BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20146 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 11.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Barrierefreiheit von Arzt-/Ärztinnenpraxis – Wie ist der Stand? Am 3. März 2016 wurde das Projekt „Barrierefrei. Wir sind dabei.“ von der Patienten-Initiative e.V., KISS und dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Hamburg e.V. ins Leben gerufen. Das Projekt hat eine Checkliste entwickelt, die von Menschen mit Behinderungen erstellt wurde und die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen berücksichtigt. Dabei geht es zum Beispiel um die Maße einer Fahrstuhlkabine, Regelung zur Mitführung eines Blindenhundes oder die Kontrastbeschilderung in den Ärztinnen-/Arztpraxen. Menschen mit Behinderung untersuchen als Barriere-Scouts die Arzt-/Ärztinnenpraxen und erheben dort Informationen über Barrierefreiheit. Aus einer Onlineärztinnen -/-arztpraxensuche der Stiftung Gesundheit im März 2016 geht hervor, dass von insgesamt 4 579 Ärztinnen-/Arztpraxen 41 Gebärdensprache anbieten, 1 192 Praxen rollstuhlgerecht sind und 202 Praxen Orientierungshilfen für Menschen mit Sehbehinderung(en) haben. An bisherigen Suchportalen oder Apps dazu wird von den Projektinitiierenden kritisiert, dass sie entweder zu wenig auf Hamburg zugeschnitten sind oder zu unkonkrete oder zu wenige Kriterien der Barrierefreiheit abfragen. Drs. 20/13347 weist mit dem Hinweis auf ein Projekt der Hamburger Patienten-Initiative von 2012, in dem bereits die Barrierefreiheit von Arzt-/Ärztinnenpraxen untersucht wurde, darauf hin, dass die bisherigen Suchdienste zum Beispiel der Kassenärztlichen Vereinigung, der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Gesundheit auch Mängel aufweisen. So werde der Begriff Barrierefreiheit fast ausschließlich synonym für „Die Praxis ist rollstuhlgerecht“ verwendet und zudem Daten der Selbstauskünfte von Ärzten/-innen verwendet. Der aktuelle Fragebogen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg nimmt nur Menschen mit Gehbehinderungen in den Blick. Mit dem Präventionsgesetz vom 17. Juli 2015 haben die Gesetzlichen Krankenkassen den Auftrag erhalten , Prävention und Gesundheitsförderung stärker umzusetzen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sollen sie Menschen mit Behinderungen einbeziehen . Die zuständige Senatskoordinatorin für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen stellte in selbigem Bericht (Drs. 20/13347) gemeinsam mit der Patienten-Initiative fest, dass ein einheitlicher Kriterienkatalog zur barrierefreien Ausstattung von Ärztinnen-/Arztpraxen erforderlich ist, der einheitlich von den Praxen ausgefüllt und in die Datenbanken eingepflegt werden soll. Wir fragen den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH) wie folgt: Drucksache 21/20146 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie ist der Stand der Entwicklung des einheitlichen Kriterienkatalogs zur barrierefreien Ausstattung von Ärztinnen-/Arztpraxen? a. Bitte Link zum Kriterienkatalog einfügen oder im Wortlaut anhängen. Siehe Anlage. b. Haben daran Verbände von Menschen mit Behinderungen mitgearbeitet ? Wenn ja, welche? Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) steht in ständigem Kontakt mit den benannten Organisationen. c. Wenn es noch keinen gibt, warum nicht? 