BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20070 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Gamm und Thomas Kreuzmann (CDU) vom 05.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Das Schreckgespenst der drohenden Kanalprüfung geht um. Dichtheitsprüfungen von Abwasserleitungen. Das Schreckgespenst der Kanalprüfung geht um. Es versteht sich von selbst, dass sowohl private als auch öffentliche Abwasserleitungen dicht sein müssen . Doch in der Bundesrepublik Deutschland gelten unterschiedliche Regelungen und Zuständigkeiten. Auch in Hamburg gibt es eine Regelung, die eine Prüfpflicht regelt. In § 17 des Hamburgischen Abwassergesetzes (Hmb- AbwG) zum Beispiel unter Punkt 3 der Unterpunkt 2 „Die zuständige Behörde und ihre Beauftragten sind berechtigt, im Rahmen der Überwachung insbesondere von den Eigentümerinnen und Eigentümern den Nachweis der Dichtheit von Grundstücksentwässerungsanlagen zu verlangen, Dichtheitsprüfungen zu veranlassen, bei gewerblich genutzten Anlagen oder bei Anlagen in Wasserschutzgebieten die Frist für Erstprüfungen vorhandener Grundstücksentwässerungsanlagen und Zeiträume für die wiederkehrenden Dichtheitsprüfungen festzulegen.“ An anderer Stelle, außerhalb des Gesetzes, findet sich dann aber auch für alle anderen privaten Bestandanlagen eine Frist (31.12.2020) zur Durchführung des Dichtheitsnachweises, zu Ausnahmen davon und zu wiederkehrenden Prüfungen (25 Jahre). Diese Regelungen können zu Unklarheiten führen. Insbesondere Besitzer außerhalb von Wasserschutzgebieten könnten aufgrund von § 17 HmbAbwG annehmen, dass sie auf eine Aufforderung zur Dichtheitsprüfung warten können. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. In welcher Form und wann hat der Senat die betroffenen Bürger darüber informiert, dass neben und abweichend zu den Regelungen aus § 17 HmbAbwG Fristen für Dichtheitsprüfungen außerhalb von Wasserschutzgebieten bestehen? Die zuständige Behörde hat wiederholt über die Notwendigkeit der Erstellung von Dichtheitsnachweisen informiert. Fortlaufend aktualisierte Informationen zu den Hamburger Regelungen zu Dichtheitsnachweisen finden sich im Internet auf der Seite www.hamburg.de/abwasserleitung. 2. Wie beurteilt der Senat die Gefahr, dass Bürger in Kenntnis von § 17 HmbAbwG auf eine Einzelanweisung zur Vorlage eines Dichtheitsnachweises warten und dabei die gesetzte Frist vom 31.12.2020 verstreichen lassen? Die allgemein zur Verfügung stehenden Informationen über die Rechtslage lassen deutlich erkennen, dass die Pflicht zur Anfertigung von Dichtheitsprüfungen nicht durch behördliche Anweisungen ausgelöst wird. Es ist anzunehmen, dass nicht alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger diese Rechtslage umfassend kennen. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die zuständige Behörde nicht, auf mögliche Fristver- Drucksache 21/20070 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 säumnisse umgehend mit Ordnungswidrigkeitenverfahren zu reagieren. Wie zu anderen allgemein gültigen Regelungen, die nicht umfassend kontrolliert werden können, wird es auch hier darum gehen, die Bürgerinnen und Bürger schrittweise mit den im Abwasserrecht diesbezüglich kodifizierten Handlungserfordernissen vertraut zu machen. 3. Welche Folgen hat das Verstreichenlassen der Frist für die betroffenen Bürger? Die Nichteinhaltung der Vorschrift zum Erstellen der Dichtheitsnachweise stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Von der Möglichkeit einer Verfolgung entsprechender Ordnungswidrigkeiten ist seitens der zuständigen Behörde bisher kein Gebrauch gemacht worden. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 4. Welche Fristen gelten tatsächlich für private Entwässerungsanlagen zur Erstellung einer Dichtheitsprüfung und eines Dichtheitsnachweises? Die aktuell geltenden Fristen sind zuletzt mit der Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger vom 10. Juni 2014 bekannt gemacht worden. Für Wohngrundstücke außerhalb von Wasserschutzgebieten gilt die Frist 31. Dezember 2020. In Wasserschutzgebieten (WSG) galten strengere Fristen, die bereits abgelaufen sind. Für das neu ausgewiesene WSG Eidelstedt/Stellingen gilt die Frist 31. Dezember 2020. 