BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20149 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 11.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Freizügigkeitsüberprüfungen von EU-Bürgern/-innen Immer wieder berichten Sozialarbeiter/-innen, dass obdachlose Menschen sehr systematisch von der Polizei aufgesucht würden, um die Freizügigkeitsvoraussetzungen nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU zu überprüfen. Tatsächlich wurden im Jahr 2018 insgesamt 796 Unionsbürger/-innen an das Einwohner -Zentralamt gemeldet, in 2019 wurden insgesamt 1 385 EU-Bürger/ -innen gemeldet. Dies entspricht etwa drei bis vier Personen pro Tag. Zur Vorsprache aufgefordert wurden allerdings nur 335 in 2018 und 175 Personen in 2019. Auffällig ist dabei zudem, dass sich die Anzahl der gemeldeten Personen im Laufe des Jahres 2019 um fast 250 Prozent gesteigert hat. Lag diese im 1. Quartal 2019 noch bei 174 gemeldeten Personen, war sie im 4. Quartal schon bei 604 (siehe hierzu Drs. 21/14994, 21/15699, 21/17484, 21/18089, 21/18999, 21/19612). Wir fragen den Senat: 1. Inwiefern hat sich der ausländerrechtliche Umgang mit obdach- und wohnungslosen EU-Bürgern/-innen in Hamburg in 2019 geändert? a. Inwiefern ist eine politische Entscheidung/Weisung dafür verantwortlich ? Von wem wurde diese ausgesprochen/verfasst? Der ausländerrechtliche Umgang mit obdach- und wohnungslosen EU-Bürgerinnen und -Bürgern hat sich in Hamburg in 2019 nicht geändert. b. Inwiefern gab es Änderungen bezüglich der Anwendung des Freizügigkeitsrechts ? Wenn ja, bitte anhängen. Im Jahr 2019 gab es keine Änderungen des Freizügigkeitsrechts/EU. c. Inwiefern ist es zutreffend, dass aufgrund des äußeren Anscheins anlassbezogene Überprüfungen nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU, durchgeführt werden? Wer führt diese Überprüfungen durch und meldet Betroffene an das Einwohner-Zentralamt? Die Polizei überprüft im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund unterschiedlichster Anlässe die Personalien von Personen. Die Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist für die Polizei allein nicht einsatzbegründend. Soweit die Polizei im Rahmen von Maßnahmen aus verschiedenen Anlässen Hinweise auf Verträge gegen das Freizügigkeitsgesetz /EU feststellt, werden diese an das Einwohner-Zentralamt gemeldet. Drucksache 21/20149 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele Personen, die im Jahr 2019 zur Überprüfung der Freizügigkeitsvoraussetzungen an das Einwohner-Zentralamt gemeldet wurden, waren obdachlos? Hierüber liegen dem Einwohner-Zentralamt keine Erkenntnisse vor, da eine statistisch auswertbare personenbezogene Erfassung von im Rahmen der Überprüfung gemeldeten Sachverhalten und/oder Vorsprachen nicht erfolgt. 3. Wie erklärt sich der Senat die hohe Anzahl an Personen, die an das Einwohner-Zentralamt gemeldet wurden? Die Anzahl von Personen, die an das Einwohner-Zentralamt gemeldet werden, ergibt sich aus der Zahl von Anlässen, bei denen entsprechende Personen festgestellt werden . 4. Wie erklärt sich der Senat die geringe Anzahl an Personen, die tatsächlich zur Vorsprache aufgefordert wurden, im Vergleich zu den gemeldeten Personen? Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nicht jede gemeldete Person beziehungsweise jeder gemeldete Sachverhalt auch eine Vorladung zur Folge hat. Ob und inwieweit eine solche erstellt wird, ist abhängig vom Einzelfall. Im Verlauf des Jahres 2019 ist das für die Prüfung zuständige Einwohner-Zentralamt vermehrt von Landes- und Bundespolizei über die Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 87 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz unterrichtet worden. Diese zusätzlich eingegangenen Vorgänge führten zur Einleitung weiterer zeitaufwendiger Prüfverfahren, sodass nicht in allen Fällen zeitnah eine Vorladung erstellt wird. Zudem ist festzustellen, dass seitens der Justiz ebenfalls vermehrt Mitteilungen über Strafsachen und Strafanzeigen der Polizei an das Einwohner-Zentralamt erfolgen. 5. Wie ist der Umgang mit ausreisepflichtigen EU-Bürgern/-innen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht reise-, haft- oder verwahrfähig sind? a. Welche Stelle prüft, ob eine Person reise-, verwahr- oder haftfähig ist? Grundsätzlich wird bei Angehörigen dieser Personengruppe der gesundheitliche Zustand im Verhältnis zur beabsichtigten Maßnahme berücksichtigt. Das bedeutet, dass bei Personen, die nicht haft- und verwahrfähig sind, keine Haft verhängt und bei Nichtfeststellung der Reisefähigkeit keine Abschiebung durchgeführt wird. Ändert sich der Zustand der oder des Betroffenen, so können die ursprünglich beabsichtigten Maßnahmen durchgeführt werden. Die Prüfung der Haftfähigkeit erfolgt für Fälle der Untersuchungs- oder Strafhaft durch das Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt, die Feststellung der Reisefähigkeit und damit verbunden einer Haftfähigkeit für die Abschiebehaft erfolgt durch Ärztinnen oder Ärzte des Einwohner-Zentralamtes oder durch von diesem beauftragte Ärztinnen oder Ärzte. b. In wie vielen (Härte-)Fällen, zum Beispiel aufgrund nicht bestehender Reisefähigkeit, wurden in 2019 Leistungen nach Maßgabe des § 23 Absatz 3 SGB XII gewährt? Bitte Anzahl quartalsweise angeben . Leistungen in Härtefällen nach Maßgabe des § 23 Absatz 3 Sozialgesetzbuch XII werden statistisch nicht separat erfasst und können somit nicht ausgewertet werden. Zur Beantwortung müssten circa 12 000 Fallakten von den Grundsicherungsdienststellen händisch durchgesehen werden. In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist dies nicht möglich.