BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20092 21. Wahlperiode 14.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 06.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Laschen als Hafenarbeit in der Hafenverkehrsordnung verankern Die Ladungssicherung auf Schiffen, damit die Ladung unbeschädigt am Zielhafen ankommt und Schiff und Seeleute keinen Schaden erleiden, ist seit Jahren umstrittenes Thema auch im Hamburger Hafen. Für Containerschiffe wurde hinsichtlich der Ladungssicherung eine international ratifizierte Regelung getroffen: In den „Änderungen der Richtlinien für die sachgerechte Stauung und Sicherung von Ladung bei der Beförderung mit Seeschiffen (CSS-Code)“, Annex 14, Satz 7.1.1 und 7.1.2, ist geregelt, dass die Ladungssicherung hafenseitig überprüft und vorgenommen werden soll. Gültig ist dies seit dem 1.1.2015 – auch in Deutschland (vergleiche Drs. 21/11852). Nach einer Übergangsregelung von zwei Jahren ist diese Regelung seit dem 1. Januar 2020 verbindlich. Damit dürfen diese Arbeiten in der EU nur noch von qualifizierten Hafenarbeitern ausgeführt werden (sogenannte Dockers‘ Clause). Schon nach wenigen Wochen ist aber klar geworden, dass dieser Tarifvertrag nicht eingehalten wird. Der Senat sollte laut Bürgerschaftsbeschluss bis zum 30. September 2018 berichten, ob die Regelung „Laschen ist Hafenarbeit“ in die hiesige Hafenordnung aufgenommen werden solle – zumindest bei Containerschiffen (Drs. 21/11852). Zwischenzeitlich versprach im Januar 2019 der Wirtschaftssenator zu analysieren , ob die Laschregelung auch in die hiesige Hafenordnung aufgenommen werden soll. Er wolle weiter prüfen „ob eine gesetzliche Regelung entsprechend der Vereinbarungen der Sozialpartner zusätzlich notwendig ist“ (Drs. 21/16058). Wie aus Kreisen von ver.di-Hafenvertrauensleuten verlautete, habe sich Staatsrat Dr. Sevecke ihnen gegenüber zur Forderung, Laschen als Hafenarbeit in der Hafenverkehrsordnung zu verankern, vor Kurzem geäußert, eine Verordnung komme aus rechtlichen und insbesondere wg. der Tarifautonomie nicht in Betracht. Hamburgs Senat werde sich aber dafür einsetzen, gesetzliche Arbeitsvorschriften besser zu kontrollieren. Es werde derzeit erörtert , wie europa- und verfassungsrechtlich konforme gesetzliche Regelungen im nationalen Recht geschaffen werden könnten. Ich frage den Senat: Vorgaben für die Lascharbeiten auf Seeschiffen gibt der Code für die sachgerechte Stauung und Sicherung von Ladung (CSS-Code). Der CSS-Code wird grundsätzlich über das Internationale Übereinkommen aus dem Jahr 1974 zum Schutz des mensch- Drucksache 21/20092 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen) umgesetzt, wobei Anhang 14 als verbindliche Richtlinie betrachtet wird. Im CSS-Code wird generell davon ausgegangen , dass am Laschen/Entlaschen sowohl Hafenangehörige als auch Schiffsbesatzungen beteiligt sein können. Lascharbeiten erfolgen nicht nur im Hafen, sondern auch auf See. Der Anhang 14 des CSS-Codes enthält Hinweise zur Schaffung sicherer Arbeitsbedingungen an Deck bei der Sicherung von Containern. Die zitierten Ziffern 7.1.1 und 7.1.2 verlangen eine Begutachtung der Zurrstellen und des Zugangs zu diesen unter Sicherheitsgesichtspunkten unmittelbar nach Ankunft des Schiffes im Hafen. Diese Begutachtung muss von den für das eingesetzte Personal Verantwortlichen vorgenommen beziehungsweise organisiert werden. Aus den genannten Vorgaben des CSS-Codes kann nicht abgeleitet werden, dass nur speziell für das Laschen ausgebildete Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter herangezogen werden müssen. Eine weitere maßgebliche Regelung ist das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1979 über den