BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20145 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 11.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Skandal um Zytostatika (II) – Hat die Behörde es mit der Aufsicht nicht so genau genommen? Im Zusammenhang mit den großen Razzien Ende 2019 um den Korruptionsskandal mit hochpreisigen Zytostatika (siehe auch „Hamburger Abendblatt“ 18. und 19.12.2019, 05.02.2020) gerät auch die Stadtteilklinik Mümmelmannsberg ins Blickfeld, denn es gibt Überschneidungen in den Besitzverhältnissen von Stadtteilklinik und der durchsuchten ZytoService Deutschland GmbH (ZSD). Außerdem ist die Stadtteilklinik Mümmelmannsberg als Plankrankenhaus im Hamburger Krankenhausplan mit 15 Betten geführt, obwohl die Betten seit mindestens 2014 nur circa zur Hälfte ausgelastet waren. In der Drs. 21/19794 fragten wir hier genauer nach, erhielten jedoch meist nur ausweichende Antworten. Das gibt Anlass zu Nachfragen. Ich frage den Senat: Ein spezielles Aufsichtsrecht der zuständigen Behörde über Unternehmensgruppen, die auch Träger eines Hamburger Krankenhauses sind, besteht nicht. Der Gebäudekomplex der Praxisklinik Mümmelmannsberg befindet sich im Eigentum der Klinikgruppe Dr. Guth. Die Klinikgruppe Dr. Guth betreibt im Gebäude die Psychiatrische Tagesklinik Mümmelmannsberg mit 30 teilstationären psychiatrischen Behandlungsplätzen , aufgenommen in den Krankenhausplan der Freien und Hansestadt Hamburg. Die SKH Stadtteilklinik Hamburg betreibt in angemieteten Räumen ein stationäres Krankenhaus, aufgenommen in den Krankenhausplan der Freien und Hansestadt Hamburg mit 15 Planbetten. Darüber hinaus ist die Klinikgruppe Dr. Guth Vermieter für rund 16 Arztpraxen im Gebäude Praxisklinik Mümmelmannsberg. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In Drs. 21/19794 in Frage 7. fragten wir danach, welcher konkrete Sachverhalt der Minderauslastung von acht Betten, die als Sondertatbestand bezeichnet wurde, zugrunde liegt. Der Senat antwortete „Die zuständige Behörde hat als Sondertatbestand für die Betriebseinschränkungen in der Übergangszeit nach der Übernahme der Praxisklinik Mümmelmannsberg durch die Stadtteilklinik von insgesamt acht Betten berücksichtigt.“ a. Wie erklärt sich in der Praxisklinik eine so extrem lange Übergangszeit von fünf Jahren nach der Übernahme durch die Stadtteilklinik, die zu einer Minderauslastung geführt hat? Die Übernahme des stationären Teils der Praxisklink Mümmelmannsberg durch die SKH Stadtteilklinik Hamburg hat nicht zu einer Minderauslastung geführt. Der stationäre Teil war bereits vorher niedrig ausgelastet. Die lange Übergangszeit erklärt sich Drucksache 21/20145 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 durch die verschiedenen Ansätze der neuen Betreiber zur Verbesserung der medizinischen Versorgungssituation im Stadtteil Mümmelmannsberg. b. Aus welchen Gründen kam die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zu der Annahme, dass die Auslastung der Praxisklinik sich in Zukunft erhöhen würde? Die stationäre Fallzahl hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich erhöht, insbesondere im Bereich der Inneren Medizin. c. Hat es zwischen der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) und der Praxisklinik Gespräche zum Thema der Minderauslastung gegeben? Wenn ja: Wann fanden die Gespräche statt und was waren die Ergebnisse der Gespräche? Falls nein: Warum hielt die Behörde dies für nicht notwendig? Die Gespräche zwischen der zuständigen Behörde und der SKH Stadtteilklinik Hamburg fanden seit Ende 2014 statt. Bei diesen Gesprächen ging es insbesondere um die Entwicklung der einzelnen Fachgebiete und die Beteiligung an Projekten im Stadtteil . 2. In Drs. 20/9611 (Frage 1.) antwortet der Senat, dass die Praxisklinik Mümmelmannsberg nicht notwendig sei, um die Versorgung der Bevölkerung in Mümmelmannsberg sicherzustellen. Davon abweichend schreibt der Senat in Drs. 21/19794 (Frage 8.), dass die Praxisklinik für die Versorgung der Bevölkerung in Mümmelmannsberg notwendig sei. Wie erklären sich diese voneinander abweichenden Beurteilungen des Senats zum Versorgungsbedarf beziehungsweise zur Notwendigkeit der Praxisklinik/Stadtteilklinik? Die SKH Stadtteilklinik Hamburg in Mümmelmannsberg ist mit ihrem stationären Angebot ein Teil des Krankenhausplans der Freien und Hansestadt Hamburg und damit grundsätzlich bedarfsnotwendig. Nach Bewertung der zuständigen Behörde ist es sinnvoll, dass zur vollständigen Aufrechterhaltung des ambulanten Versorgungsangebotes (diverse Arztpraxen, unter anderem Unfallchirurg, HNO-Arzt, Frauenheilkunde ) auch stationäre Kapazitäten für operative Eingriffe vorhanden sind. Diese stehen in der SKH Stadtteilklinik Hamburg wohnortnah zur Verfügung. Die Ärztinnen und Ärzte der Arztpraxen sind teilweise konzeptionell eng mit der stationären Einheit verbunden . 