5. Welche Fristen gelten für gewerbliche Entwässerungsanlagen? Für Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser, einschließlich von fetthaltigem Abwasser, auf gewerblich genutzten Grundstücken gelten die gleichen Fristen wie auf Wohngrundstücken. Die Fristen für Anlagen zur Ableitung von gewerblichem Abwasser sind bereits abgelaufen : Für Anlagen zur Ableitung von gewerblichem Abwasser vor Abwasserbehandlungsanlagen sowie Anlagen, die als Auffangvorrichtungen für wassergefährdende Stoffe beziehungsweise als Löschwasserrückhalteanlagen betrieben werden, galt die Frist 1999. Für Anlagen zur Ableitung von gewerblichem Abwasser nach Abwasserbehandlungsanlagen galt die Frist 2004. Auch hier galten in WSG strengere Fristen, die bereits abgelaufen sind. 6. Welche Fristen gelten für die Behebung von Schäden an den privaten Entwässerungsanlagen a) bei Sanierungspriorität I, b) bei Sanierungspriorität II und c) bei Sanierungspriorität III? Bitte die Angaben sowohl für Bereiche innerhalb von Wasserschutzgebieten als auch außerhalb derselben machen. Grundsätzlich sind alle Grundstücksentwässerungsanlagen mit Schäden, die zu den Sanierungsprioritäten I oder II führen, bis zu den geltenden Fristen für den Dichtheitsnachweis zu sanieren. In Bezug auf die aktuell relevante Frist des 31. Dezember 2020 für Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser, einschließlich Anlagen zur Ableitung von fetthaltigem Abwasser, gilt eine zusätzliche Regelung: In diesen Fällen sind Schäden, die zu der Sanierungspriorität II führen, bis zum 31. Dezember 2025 zu sanieren. Bei Schäden, die lediglich zur Sanierungspriorität III führen, gilt eine ausreichende Dichtigkeit als noch gegeben, sodass in diesen Fällen zunächst kein Sanierungserfordernis entsteht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20070 3 7. Wie ist die Sanierungspriorität I definiert und wer stellt die Zugehörigkeit zu derselben fest? 8. Wie ist die Sanierungspriorität II definiert und wer stellt die Zugehörigkeit zu derselben fest? 9. Wie ist die Sanierungspriorität III definiert und wer stellt die Zugehörigkeit zu derselben fest? Die Sanierungsprioritäten sind auf Grundlage der als Technische Betriebsbestimmung bekannt gemachten DIN 1986-30 durch zertifizierte Fachbetriebe festzustellen. Die Sanierungsprioritäten II und III sind von zertifizierten Fachbetrieben zu bescheinigen. Die zertifizierten Fachbetriebe sind durch die Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer zu beauftragen. 10. Wie viele private Grundstückseigentümer haben bisher a) innerhalb und b) außerhalb von Wasserschutzgebieten Dichtheitsnachweise vorgelegt ? Für neu gebaute Grundstücksentwässerungsanlagen gibt es die Pflicht, den Dichtheitsnachweis unaufgefordert der zuständigen Behörde vorzulegen; bei bestehenden Grundstücksentwässerungsanlagen ist der Dichtheitsnachweis erst nach Aufforderung durch die zuständige Behörde einzureichen. Es liegen der zuständige Behörde folgende Dichtheitsnachweise vor: Gewerblich genutzte Grundstücke Wohngrundstücke Innerhalb WSG 633 1 449 Außerhalb WSG 2 423 1 612 11. Wie viele private Abwasseranlagen gibt es innerhalb von Wasserschutzgebieten auf dem Gebiet Hamburgs? 12. Wie viele private Abwasseranlagen gibt es außerhalb von Wasserschutzgebieten auf dem Gebiet Hamburgs? Gewerblich genutzte Grundstücke Wohngrundstücke Innerhalb WSG 1 668 ca. 14 300 Außerhalb WSG 26 332 ca. 163 700 13. Wie sind Investitionen in neue Abwasseranlagen und Dichtheitsprüfungen mietrechtlich zu bewerten? Ist eine Umlage der Kosten auf Mieten und/oder Nebenkosten nach Kenntnis des Senats gerechtfertigt? Nach Auffassung der zuständigen Behörde dürfte es sich regelmäßig nicht um umlagefähige Betriebskosten handeln, weil es sich nicht um laufende Kosten handelt. Reine Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten können hingegen weder über die Nebenkosten noch über eine Modernisierungsumlage gemäß § 559 BGB auf den Mieter umgelegt werden. Ob Investitionen in neue Abwasseranlagen eine Modernisierungsmaßnahme mit der Folge darstellen, dass eine Modernisierungsumlage bei Mieterinnen und Mietern geltend gemacht werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen und hängt davon ab, ob einer der Tatbestände des § 555b BGB einschlägig ist. 14. Wie viele gewerbliche Grundstückseigentümer haben bisher a) innerhalb und b) außerhalb von Wasserschutzgebieten Dichtheitsnachweise vorgelegt ? Siehe Antwort zu 10. 