BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20163 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 12.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Ausfall der Versorgung der Hamburger Bevölkerung mit Elektrizität Jüngst ist bekannt geworden, dass am 18. Januar 2020 im Hamburger Osten (unter anderem in den Stadtteilen Jenfeld, Marienthal und Wandsbek) für eine Stunde der Strom ausgefallen ist. Etwa 1 700 Haushalte und zahlreiche Gewerbetreibende sollen betroffen gewesen sein. Dies ist mehr als genug Anlass dafür, die Versorgungssicherheit der Freien und Hansestadt Hamburg zu hinterfragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) wie folgt: 1. Wie konnte es im Detail zu dem Stromausfall im Hamburger Osten am 18. Januar 2020 kommen? Am 18. Januar 2020 kam es zu einer automatischen Auslösung zweier Schaltfelder in der 10kV-Spannungsebene. Eine Störung dauerte 35 Minuten (11.12 Uhr – 11.47 Uhr), eine weitere Störung 51 Minuten (11.12 Uhr – 12.03 Uhr). Insgesamt waren 1 954 Haushalts- und Gewerbekunden betroffen. Ursächlich waren zwei sogenannte Muffenfehler, das heißt die Verbindung zweier Kabelabschnitte wies nicht mehr die erforderlichen Isolationseigenschaften auf. 2. Wie kann derartigen Vorfällen künftig besser begegnet werden beziehungsweise welche Schlüsse ziehen die zuständigen Behörden und Stromversorger aus dem Vorfall? Die SNH investiert laufend in die Erneuerung des Hamburger Stromverteilnetzes. Mit der aktuellen Instandhaltungsstrategie werden die Ersatzinvestitionen gerade in die Kabelnetze kontinuierlich gesteigert. Das Investitionsvolumen hierfür beträgt aktuell im Zeitraum von 2019 bis 2023 circa 390 000 000 Euro. 3. Wann ist in den Jahren 2015 bis 2019 sowie im Januar 2020 jeweils wo in Hamburg die Versorgung der Bevölkerung und Gewerbetreibenden mit Elektrizität vorübergehend ausgefallen? Wenn möglich, die Räume bitte nach Bezirken und Stadtteilen abgrenzen. Die Anzahl der Versorgungsunterbrechungen im Hamburger Stromnetz war in den vergangenen Jahren bis auf statischste Schwankungen im Wesentlichen konstant. Entsprechende Kennzahlen der Versorgungsqualität werden durch die Bundesnetzagentur veröffentlicht. Bei der SNH werden sämtliche Störungen des Stromnetzes in einem Störungsmanagementsystem dokumentiert. Dabei erfolgt die Erfassung von Störungen entsprechend der technischen Topologie des Hamburger Verteilungsnetzes. Sie folgt den Anforderungen einer umgehenden Entstörung sowie den gesetzlichen Meldepflichten. Eine Auswertung der Versor- Drucksache 21/20163 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gungsunterbrechungen nach Bezirken und Stadtteilen war der SNH mit den vorhandenen IT-Systemen in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Daten aus den Jahren 2015 bis 2018 können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Die finalen Störungskennzahlen für 2019 werden voraussichtlich zum Ende des 1. Quartals von 2020 vorliegen. Anzahl und durchschnittliche Dauer nach Nieder-, Mittel und Hochspannungsebene getrennt: Niederspannungsnetz 2015 2016 2017 2018 Anzahl Versorgungsunterbrechungen 1 569 1 899 1 683 1 981 Durchschnittliche Dauer der Versorgungsunterbrechungen in Minuten 94,7 103,1 101,6 102,6 Mittelspannungsnetz 2015 2016 2017 2018 Anzahl Versorgungsunterbrechungen 