2. Wie viele haus- und fachärztliche Ärztinnen-/Arztpraxen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht des Senats auf Basis welcher Kriterien für welche Menschen mit Behinderungen als barrierefrei oder barrierearm einzustufen? Bitte insgesamt für Hamburg angeben und aufschlüsseln nach Bezirken und wenn möglich auch nach Stadtteilen, fachlicher Ausrichtung der Ärztinnen-/Arztpraxis, auch ob hausärztliche Versorgung oder nicht, Angabe ob Einzelpraxis, MVZ oder Gesundheitszentrum, Benennung der konkreten Maße oder Kriterien für Barrierefreiheit für Menschen mit welchen Behinderungen und Hinweis, ob die Bezeichnung barrierefrei oder barrierearm durch Menschen mit Behinderungen vergeben wurde. Nach Information der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH) lassen sich die in der Vergangenheit auf freiwilliger Basis übermittelten Informationen in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht in der gewünschten Form zusammenstellen. Die auf der Basis des Kriterienkataloges verpflichtend zu meldenden Daten werden derzeit erhoben. 3. In der Senatsmitteilung Drs. 21/16645 lautet es, die Maßnahme 6.2 „Barrierefreier Zugang Gesundheitsversorgung und Prävention: Sensibilisierung u. Vereinbarung mit Trägern“ sei umgesetzt. a. Welche Vereinbarungen mit welchen Trägern wurden geschlossen? b. Was ist konkret unter einer Sensibilisierung zu verstehen? Wer wurde durch was für was sensibilisiert? Siehe Drs. 20/14150. 4. In der Großen Anfrage von DIE LINKE Drs. 21/18328 steht, dass die KVHH noch nicht abschließend entschieden hat, ob auch die Erreichbarkeit einer Praxis bei der Definition oder Einschätzung der Erreichbarkeit einer haus- oder fachärztlichen Praxis eine Rolle spielt. Wie ist der aktuelle Stand der Einschätzung dazu? Nach Auskunft der KVHH ist die Erreichbarkeit einer Praxis im Kriterienkatalog nicht enthalten. 5. Welche Unternehmungen gibt es seit dem 17. Juli 2015 durch die Krankenkassen , Menschen mit Behinderungen bei der Prävention und Gesundheitsförderung einzubeziehen? a. Welche Verbände oder Einzelpersonen von Menschen mit Behinderungen wurden für was einbezogen? Der zuständigen Behörde liegen hinsichtlich der erfragten Aktivitäten der Krankenkassen keine gesicherten Erkenntnisse vor. 6. Inwiefern wird in den Terminservicestellen über die Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zu Arztpraxen informiert und auf welche rechtliche Grundlage geht dies zurück? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20146 3 Die Terminservicestelle vermittelt entsprechend barrierefreie Praxen, soweit dies möglich ist. Basis ist der jeweils aktuelle Datensatz. Rechtliche Grundlage ist § 75 Absatz 1a SGB V. a. Wenn nicht, warum nicht? 7. Aus finanziellen Mitteln in welcher Höhe von welchem Träger/welcher Institution wird das Projekt „Barrierefrei. Wir sind dabei.“ seit seiner Gründung finanziert und ist eine Verstetigung der Finanzierung des Projekts vorgesehen? Das Projekt wurde bis zum 31. Dezember 2019 durch die AOK Rheinland/Hamburg gefördert. Genauere Informationen über die Förderhöhe liegen dem Senat nicht vor. Der Senat fördert das Projekt ab 01. Januar 2020 mit einem Betrag in Höhe von 35 918,32 Euro. Eine Verstetigung des Projekts in gemeinsamer Finanzierungsverantwortung der Partner der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und der Freien und Hansestadt Hamburg wird seitens der zuständigen Behörden gewünscht; hierüber erfolgen derzeit Gespräche zwischen den zuständigen Behörden, der Kassenärztlichen Vereinigung, AOK Rheinland/Hamburg sowie der Patienten-Initiative e.V. und KISS Hamburg. a. Wenn nicht, warum nicht? Entfällt. Anlage 37 Blatt 1 November 2019 Code 1 101 102 103 104 201 202 301 302 303 304 401 402 Barrierefreies WC vorhanden