Arbeitsschutz bei der Hafenarbeit (ILO Nummer 152). Artikel 1 der ILO Nummer 152 definiert Hafenarbeit als alle Arbeiten und Arbeitsvorgänge beim Be- und Entladen von Schiffen sowie die damit verbundenen Nebenarbeiten. Das Laschen ist demnach Hafenarbeit im Sinne dieses Übereinkommens . Nach der Definition des Übereinkommens (Artikel 3a) ist Arbeitnehmer jede mit Hafenarbeit beschäftigte Person. Die Definition knüpft an die Tätigkeit und nicht an das Anstellungsverhältnis an und umfasst auch Seeleute. Grundsätzlich regelt der Tarifvertrag der International Transport Workers‘ Federation (ITF) aus dem Jahr 2018 mit dem internationalen Arbeitgeberverband International Maritime Employers‘ Council (IMEC), dass Ladungssicherungsarbeiten auf Containerund Feederschiffen ab dem Jahr 2020 weltweit ausschließlich von qualifizierten Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeitern durchgeführt werden dürfen („Dockers‘ Clause “), wenn diese zur Verfügung stehen und der ITF oder einer der ITF angeschlossenen Gewerkschaft angehören. Auf ausdrücklichen Wunsch der Arbeitgeber wurde eine fast zweijährige Übergangsfrist für die Umsetzung in Europa und Kanada vereinbart , die zum 31.12.2019 ausgelaufen ist. Der neue internationale Rahmentarifvertrag ist bis zum Jahr 2022 gültig. In der Praxis erfolgen Lascharbeiten im Hamburger Hafen zum größten Teil schon heute durch Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter. Die Besatzung gerade auf größeren Schiffen ist zu klein, um die Container dort zu laschen. Die Hamburgische Bürgerschaft hat sich mit dem Thema bereits befasst. So wurde im Rahmen der Beantwortung des bürgerschaftlichen Ersuchens Drs. 21/11852 die Möglichkeit einer Regelung in der Hafenverkehrsordnung geprüft. Hierüber wurde die Hamburgische Bürgerschaft mit der Drs. 21/16058 informiert. Im Ergebnis ist eine Regelung in der Hafenverkehrsordnung keine geeignete Rechtsgrundlage für das Ziel der Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Seeleute. Vor diesem Hintergrund wurde am 29. Januar 2020 das Ersuchen „Laschen ist Hafenarbeit (2)“, Drs. 21/19721, von der Bürgerschaft beschlossen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) wie folgt: 1. Wird der Tarifvertrag zum Laschen nach dem CSS-Code in Hamburg eingehalten? a. Wenn nein, welche Verstöße sind dem Senat bekannt? b. Was will der Senat unternehmen, um zukünftig die Verstöße zu verhindern ? Der zuständigen Behörde liegen keine konkreten Zahlen über Verstöße gegen die sogenannte Dockers‘ Clause der ITF-Tarifverträge vor. Die Überwachung der Einhaltung von Tarifverträgen obliegt grundsätzlich den Tarifvertragsparteien und ist keine staatliche Aufgabe. In den Tarifverträgen sind unter den Tarifvertragsparteien Klärungsmechanismen vereinbart und den Vertragsparteien steht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen. Es ist deshalb nicht die Aufgabe der Verwaltung, diese Regelung aus den Tarifverträgen durchzusetzen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20092 3 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Welche rechtlichen Gründe sprechen gegen eine Verordnung des Senats zu dem Grundsatz „Laschen ist Hafenarbeit“? Für den Erlass einer Verordnung des Senats, mit der Laschen ausschließlich Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeitern gestattet wird, wäre eine gesetzliche Verordnungsermächtigung erforderlich. Eine derartige Ermächtigungsgrundlage besteht derzeit im Hafenverkehrs- und Schifffahrtsgesetz nicht. Die Verordnung über den Verkehr im Hamburger Hafen und auf anderen Gewässern (Hafenverkehrsordnung) regelt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Hafen sowie schifffahrtspolizeiliche Pflichten der Fahrzeugführer. 