Vertragsabschlüssen lag die Annahme zugrunde, dass eine diesbezügliche Notwendigkeit bestanden hat. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/20067 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Wie ist der Sachstand zur Evaluation der „Heilfürsorge neu“? Siehe Drs. 21/12797. 8. Warum wird die Heilfürsorge separat bei der BIS bearbeitet und nicht wie die Beihilfe beim Zentrum für Personaldienste? Es handelt sich um zwei unterschiedliche Fürsorge-Systeme, die ihre rechtliche Grundlage in § 80 Hamburgisches Beamtengesetz (HmbBG) (Beihilfe) beziehungsweise in den §§ 112, 114 HmbBG (Heilfürsorge) haben. Damit verbunden ist ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied. Beihilfeleistungen werden aufgrund der vorgelegten Rechnungen nach der Hamburgischen Beihilfeverordnung gewährt (Erstattungsprinzip ), während die Heilfürsorge nach der Heilfürsorgeverordnung, wie in der gesetzlichen Krankenversicherung, im Wesentlichen nach dem Sachleistungsprinzip erbracht wird (§ 112 Absatz 2 HmbBG). Die daraus resultierenden grundlegenden strukturellen Unterschiede begründen die aktuelle Aufgabenverteilung. Hinzu kommt, dass mit Polizei und Feuerwehr ausschließlich zwei Dienststellen der BIS ihren Beschäftigten Heilfürsorge gewähren. Im Übrigen, siehe Vorbemerkung. 9. Mit welchen IT-Programmen arbeitet die Beihilfe und mit welchen die Heilfürsorge? Zu welchen anderen IT-Programmen bestehen jeweils Schnittstellen? Die Beihilfefestsetzung erfolgt gegenwärtig mit dem bei Dataport betriebenen Fachverfahren Permis-B. Es bestehen Schnittstellen zu weiteren IT-Programmen/ Verfahren, die den Beihilfefestsetzungsprozess vorbereiten, ergänzen und abschließen : dDocuScan, ZESAR, KoPers und SAP. Die Heilfürsorgestelle verwendet zur Abrechnungsbearbeitung das Programm Herakles in Verbindung mit hinterlegten Personallisten. Schnittstellen zu anderen IT- Programmen bestehen derzeit nicht. 10. Warum arbeiten Beihilfe und Heilfürsorge mit unterschiedlicher IT-Ausstattung? Siehe Antwort zu 8. 11. Laut Drs. 21/17493 plant das ZPD, zum 1. Quartal 2020 eine App bereitzustellen , die die digitale Belegeinreichung sowohl bei der Beihilfe als auch bei der privaten Krankenversicherung ermöglichen soll. a. Wie ist hier der Stand der Umsetzung? Die digitale Belegeinreichung soll nach derzeitigen Planungen ab dem 1. Quartal 2020 pilotiert werden. Nach erfolgreicher Pilotierung erfolgt der Rollout. b. Soll diese App auch bei der Heilfürsorge eingesetzt werden? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht? Nein, siehe Antwort zu 8. Beihilfeberechtigte Angehörige von Heilfürsorgeberechtigten , die über das ZPD Beihilfeleistungen erhalten, werden die digitale Belegeinreichung jedoch nutzen können. 12. Ab dem 1. Quartal 2021 soll in der Beihilfe zudem die neue Software BEIREFA (Beihilfe, Regelwerk, Fachanwendung) PERMIS B ablösen. a. Welche Vorteile und neuen technischen Möglichkeiten bietet BEIREFA? Siehe Drs. 21/17493. b. Geht der Senat davon aus, dass die neue Software wie geplant PERMIS B Anfang 2021 ablösen kann? Wenn nein, warum nicht? Ja. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20067 5 c. Soll sie auch bei der Heilfürsorge eingesetzt werden? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht? Derzeit ist eine Einführung von BEIREFA bei der Heilfürsorge nicht konkret geplant. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen hat der Senat noch nicht getroffen.