3. Die Praxisklinik Mümmelmannsberg wurde von der Klinikgruppe Dr. Guth verkauft, weil sie auch aufgrund geringer Auslastung ein Verlustgeschäft war (siehe „Hamburger Abendblatt“ vom 11.09.2013, Drs. 20/9364, 20/9611). Laut „Bundesanzeiger“ war die SKH GmbH 2014 zum Zeitpunkt der Übernahme der Praxisklinik Mümmelmannsberg von der Klinikgruppe Dr. Guth im Besitz der ZytoService Deutschland GmbH, einem Pharmaunternehmen, das Zytostatika herstellt. a. Zu welchem Zeitpunkt hat der Senat Kenntnis erlangt, dass die Stadtteilklinik Hamburg (SKH) GmbH in Besitz des Pharmaherstellers ZytoService Deutschland GmbH war? b. Hat der Umstand, dass ein Pharmahersteller ein defizitäres und überschuldetes Krankenhaus aufkauft, dem Senat Anlass gegeben, mit der SKH GmbH das Gespräch zu suchen oder den Krankenhausbetreiber in anderer Weise besonders sorgfältig zu beaufsichtigen ? Falls ja: Gab es hierzu Gespräche der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) mit der SKH GmbH und was waren gegebenenfalls die Ergebnisse? Oder in welcher sonstigen Weise hat die BGV die SKH GmbH beaufsichtigt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20145 3 4. In Drs. 21/19794 in Frage 8. fragen wir nach, ob der Senat davon ausgeht , dass die Stadtteilklinik wirtschaftlich sei und ob das geprüft worden sei. Der Senat antwortet, keine Erkenntnisse hierzu zu haben und keinen Anlass zu einer Überprüfung zu haben. In der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aus dem „Bundesanzeiger“ heißt es zum Geschäftsjahr 2014: „Die Gesellschaft ist zum 31. Dezember 2014 bilanziell überschuldet . Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag zum 31. Dezember 2014 beträgt T€ 395.“ Die Ertragssituation besserte sich nicht, auch in den Folgejahren blieb die SKH GmbH weiterhin bilanziell überschuldet . Am 4. Mai 2015 schloss die SKH GmbH mit der Muttergesellschaft ZSD einen Abführungsvertrag, sodass die ZytoService Deutschland GmbH für Verluste aufkam. a. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Weg hat der Senat Kenntnis erlangt über die bilanzielle Überschuldung? b. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Weg hat der Senat Kenntnis erlangt darüber, dass die ZytoService Deutschland GmbH die Verluste der Stadtteilklinik übernimmt? c. Wie hat der Senat den Umstand bewertet, dass die Stadtteilklinik dauerhaft über mehrere Jahre Verlust gemacht hat? 5. In welcher Form und durch welche Maßnahmen stellt die BGV sicher, dass neue Krankenhausbetreiber, die Plankrankenhäuser übernehmen, vertrauenswürdig, wirtschaftlich und seriös arbeiten? Bitte konkret erläutern . Der zuständigen Behörde war bekannt, dass es sich bei den Käufern des stationären Klinikteils der Praxisklinik Mümmelmannsberg um die 2008 gegründete ZytoService Deutschland GmbH gehandelt hat. Die zuständige Behörde prüft bei Trägerwechsel das medizinische und wirtschaftliche Konzept für den Weiterbetrieb des Krankenhauses . Nach § 15 Absatz 4a HmbKHG sind Krankenhausträger geeignet, wenn ihre Krankenhäuser bedarfsgerecht, wirtschaftlich und leistungsfähig sind und die Gewähr für die Einhaltung der für den Betrieb eines Krankenhauses geltenden Vorschriften bieten. Dabei sind auch die möglichen Auswirkungen für die flächendeckende Versorgung und eine Anlaufphase zu berücksichtigen. Es lagen keine Erkenntnisse vor, die Anlass gegeben hätten, dass die zuständige Behörde dem Trägerwechsel nicht hätte zustimmen können. Die zuständige Behörde hat bei einem Krankenhausträger aus der Pharmabranche keine anderen Prüfrechte als bei Trägern aus anderen Bereichen. Der Krankenhausträger hat sich seitdem nicht wegen wirtschaftlicher Fragestellungen an die zuständige Behörde gewandt. Wirtschaftliche Defizite können – wie in anderen Bereichen – auch im Krankenhausbereich auftreten. Es ist nicht unüblich, dass sie von den Krankenhausträgern temporär – zum Beispiel zur Abfinanzierung des Kaufpreises – ausgeglichen werden.