3. Wann hat der Senat von diesen rechtlichen Gründen durch wen erfahren ? 4. Wann hat der Senat die Bürgerschaft von diesen rechtlichen Gründen informiert? Die rechtlichen Voraussetzungen wurden im Rahmen der Beantwortung des Bürgerschaftlichen Ersuchens „Laschen ist Hafenarbeit“ (Drs. 21/11852) geprüft, siehe Drs. 21/16058. 5. Welche Probleme mit der Tarifautonomie sieht der Senat, hieß es doch im Beschluss der Bürgerschaft von 2018 noch mit Hinweis auf die Richtlinien CSS-Code, es sei zu analysieren, ob diese Regelung auch in der hiesigen Hafenordnung aufgenommen werden sollte? a. Wer hat das geprüft, wem wann mitgeteilt? b. Welche Gewerkschaften haben sich gegenüber dem Senat wann und wie geäußert? Die Gewerkschaft ver.di hat sich mit einem Schreiben im Januar an den Senat gewandt und sich im Rahmen einer am 14. Mai 2019 durchgeführten Anhörung aller Beteiligten geäußert. Darüber hinaus sind Gespräche mit Senatsvertretern erfolgt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 6. In Antwerpen gibt es eine Verankerung der Lascharbeiten in der Hafenverkehrsordnung . a. Wie sieht diese aus? b. Welche rechtlichen Implikationen hat diese Regelung? c. Warum ist diese Regelung nicht in der Hafenverkehrsordnung in Hamburg anzuwenden? Gesetzliche Grundlage für die Lascharbeiten in Belgien sind nach belgischem Arbeitsrecht vor allem das „Gesetz vom 8. Juni 1972 betreffend die Hafenarbeit“ (flämisch, sogenanntes wet-Major) sowie drei dieses Gesetz ausführende Königliche Beschlüsse vom 5. Juli 2004, 23. Januar 1973 und 10. Juli 2016. Danach dürfen Lascharbeiten ausschließlich von anerkannten Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeitern vorgenommen werden. Die Anforderungen der staatlichen Anerkennung als Hafenarbeiterin beziehungsweise Hafenarbeiter sind äußerst restriktiv. So ist insbesondere die Teilnahme an einem besonderen Ausbildungsverfahren, an einer speziell dafür eingerichteten Schule, Voraussetzung. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 7. In Rotterdam gibt es ebenso eine Verankerung der Lascharbeiten nach der Dockers‘ Clause in der Hafenverkehrsordnung für Containerschiffe. a. Wie sieht diese Regelung konkret aus? b. Welche Implikationen hat diese Regelung? c. Warum ist die Regelung nicht in der Hafenverkehrsordnung in Hamburg anzuwenden? Drucksache 21/20092 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 In der gemeinsamen Hafenordnung von Rotterdam und Amsterdam aus dem Jahr 2020 ist ebenfalls eine Regelung zum Laschen enthalten. Danach ist das Laschen von Containern an Bord von Seeschiffen durch die Besatzung des betreffenden Seeschiffes verboten, es sei denn es handelt sich um ein Seeschiff mit einer Höchstlänge von 170 Metern. Die Regelung bezieht sich auf größere Containerschiffe und entspricht den in der Vorbemerkung erwähnten internationalen Regelungen. Feederschiffe werden damit gerade nicht erfasst. Eine solche Regelung würde in Hamburg nicht dazu führen, dass Lascharbeiten auf Feederschiffen durch Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter erfolgen müssen. 8. Wer hat welche rechtlichen Vorbehalte gegenüber einer Aufnahme der Regelungen in die Hafenordnung gegenüber dem Senat vorgebracht? a. Was, wann und wie? Siehe Drs. 21/16058 sowie Antworten zu 3. bis 5. 