BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20074 21. Wahlperiode 11.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Kreuzmann (CDU) vom 05.02.20 und Antwort des Senats Betr.: „You‘ll never vote alone!“, niemand kauft das Millerntor – Warum muss die Zukunft des Grundstücks ausgerechnet im Wahlkampf und exklusiv mit zwei SPD-Genossen „gesichert“ werden und das obwohl diese gar nicht gefährdet war? Das Hamburger Millerntor-Stadion, Heimstätte des FC St. Pauli und integraler Bestandteil des Stadtteils, wurde von 2006 bis 2015 aufwendig umgebaut. Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) leistete damals eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Bei dieser Gelegenheit wurde aber auch die Nutzung durch den FC St. Pauli neu geregelt. Ursprünglich war die Fläche dem FC St. Pauli mit Vertrag vom 4. Februar 1965 entgeltfrei und unbefristet überlassen worden. Auch die seit 1998 angedachten Neuregelungen sollten davon nicht stark abweichen. Die Zukunft der Heimspielstätte des aktuellen Zweitligisten war und ist damit also langfristig gesichert. Eine öffentliche Diskussion oder parlamentarische Debatte über anderweitige Pläne für das Areal am Rande des Heiligengeistfeldes gab es in den letzten Wahlperioden nicht. Umso mehr erstaunt folgende Aussage der Pressestelle der Finanzbehörde aus einem Terminhinweis vom 3. Februar 20201: „Die Stadt Hamburg gibt dem FC St. Pauli langfristige Standort- und Planungssicherheit für das Millerntor-Stadion.“ Weil der Standort auf dem Heiligengeistfeld aber bereits gesichert war und ist, wird die Frage aufgeworfen, warum es ausgerechnet jetzt eines aufwendig inszenierten Pressetermins am 6. Februar 2020 inklusive der Unterzeichnung eines Letter of Intent (LoI) bedarf? Diese Frage ist auch deshalb interessant, weil aus dem politischen Bereich mit dem Präses der Finanzbehörde (FB) und dem Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte ausschließlich zwei SPD-Mitglieder teilnehmen, denen dadurch zufälligerweise zweieinhalb Wochen vor der Bürgerschaftswahl ein exklusives Podium für schöne Aufnahmen und Bilder verschafft wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Fläche des Millerntor-Stadions sowie umliegende Bereiche wurden dem FC St. Pauli mittels eines Nutzungsvertrages befristet bis zum Jahre 2060 überlassen. Der FC St. Pauli ist proaktiv bereits Anfang 2019 mit dem Wunsch einer Verlängerung der Nutzungsdauer auf die Stadt zugegangen. Daraufhin wurden die Gespräche über verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufgenommen. 1 https://www.hamburg.de/pressetermine/9806338/t-fb03/, letzter Zugriff: 05.02.20. Drucksache 21/20074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nach intensiven Verhandlungen und Abwägung verschiedener Lösungsvorschläge wurde sich auf einen Letter of Intent (LoI) verständigt, der dem Verein auch über einen Horizont von 40 Jahren hinaus die erforderliche Planungssicherheit im Hinblick auf langfristige Investitionsentscheidungen und Standortsicherheit gewährt und die Nutzung der Flächen nach Ablauf des bestehenden Nutzungsvertrages zu den dann gültigen Marktkonditionen und unter Vorbehalt der erforderlichen Gremienzustimmungen in Aussicht stellt. Die Stadt möchte den Verein bei seinen weiteren Planungen unterstützen und einen Beitrag für den Erhalt der sportlichen und kulturellen Vielfalt in der Stadt Hamburg leisten. Mit dem LoI verfügt der Verein nun über die gewünschte Standortperspektive und kann weitere strategische Überlegungen verwirklichen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wurde der Nutzungsvertrag über das Stadiongelände zwischen der FHH, wie in der Drs. 18/5144 vorgestellt, im Jahr 2006 auf 30 Jahre geschlossen? Wenn nein, wie sah beziehungsweise sieht die vertragliche Regelung in dieser Hinsicht aus? Ein Nutzungsvertrag wurde im Jahre 2007 vereinbart. Siehe hierfür Drs. 18/5144. 2. Welche städtische Stelle war und ist konkret Eigentümerin des Grundstücks , auf dem das Millerntor-Stadion sich befindet? Hat diese Stelle seit 2011 Überlegungen beziehungsweise Planungen hinsichtlich einer anderweitigen Nutzung dieses Grundstücks verfolgt? Wenn ja, welche anderweitigen Nutzungen wurden gegebenenfalls erwogen und mit welchem Ergebnis geprüft? Die Fläche des Millerntor-Stadions steht im Eigentum der FHH - Bezirksamt Hamburg- Mitte. Das Millerntor-Stadion selber wurde vom FC St. Pauli erbaut und gehört dem Verein. Anderweitige Nutzungsmöglichkeiten wurden nicht verfolgt. 