146 172 161 203 Durchschnittliche Dauer der Versorgungsunterbrechungen in Minuten 43,4 42,7 39,4 34,7 Hochspannungsnetz 2015 2016 2017 2018 Anzahl Versorgungsunterbrechungen 21 1 2 1 Durchschnittliche Dauer der Versorgungsunterbrechungen in Minuten 6,0 16,0 339,2 14,5 Wiederholte Untersuchungen von SNH haben in der Vergangenheit keine wesentlichen , großräumigen Unterschiede des Störungsaufkommens im Hamburger Stadtgebiet erkennen lassen. Es gibt keine Hinweise, dass sich das Störungsgeschehen der genannten Stadtteile wesentlich vom Rest des Hamburger Stadtgebietes unterscheidet . 4. Was waren hierfür jeweils die Gründe? Den nachfolgenden Tabellen können die Häufigkeiten der Störungsursachen für die verschiedenen Spannungsebenen entnommen werden: Niederspannungsnetz Störungsursache 2015 2016 2017 2018 Atmosphärische Einwirkung 0,6 % 1,6 % 2,5 % 1,4 % Einwirkung Dritter 20,9 % 21,9 % 19,3 % 19,1 % Zuständigkeit des Netzbetreibers/ kein erkennbarer Anlass 78,5 % 76,6 % 78,2 % 79,5 % Rückwirkungsstörung (aus Kundenanlagen) 0,0 % 0,0 % 0,0 % 0,0 % Mittelspannungsnetz Störungsursache 2015 2016 2017 2018 Atmosphärische Einwirkung 0,0 % 1,7 % 0,0 % 1,0 % Einwirkung Dritter 7,5 % 10,5 % 19,9 % 7,9 % Zuständigkeit des Netzbetreibers/ kein erkennbarer Anlass 91,8 % 86,8 % 79,5 % 89,2 % Rückwirkungsstörung (aus Kundenanlagen) 0,7 % 1,2 % 0,6 % 1,9 % 1 Eine Störung hatte nur Auswirkungen auf Hochspannungskunden, daher in den folgenden Kennzahlen nicht enthalten. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20163 3 Hochspannungsnetz Störungsursache 2015 2016 2017 2018 Atmosphärische Einwirkung 0,0 % 0,0 % 50,0 % 100,0 % Einwirkung Dritter 50,0 % 100,0 % 0,0 % 0,0 % Zuständigkeit des Netzbetreibers/ kein erkennbarer Anlass 50,0 % 0,0 % 50,0 % 0,0 % Rückwirkungsstörung (aus Kundenanlagen) 0,0 % 0,0 % 0,0 % 0,0 % Die Häufigkeiten sind bezogen auf die Anzahl an Störungen mit Versorgungsunterbrechung . 5. Wie hat sich die Versorgung wichtiger öffentlicher Einrichtungen (zum Beispiel Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Standorte von Polizei und Feuerwehr et cetera) mit Notstromgeneratoren oder vergleichbaren Absicherungen seit 2015 entwickelt? Seit 2015 wurden die Notstromfähigkeiten von Polizei und Feuerwehr zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gefahrenabwehrbehörden in einer Krise stets fortentwickelt . Bei der Polizei sind grundsätzlich alle Polizeikommissariate, Wasserschutzpolizeikommissariate , das Polizeipräsidium sowie die Gebäude der Verkehrsdirektionen, der Bereitschaftspolizei und der Akademie mit fest installierten Notstromaggregaten ausgestattet . Die Feuerwehr Hamburg hat alle Feuer- und Rettungswachen, die Technik- und Umweltwache, die Feuerwehrakademie, die Feuerwehreinsatzzentrale sowie die Portalwachen mit festen Notstromaggregaten ausgerüstet. Die Freiwilligen Feuerwehren verfügen teilweise über die Anschlussmöglichkeit eines (externen) mobilen Notstromaggregats . Seit 2011 werden bei Neubauten für die Freiwilligen Feuerwehren regelhaft Einspeisestellen vorgesehen. Stationäre Pflegeeinrichtungen müssen eine Sicherheitsstromversorgung vorweisen, die bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung den Betrieb der Sicherheitsbeleuchtung , der Alarmierungseinrichtungen, der Brandmeldeanlage und gegebenenfalls