Besonderheiten Orientierungshilfen für Sehbehinderte Parkplätze vorhanden Behindertenparkplatz Informationen zur Barrierefreiheit des Leistungsorts: Art des Angebots Bundeseinheitliche Systematik ab Januar 2020 Praxisräume uneingeschränkt barrierefrei zugänglich Zugang und Praxisräume Art des Angebots 2 Sanitärbereich Praxisräume nicht barrierefrei zugänglich Praxisräume für gehbehinderte Patienten zugänglich Praxisräume weitgehend barrierefrei zugänglich Kommunikation über SMS, Fax oder E-Mail Bedingt barrierefreies WC vorhanden Parkmöglichkeiten Höhenverstellbare Untersuchungsmöbel Induktionsschleife vorhanden Drucksache 21/20146 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Anlage 37c Blatt 1 November 2019 - Ebenerdiger Zugang (Schwellenhöhe max. 3 cm bzw. Rampen mit max. 6 % Steigung) Alle genannten Merkmale müssen zutreffen: Erläuterungen zur Anlage 37: Details zur Barrierefreiheit in den bundeseinheitlichen Codes Code 101 Praxisräume uneingeschränkt barrierefrei zugänglich und/oder: Aufzug (Türbreite mind. 70 cm, Fahrstuhlkabine mind. 70 cm x 90 cm) und/oder: rollstuhlgerechter Aufzug (Türbreite mind. 90 cm, Tiefe mind. 140 cm; Fahrstuhlkabine mindestens 110 cm x 140 cm) - Türbreite der Eingangs- und Innenraumtüren mindestens 90 cm Code 102 Praxisräume weitgehend barrierefrei zugänglich Alle genannten Merkmale müssen zutreffen: - Weitgehend ebenerdiger Zugang (max. eine Stufe bzw. Rampen mit max. 20 % Steigung) - Türbreite der Eingangs- und Innenraumtüren mindestens 80 cm Code 103 - Bewegungsfläche vor dem WC mindestens 150 x 150 cm Praxisräume für gehbehinderte Patienten zugänglich Alle genannten Merkmale müssen zutreffen: - Zugang mit max. drei aufeinander folgenden Stufen (Höhe der Stufen je max. 15 cm) - Handläufe/Geländer vorhanden - Sitzgelegenheiten in Anmelde- und Wartezonen Code 201 Barrierefreies WC vorhanden Alle genannten Merkmale müssen zutreffen: - Türen öffnen nach außen, Türbreite mindestens 90 cm - Haltegriffe - Toilette von der Seite mit Rollstuhl anfahrbar, d. h. Bewegungsraum neben WC mind. 90 cm - Waschbecken unterfahrbar (max. 80 cm hoch und 55 cm tief) - Haltegriffe und Notruf vorhanden Code 202 Bedingt barrierefreies WC vorhanden Alle genannten Merkmale müssen zutreffen: - stufenloser Zugang - Türbreite mindestens 90 cm - großzügige Bewegungsfläche vor dem WC - Bewegungsflächen (zusammenhängende unverstellbare Bodenfläche) in den Räumen mindestens 150 x 150 cm - Bewegungsflächen (zusammenhängende unverstellbare Bodenfläche) in den Räumen mindestens 110 x 110 cm Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20146 5 Anlage 37c Blatt 2 Monat xxx 2019 Code 402 Parkplätze vorhanden - mit reservierten Plätzen für Besucher der Praxis Erläuterungen zur Anlage 37: Details zur Barrierefreiheit in den bundeseinheitlichen Codes Code 301 Orientierungshilfen für Sehbehinderte Zum Beispiel: - blendfreie Beleuchtung von Fluren beziehungsweise Treppenhäusern - kontrastreiche Markierung von Treppenstufen - Handläufe und gut lesbare Beschilderungen Code 302 Kommunikation über SMS, Fax oder E-Mail - Möglichkeit zur Terminvereinbarung über Fax, SMS oder E-Mail Behindertenparkplatz - Breite mindestens 350 cm, Bordsteine abgesenkt Code 304 Höhenverstellbare Untersuchungsmöbel - Höhenverstellbare Untersuchungsstühle und Liegen Code 401 Code 303 Induktionsschleife vorhanden - Induktive Höranlage am Anmeldetresen und/oder im Behandlungszimmer Drucksache 21/20146 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 20146ska_Text 20146ska_Anlage Anlage 37 Anlage 37c