BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20150 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 11.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Neubau Pik As (II) Die Fraktion DIE LINKE hat am 20.01.2020 eine Schriftliche Kleine Anfrage zum Neubau des Pik As an den Hamburger Senat gestellt. Daraufhin hat die Senatskanzlei am 27.01.2020 eine Pressemitteilung ebenfalls zum Neubau des Pik As veröffentlicht. Darin orientiert sie sich offensichtlich an den Fragen der Schriftliche Kleine Anfrage und verweist zudem in der am 28.01.20 veröffentlichten Antwort des Senats lediglich auf die genannte Pressemeldung. Dies hinterlässt einige Nachfragen. Ich frage den Senat: Junge Menschen unter 18 Jahren werden nach Bekanntwerden einer Obdachlosigkeit in Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe in Obhut genommen. Im Rahmen der stationären Erziehungshilfe gemäß §§ 19 und 27 fortfolgende SGB VIII werden junge Menschen bei ihrem Übergang in die eigene Wohnung unterstützt, insbesondere im Rahmen der Volljährigenhilfe nach § 41 SGB VIII. Ebenso kann der junge Mensch das Jugendwohnen nach § 13 Absatz 3 SGB VIII für die Dauer der beruflichen Qualifikation in Anspruch nehmen. Für jungerwachsene wohnungs- beziehungsweise obdachlose Menschen (18 bis 27 Jahre) greifen, wenn sie um Hilfe nachsuchen, die Hilfestrukturen der Wohnungslosenhilfe . Die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten in den Hilfesystemen stehen diesen Menschen zur Verfügung, wenn sie nicht auf den elterlichen Haushalt oder bedarfsgerechtere Maßnahmen, wie zum Beispiel Angebote der Suchthilfe, verwiesen werden können. Wohnungslose Jungerwachsene sind, soweit sie nicht bereits öffentlich-rechtlich untergebracht sind, in ihrer oftmals verdeckten Obdachlosigkeit besonders anzusprechen . Gemeinsam mit dem für die Jugendhilfe zuständigen Amt und den Trägern der Jugendhilfe wurden deshalb Möglichkeiten erörtert, den obdachlosen Jungerwachsenen , die um Unterkunft nachsuchen, zunächst schnellstmöglich und niedrigschwellig sowie auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Hilfe zu gewähren. Allen über 18-jährigen Personen stehen im niedrigschwelligen Bereich die Übernachtungsstätten für Männer und Frauen zur Verfügung. Vermittlungen in die öffentlich-rechtliche Unterbringung sind von dort aus, bei Anspruch auf öffentlich-rechtliche Unterbringung, zeitnah möglich. In der Regel werden diese Angebote, insbesondere das Jungerwachsenenprogramm (JEP) auch angenommen. Es gibt unter den Jungerwachsenen aber auch Personen, die dieses Angebot aus verschiedensten Gründen nicht annehmen . Vor diesem Hintergrund wurde in die Planung des Neubaus des Pik As als Übernachtungsstätte für Männer erstmalig die Möglichkeit eingeplant, einen separaten Trakt für die Übernachtung Jungerwachsener einzurichten, der auch über einen gesonderten Zugang verfügt, sodass eine Trennung von der traditionellen Übernachtung gewährlei- Drucksache 21/20150 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tet ist. Nach Auffassung der Träger der Jugendhilfe und des zuständigen Amtes wurde ein Bedarf zwischen 30 und 40 Plätzen formuliert. Im Rahmen der bisherigen räumlichen Planungen des Neubaus wird als zentrales Angebot eine Lösung im Neubau des Pik As mit einer Kapazität von bis zu 72 Plätzen angeboten, um auch Reserven vorzuhalten . Das aktuelle Positionspapier des Arbeitskreises Wohnraum für junge Menschen ist der zuständigen Behörde bekannt. Ein zentrales Angebot bietet jedoch die Möglichkeit , ergänzende Beratungsangebote, wie zum Beispiel die Schwerpunktpraxis für Wohnungslose vor Ort oder auch die Beratung in zielgruppenspezifische Einrichtungen der öffentlichen Unterbringung, anbieten zu können und ist sowohl im Betrieb der Unterkunft als auch in der Steuerung der Aufnahme und Fluktuation erfahrungsgemäß wirtschaftlicher umzusetzen. Für jungerwachsene Frauen wurde mit der Umstrukturierung der Einrichtung Hinrichsenstraße zudem die Möglichkeit einer separaten Unterbringung von jungerwachsenen Frauen in Aussicht gestellt (siehe hierzu Drs. 21/18090). Darüber hinaus ist das JEP bis zum Jahresbeginn 2020 um 66 Plätzen in zwei zusätzlichen Standorten erweitert worden und bietet nun bereits insgesamt 85 Plätze an. Eine weitere Ausweitung des Programms wird bedarfsabhängig erfolgen. Vor dem Hintergrund, dass eine Notübernachtung immer nur für einen sehr kurzfristigen Zeitraum erforderlich und eine zügige bedarfs- und zielgruppengerechte Unterbringung der jungerwachsenen Männer und Frauen außerhalb einer Notübernachtungsstätte die zentrale Zielsetzung sein sollte, sind die Planungen zum Neubau des Pik As wie dargestellt aufgenommen worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Ersatzstandorte kommen als Übergangslösung für die Zeit des Neubaus infrage? Die Planung für einen Ersatzstandort ist noch nicht abgeschlossen (siehe hierzu Pressemitteilung vom 27.01.2020 https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/13524950/ 2019-01-27-basfi-neubau-pik-as/). 