einer Druckerhöhungsanlage für die Feuerlöscheinrichtung und die Bettenaufzüge sicherstellt. Über die batteriebetriebene Sicherheitsstromversorgung hinaus verfügt circa die Hälfte der stationären Hamburger Pflegeeinrichtungen über Netzersatzaggregate beziehungsweise Notstromaggregate (Stand: 2016). Die Investitionen in entsprechende Anlagen sind in den letzten Jahren gestiegen. Die Notstromgeräte werden von den Krankenhäusern regelmäßig gewartet und überprüft . Die Ausstattung der Hamburger Plankrankenhäuser mit erforderlichen Notstromaggregaten und Hinweise zu grundlegenden Erneuerungen seit 2015 sind in der Anlage dargestellt. 6. Wie hoch ist die Grundlast Hamburgs an einem durchschnittlichen Werktag , samstags und sonntags zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten ? 7. Wie hoch ist die Höchstlast Hamburgs an Werktagen, samstags und sonntags zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten? Der Verlauf schwankt kontinuierlich zwischen etwa 900 MW und 1 300 MW je nach Tages- und Jahreszeit. Eine statistische Auswertung erfolgt bei der SNH dazu nicht. Grundsätzlich ist die Grundlast im Hamburger Netz - montags bis freitags höher als am Wochenende, - tagsüber höher als nachts und - im Winter höher als im Sommer. Drucksache 21/20163 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Jahreshöchstlast wird jedes Jahr im Rahmen der Veröffentlichungspflichten auf der Internetseite von SNH als ¼-Stunden-Lastgang je Spannungsebene veröffentlicht. Die Zahlen für 2018 können unter https://www.stromnetz-hamburg.de/download/ %c2%a7-17-abs-2-nr-1-7-stromnzv-2/?wpdmdl=2536 heruntergeladen werden. Die Daten für 2019 werden voraussichtlich im April 2020 veröffentlicht. 8. Wie wird diese Grund- beziehungsweise Höchstlast in Hamburg sichergestellt ? Die Grund- beziehungsweise Höchstlast in Hamburg wird über den deutschen Strommarkt bereitgestellt. Eine Reihe von regulatorischen Instrumenten wie das Erneuerbare -Energien-Gesetz (EEG) und die Kapazitätsreserve nach § 13e Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) stellt eine umweltfreundliche, sichere und preisgerechte Stromversorgung sicher. Instrumente der Netzentwicklung sorgen für eine regelmäßige bedarfsgerechte Anpassung der Stromnetze und die Netzbetreiber für einen sicheren Betrieb. 9. Inwieweit führt die Versorgung Hamburgs mit Strom aus regenerativen Energien zu Problemen der Versorgung der Stadt mit Elektrizität (zum Beispiel bei Windflaute oder mangelnder Sonneneinstrahlung)? 10. Wie wird diesen Problemen begegnet (Stichwort Speicherkapazitäten, Zukauf aus dem Ausland et cetera)? Bisher sind im Verteilernetz Hamburg keine Beeinträchtigungen bekannt. 11. Welche Speichertechnologien und andere Möglichkeiten in Zeiten von Windflaute oder mangelnder Sonneneinstrahlung (zum Beispiel Powerto -Gas, Erzeugung von Wasserstoff et cetera) stehen in Hamburg aktuell zur Verfügung, werden erprobt beziehungsweise sollen wann einsatzbereit sein? Eine Reihe von Flexibilitätstechnologien wird in Hamburg derzeit erprobt. Dies geschieht etwa im Rahmen von NEW 4.0 und dem Norddeutschen Reallabor. 