9. Der Bürgerschaftsbeschluss (Drs. 21/11852 von 31.1.18) erteilte auch den Auftrag an den Senat, zu prüfen, ob es notwendig ist, bestehende Arbeitsschutzvorschriften für Seeleute stärker zu überprüfen. a. Wie sehen die bestehenden Arbeitsschutzvorschriften beim Laschen im Hamburger Hafen aus? b. Wer überprüft im Hafen arbeitsschutzrechtliche Belange der lohnabhängig Beschäftigten? c. Wie häufig wurden in den Jahren 2018 und 2019 im Hafen die arbeitsschutzrechtlichen Belange beim Laschen geprüft? d. Mit welchem Ergebnis? Für die Beschäftigten im Hamburger Hafen sind als Arbeitsschutzvorschriften für Lascharbeiten das Arbeitsschutzgesetz und die Unfallverhütungsvorschrift „Hafenarbeit “ anwendbar. Es handelt sich hierbei um Bundesrecht. Für Arbeitsschutzvorschriften haben die Länder keine Gesetzeskompetenz. Arbeitsschutzrechtliche Belange, außer für Seeleute, überprüft das Amt für Arbeitsschutz der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, arbeitsschutzrechtliche Belange für versicherte Mitglieder überprüft die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW). Arbeitsschutzrechtliche Belange für Seeleute überprüft die BG Verkehr. Im Jahr 2018 hat das Amt für Arbeitsschutz 284 Kontrollen von Umschlagsarbeiten und 274 im Jahr 2019 durchgeführt. Bestandteil dieser Überprüfungen sind auch die Lascharbeiten der Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter an Bord von Schiffen. Die Ergebnisse der Umschlagskontrollen werden insgesamt erfasst und sind für Lascharbeiten nicht gesondert auswertbar. Seeleute an Bord von Seeschiffen unter ausländischer Flagge unterliegen den jeweiligen Arbeitsschutzvorschriften des Flaggenstaates und verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkommen wie Maritime Labour Convention (MLC), SOLAS, Load Line Convention und dem Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW). Der Arbeitsschutz für Seeleute an Bord von Seeschiffen unter deutscher Flagge wird geregelt durch das Seearbeitsgesetz, die See-Arbeitszeitnachweisverordnung , die Seearbeitsüberprüfungsverordnung, Unfallverhütungsvorschriften sowie verschiedene schiffssicherheitsrechtliche Regelungen auf Basis des Schiffssicherheitsgesetzes und der Schiffssicherheitsverordnung. Seeschiffe unter deutscher Flagge (Flaggenstaatkontrolle) werden von der BG Verkehr alle zwei bis drei Jahre auf die Einhaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen hin überprüft. Die Überprüfungen werden in der Regel im Hafen durchgeführt. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz während der einzelnen bordseitigen Arbeitsabläufe – somit auch eventuelle Tätigkeiten während Ladungsarbeiten – ist hierbei ein Aspekt. In den Jahren 2018 und 2019 wurden folgende seearbeitsrechtliche Überprüfungen im Hamburger Hafen durchgeführt. Hierbei ist anzumerken, dass Frachtschiffe unter Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20092 5 deutscher Flagge – bedingt durch Ausflaggungen – nur noch selten den Hamburger Hafen anlaufen. 2018: drei Überprüfungen 2019: acht Überprüfungen Bei den Kontrollen auf Schiffen unter deutscher Flagge gab es keine Auffälligkeiten hinsichtlich des Arbeitsschutzes während der Ladungsarbeiten. Schiffe unter ausländischer Flagge (Hafenstaatkontrolle) werden ebenfalls von der BG Verkehr im Rahmen des Inspection Regimes des Paris MoU überprüft. Bei den Hafenstaatkontrollen wird verifiziert, ob das Schiff alle völkerrechtlichen Übereinkommen , die auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind, wie MLC, SOLAS, MARPOL, Load Line, STCW und andere, einhält. Arbeitsschutzrechtliche Belange sind auch hier nur ein Aspekt der Kontrolle. In den Jahren 2018 und 2019 gab es im Hamburger Hafen folgende Hafenstaatkontrollen: 2018: 327 Überprüfungen 2019: 349 Überprüfungen Bei den Hafenstaatkontrollen wurde im Jahr 2018 ein Mangel und im Jahr 2019 zwei Mängel im Bereich Ladungsarbeiten festgestellt. 10. Hält der Senat die Bemühungen der lokalen Hafen- und Arbeitsschutzbehörden , die die Sicherheit auf den Wasserstraßen und in den Häfen zu überprüfen haben, derzeit für ausreichend? Ja.