2. Nach welchen Kriterien wird nach einem Ersatzstandort für die Bauzeit gesucht? Folgende Kriterien sollen vom Ersatzstandort erfüllt werden: Nähe zum Innenstadtbereich, gute Verkehrsanbindung, möglichst gleiche Kapazität wie im bisherigen Standort, Platz für die Angebote des Pik As: o Gesundheitsflur, o Zimmer für Personen mit Hund, o Schwerpunktpraxis für Wohnungslose. 3. Wie hoch schätzt der Senat die Anzahl junger wohnungsloser Menschen (18 bis 27) in Hamburg? Bitte nach Geschlecht aufschlüsseln (m/w/d). Die Anzahl und die Zusammensetzung der Gruppe der jungen, volljährigen obdachlosen Menschen wurden im Rahmen der im März 2018 durchgeführten Obdachund Wohnungslosenuntersuchung ermittelt. Die Ergebnisse können hier eingesehen werden: https://www.hamburg.de/basfi/pressemeldungen/12033592/2019-01-11-basfiobdachlosenstudie /. Die Anzahl aller jungerwachsener Personen in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (inklusive Jungerwachsenenprogramm, Übernachtungsstätten und FrauenWohnen ) beträgt mit Stand 31.12.2019 6 048 Personen, die sowohl in Familienstrukturen leben wie auch als Alleinstehende untergebracht sind. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Statistiken ist eine Aufgliederung dieser Personengruppe in Geflüchtete und Wohnungslose sowie in Männer und Frauen nicht möglich. Eine gesonderte Auswertung der Akten der entsprechend vielen Haushalte und Personen ist in der für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20150 3 Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Anhand welcher Erhebung oder Schätzung ist die Zahl der 72 Plätze für eine Notschlafstelle für junge Erwachsene ermittelt worden? 5. Ist dem Senat das Positionspapier des Arbeitskreises Wohnraum für junge Menschen zum Neubau des Pik As und zu der Einrichtung einer Notschlafstelle für Jungerwachsene bekannt? 6. Wie steht der Senat zu der Forderung nach dezentralen und kleinteiligen Notschlafstellen als Angebot der Jugendhilfe, statt einer zentralen Einrichtung ? Was spricht nach Auffassung des Senats für oder gegen dezentrale und kleinteilige Notschlafstellen? 7. Ist nach Auffassung des Senats die Wohnungslosenhilfe oder Jugendhilfe für junge wohnungslose Menschen zuständig oder ist die Zuständigkeit eine Querschnittsaufgabe? Wenn ja, wie wird diese organisiert und aufgeteilt? 8. Inwieweit wurden die Träger der Jugendhilfe in die Planungen zur Einrichtung der Notschlafstelle einbezogen? Wenn nicht, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 9. Sind Plätze für junge wohnungslose Menschen am Ersatzstandort für die Bauzeit ebenfalls eingeplant? Wenn ja, inwieweit wird eine räumlich getrennte Unterbringung von Jungerwachsenen und älteren Obdachlosen während der Bauzeit sichergestellt ? Wenn nein, soll es andere Notübernachtungsplätze für junge Wohnungslose bis zur Fertigstellung des Pik-As-Neubaus in 2024 geben? Nein, ein entsprechendes Angebot kann erst mit dem Neubau des Pik As realisiert werden. 10. Gibt es darüber hinausgehend auch Pläne, eine Notschlafstelle für junge wohnungslose Frauen einzurichten? Siehe Vorbemerkung. 11. Geht der Senat davon aus, dass sich die Anzahl von obdach- und wohnungslosen Menschen in Hamburg zukünftig reduzieren wird und im Zuge dessen auch der Bedarf an Plätzen in einer Notschlafstelle? Wird vor diesem Hintergrund die Möglichkeit einer Umnutzung des Gebäudes bei der Planung berücksichtigt, zum Beispiel in kleinere Wohneinheiten? Mit Blick auf den stetigen Zugang im Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von wohnungslosen Haushalten in den letzten Jahren bleibt es eine enorme Herausforderung , die Unterbringung in öffentlichen-rechtlichen Wohnunterkünften sowie den Übergang in eigenen Wohnraum sicherzustellen (siehe Drs. 21/16901). Unabhängig von den Schwierigkeiten, eine darüber hinausgehende gesicherte Prognose zur künftigen Anzahl wohnungs- und obdachloser Menschen unter Einbezug verdeckter Wohnungslosigkeit und möglichen künftigen Wanderungsbewegungen innerhalb und außerhalb der EU vorzunehmen, ist eine Reduzierung beziehungsweise der Wegfall der Notschlafstellen im Falle eines etwaigen nachlassenden Bedarfs nicht vorgesehen . Sie sind Teil einer Gesamtbedarfsplanung für die Notübernachtung obdachloser Menschen und könnten in diesem Rahmen auch für die Notunterbringung von Menschen aller Altersgruppen und die Entlastung hierfür vorgehaltener Einrichtungen genutzt werden.