12. Welche Folge hätte eine perspektivische Abschaltung des Kohlekraftwerkes Moorburg auf die vorstehenden Fragestellungen konkret? Gegenwärtig befindet sich das Kohleausstiegsgesetz des Bundes im Gesetzgebungsverfahren . Es legt großen Wert auf die Versorgungssicherheit. So soll zum Beispiel die Systemrelevanz von Kraftwerken vor deren Abschaltung genau überprüft werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Versorgungssicherheit in Hamburg durch eine Abschaltung des Kraftwerks Moorburg nicht gefährdet wird. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20163 5 Anlage Potentiell zu versorgende Kritische Infrastruktur Hamburger Plankrankenhäuser Notstromversorgung stationär / mobil Baujahr Veränderungen Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 2010 Albertinen-Haus Netzersatzanlage (stationär) 1980 Albertinen-Krankenhaus - Haus C1+C2 Netzersatzanlage (stationär) 2014 Albertinen-Krankenhaus - Hogenfeld Netzersatzanlage (stationär) 2007 Albertinen-Krankenhaus - NEA Power Netzersatzanlage (stationär) 2010 Altonaer Kinderkrankenhaus Netzersatzanlage (stationär) 2015 Asklepios Westklinikum Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 2014 Asklepios Klinik Altona - Haupthaus Netzersatzanlage (stationär) 2014 Erneuerung 2020 Asklepios Klinik Altona – Kesselhaus/ Container Netzersatzanlage (stationär) 1999 Erneuerung 2020 Asklepios Klinik Barmbek Netzersatzanlage (stationär) 2005 Asklepios Klinik Nord - BT Heidberg Netzersatzanlage (stationär) 2007 Erneuerung 2019/2020 Asklepios Klinik Nord - BT Ochsenzoll Netzersatzanlage (stationär) 2008 Erneuerung 2020 Asklepios Klinik St.-Georg Netzersatzanlage (stationär) 1999 Erneuerung 2018 Asklepios Klinik Wandsbek Netzersatzanlage (stationär) 2005 Ergänzung 2018 Asklepios Klinikum Harburg Netzersatzanlage (stationär) 2012 Atos Klinik Fleetinsel Netzersatzanlage (stationär) unbekannt Erneuerung 2019 Bethesda Krankenhaus Bergedorf Netzersatzanlage (stationär) 2004 BG Klinikum Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 1989 Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 1991 Ev. Amalie-Sieveking Krankenhaus Netzersatzanlage (stationär) 2005 Ev. Krankenhaus Alsterdorf Netzersatzanlage (stationär) 2012 Facharztklinik Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 2008 Helios Endo-Klinik Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 2008 Helios Mariahilf Klinik Hamburg Netzersatzanlage (stationär) 2012 Israelitisches Krankenhaus Netzersatzanlage (stationär) 2004 Kath.Kinderkrankenhaus Wilhelmstift Netzersatzanlage (stationär) 1987 Erneuerung 2017 Katholisches Marienkrankenhaus Netzersatzanlage (stationär) 2006 Ergänzung 2020 geplant Drucksache 21/20163 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Potentiell zu versorgende Kritische Infrastruktur Hamburger Plankrankenhäuser Notstromversorgung stationär / mobil Baujahr Veränderungen Klinik Dr. Guth Netzersatzanlage (stationär) 1996 Krankenhaus Jerusalem Netzersatzanlage (stationär) 1980 Erneuerung 2019 Krankenhaus Tabea Netzersatzanlage (stationär) 1987 Praxisklinik Bergedorf - 2 OP Netzersatzanlage (stationär) 1992 Praxisklinik Bergedorf - Station Netzersatzanlage (stationär) 1994 Schön Klinik Hamburg Eilbek Netzersatzanlage (stationär) 2002 SKH Stadtteilklinik Hamburg - Station Netzersatzanlage (stationär) 2003 Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Netzersatzanlage (stationär) 2013 Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand Netzersatzanlage (stationär) 2014