3. Ein Artikel in der Onlineausgabe des „Hamburger Abendblattes“ vom 4. Februar 20202 spricht außerdem von mehreren Verträgen und nennt sowohl Erbbaurechts- als auch Pachtverträge. Wie viele Verträge welcher Typen, die das Stadiongrundstück am Millerntor zum Gegenstand haben, wurden insgesamt zwischen der FHH und dem FC St. Pauli geschlossen? Welche Laufzeiten haben diese im Einzelnen? 4. Wenn ein oder mehrere Erbbaurechtsverträge geschlossen wurden, welche Laufzeit wurde hier jeweils bestimmt? Mit welcher Entschädigung an den FC St. Pauli rechnet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde bei Heimfall oder Zeitablauf des Erbbaurechts oder der Erbbaurechte ? Zwischen der FHH und dem FC St. Pauli existiert ein Nutzungsvertrag, der das Stadiongrundstück zum Gegenstand hat (siehe Antwort zu 1.). Im Übrigen sieht der Senat grundsätzlich davon ab, Einzelheiten zu Vertragsinhalten zu offenbaren. 5. Auf welche Zeit wurde/wird die Nutzung durch den FC St. Pauli jetzt erweitert? 6. Welche rechtsverbindlichen Neuerungen gegenüber dem Status quo ante werden/wurden durch den von der FB angekündigten LoI geschaffen ? 7. Laut Anlage 4 zur Drs. 18/5144 erfolgte die Überlassung gegen ein Entgelt von 1 Euro, die Drs. 16/2094 spricht von „günstigen Konditionen“. Wie viel musste der FC St. Pauli tatsächlich bezahlen? Muss der FC St. Pauli für die Verlängerung weitere Zahlungen leisten? 2 https://www.abendblatt.de/sport/fussball/st-pauli/article228328907/FC-St-Pauli-erhaelt- Standortsicherheit-fuer-sein-Stadion.html, letzter Zugriff 05.02.2020. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20074 3 Wenn ja, in welcher Höhe? Die in Form des LoI unterzeichnete Verständigung sieht vor, dass vor Auslaufen des laufenden Nutzungsvertrages im Jahre 2060 die Stadt dem Verein eine Erbbaurechtsbestellung oder eine Verlängerung des Nutzungsvertrages zu den dann üblichen Marktkonditionen anbietet. Es handelt sich bei dem LoI um eine Absichtserklärung, die keine rechtsverbindlichen Regelungen enthält. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 4. 8. In dem Terminhinweis vom 3. Februar 2020 schrieb die FB unter anderem : „Der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) und der Verein haben sich dazu auf einen Letter of Intent verständigt .“ a) Welche städtische Stelle war wann genau erstmals mit der Planung des Prozesses zur Erstellung des LoI befasst? b) Wann wurden die Gespräche beziehungsweise der Austausch über die Inhalte des LoI gestartet? c) An welchem Tag erfolgte die erwähnte Verständigung? d) Welche Stellen der FB haben an dem Prozess zur Erstellung des LoI mitgewirkt? e) An welchen Terminen des Prozesses der Erstellung des LoI hat der Präses der Finanzbehörde teilgenommen und durch welche konkreten Eigenbeiträge hat er auf diesen Prozess eingewirkt? f) Welche Stellen des BA Hamburg-Mitte haben an dem Prozess zur Erstellung des LoI mitgewirkt? g) An welchen Terminen des Prozesses der Erstellung des LoI hat der Leiter des BA Hamburg-Mitte teilgenommen und durch welche konkreten Eigenbeiträge hat er auf diesen Prozess eingewirkt? Der FC St. Pauli ist erstmals im März 2019 mit seinem Anliegen auf den Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) zugekommen. Eine grundsätzliche Verständigung, einen LoI abschließen zu wollen, erfolgte im Frühjahr 2019. Das zuständige Bezirksamt sowie der LIG haben den Prozess zur Erstellung des LoI begleitet. Der Präses der Finanzbehörde war an den grundlegenden Entscheidungsterminen sowie am Unterzeichnungstermin anwesend. Die Leitung des Bezirksamts Hamburg-Mitte war ebenfalls am Unterzeichnungstermin anwesend. 9. Gab es vor dem 3. Februar 2020 Zweifel an der Zukunft des Standortes des Millerntor-Stadions? Falls ja, welche alternativen Verwendungen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde für die Verwendung des Grundstückes zwischenzeitlich erwogen? Falls nein, wie ist der Terminhinweis „Langfristige Standortsicherheit für den FC St. Pauli – Stadt und Verein unterzeichnen Vereinbarung zum Millerntor-Stadion“ vom 3. Februar 2020 zu verstehen? Siehe Vorbemerkung.