15. Wie viele gewerbliche Abwasseranlagen gibt es innerhalb von Wasserschutzgebieten auf dem Gebiet Hamburgs? Drucksache 21/20070 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 16. Wie viele gewerbliche Abwasseranlagen gibt es außerhalb von Wasserschutzgebieten auf dem Gebiet Hamburgs? Siehe Antwort zu 11. und 12. 17. In wie vielen Fällen hat die Behörde bisher das Vorlegen von Dichtheitsnachweisen abweichend von der Frist 31.12.2020 außerhalb von Wasserschutzgebieten verlangt? 18. In wie vielen Fällen wurde die Vorlage innerhalb von Wasserschutzgebieten verlangt? 19. In wie vielen Fällen wurde diesem Begehren nachgekommen und in wie vielen nicht? Bitte pro Jahr und getrennt für Frage 17. und 18. seit Bestehen des Gesetzes angeben. Daten im Sinne der Fragestellungen werden statistisch nicht erfasst. 20. Zu wie vielen Anzeigen welcher Art kam es bisher im Zusammenhang mit dem Verlangen der Stadt auf Vorlage eines Dichtheitsnachweises? 21. In wie vielen Fällen waren dabei private und in wie vielen Fällen gewerbliche Anlagen betroffen? Statistiken im Sinne der Fragestellungen werden bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung wäre die Durchsicht aller infrage kommenden Hand- und Ermittlungsakten bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren Zehntausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 22. Wie viele Firmen verfügen gegenwärtig über das nötige Zertifikat zur Durchführung der Dichtheitsprüfung? Derzeit sind 630 zertifizierte Firmen in Hamburg zugelassen. 23. Wie groß sind die derzeitigen Kapazitäten der zertifizierten Unternehmen und wie viel Prozent der durchzuführenden Dichtheitsprüfungen können von diesen Unternehmen bis Ende 2020 maximal geleistet werden? Zu dieser Fragestellung liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor. 24. Wie hoch ist die absolute Anzahl der durchzuführenden Dichtheitsprüfungen bis 2020 und wie viele könnten davon von den zertifizierten Unternehmen vorgenommen werden? Grundsätzlich sind für alle circa 190 000 Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser, einschließlich von häuslichem Abwasser, auf gewerblich genutzten Grundstücken Dichtheitsprüfungen vorzunehmen. Die Gesamtzahl der noch durchzuführenden Dichtheitsprüfungen kann seitens der zuständigen Behörde nicht festgestellt werden, da die Gesamtzahl aller bereits erstellten Dichtheitsnachweise nicht bekannt ist, siehe dazu auch Antwort zu 10. 25. Auf welche Höhe ist die Kapazität von zertifizierten Unternehmen zu beziffern, die ihren Sitz nicht in Hamburg, aber in der Metropolregion haben? Wie viele Prüfungen könnten von diesen Firmen bis Ende 2020 durchgeführt werden? Zu dieser Fragestellung liegen der zuständigen Behörde ebenfalls keine Daten vor. 26. Gibt es ein Verzeichnis dieser Firmen und wo ist es in welcher Form einsehbar ? Die Verzeichnisse der zertifizierten Fachbetriebe werden von den Zertifizierungsorganisationen geführt. Sie sind über deren Internetseite und über die Seite www.hamburg.de/abwasserleitung einsehbar. 27. Wie viele Fälle von fehlerhaften oder gar betrügerischen Dichtheitsprüfungen sind dem Senat bisher bekannt geworden? Bitte pro Jahr aufführen . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20070 5 28. Wie viele Anzeigen wurden in diesem Zusammenhang von betroffenen Bürgern gemacht? 29. Zu welchen Ergebnissen haben diese Anzeigen bisher geführt? In wie vielen Fällen konnten Täter überführt werden? Im Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Hamburger Staatsanwaltschaften wird nicht erfasst, ob einem wegen des Tatvorwurfs des Betruges (§ 263 StGB) geführten Verfahren betrügerische Dichtheitsprüfungen von Abwasserleitungen zugrunde liegen. Die Beantwortung der Frage würde die händische Auswertung zumindest aller in den Dezernaten der Hauptabteilung II geführten Verfahren mit dem Tatvorwurf § 263 StGB erfordern. Die Auswertung dieser jährlich mindestens im vierstelligen Bereich liegenden Verfahren ist im Rahmen der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 20. und 21. 30. Beabsichtigt der Senat zukünftige Änderungen an den Prüfpflichten? Nein, für eine Änderung der Pflicht, Dichtheitsnachweise zu erstellen, gibt es keinen Anlass. 31. Beabsichtigt der Senat, die betroffenen Bürger auf die Frist 31.12.2020 erneut hinzuweisen? Wenn ja: in welcher Form und bis wann? Wenn nein: warum nicht? Ja. Neben vorgesehenen Presseinformationen sind weitere Informationen, auch gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft, geplant, die jedoch noch nicht abschließend konkretisiert sind.