BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20169 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 12.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Radikalisierungstendenzen bei Gefangenen schneller erkennen – laufen regelmäßige Sicherheitsanfragen? (III) Die Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/20038 zeigt deutlich , dass der Senat das Problem der Radikalisierung von Gefangenen schleifen lässt. Bis heute gibt es keine automatisierten Sicherheitsanfragen, obwohl die gesetzliche Grundlage dafür bereits vor fast zwei Jahren geschaffen wurde. Bis heute gibt es auch keine einheitliche Vorgabe der Justizbehörde an die Justizvollzugsanstalten zur Prüfung im Hinblick auf die Frage, ob ein Gefangener auf der Terror-Liste steht. Trotz der Panne bei der unrechtmäßigen Auszahlung von Geldern an den Gefangenen al-Motassadeq hielt es der Senator auch nicht für nötig, die Handlungsanweisung aus dem Jahr 2007 zu aktualisieren; vielmehr hat er lediglich die Verantwortung von der Zahlstelle auf die Anstaltsleitung verlagert. Der Senat gibt in der Drs. 21/20038 an, dass sich aktuell insgesamt 18 Gefangene in Hamburgs Justizvollzugsanstalten befinden, bei denen Radikalisierungstendenzen bestehen, ohne dass die Anlasstat dem Bereich der Staatsschutzdelikte zuzuordnen ist oder einen Extremismusbezug aufweist. Diese würden besonders beobachtet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Es sind bereits jetzt unterschiedliche Maßnahmen in Kraft, um Gefangene zu identifizieren , deren Anlassdelikte zwar keinen Extremismusbezug aufweisen, die aber bereits beim Zugang oder erst im Verlauf der Haft mindestens erste Anzeichen aufweisen , sich in einem Radikalisierungsprozess zu befinden: Vollzugsspezifische sogenannte Basis-Fortbildungen der Bediensteten durch das Projekt Legato PräJus – Islamismusprävention im justiziellen Feld – vermitteln Grundkenntnisse zum Themenfeld. Auf diese Weise wird für eine erhöhte Sensibilität des Vollzuges im Hinblick auf mögliche Anhaltspunkte gesorgt. Liegen Hinweise auf eine derartige kritische politische oder religiöse Motivation vor, wird im Rahmen eines engen Austausches des Justizvollzuges mit den Sicherheitsbehörden eine Erkenntnisanfrage an die zuständigen Abteilungen gerichtet. In den Anstalten sind zudem Beauftragte für Extremismus beschäftigt, die dort als zentrale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner fungieren. Sie stellen den regelmäßigen Informationsfluss zwischen Justizvollzugsanstalt, Aufsichtsbehörde und gegebenenfalls den Sicherheitsbehörden sicher. Ein besonders geschulter Psychologe in der Justizbehörde ist zuständig für die Erstellung einer extremismusspezifischen Risikoeinschätzung bei rechtskräftig verurteilten Gefangenen, deren Anlassdelikt einen Extremismusbezug aufweist, sowie bei Gefangenen, deren Anlassdelikt in einem anderen Bereich liegt, bei denen sich aber Hinweise auf einen Radikalisierungsprozess häufen. Die so gewonnene professionelle, strukturierte Einschätzung Drucksache 21/20169 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 des Risikopotenzials dient der Planung vollzuglicher Maßnahmen und Entscheidungen . Die zuständige Behörde arbeitet darüber hinaus weiterhin mit Nachdruck an der Schaffung der notwendigen rechtlichen und technischen Voraussetzungen für eine ebenso funktionstüchtige wie sichere Inbetriebnahme des automatisierten Abrufverfahrens . Nach dem aktuellen Planungsstand soll das in Drs. 21/18219 beschriebene technische Verfahren für die Sicherheitsanfragen zu den Gefangenen bis Mitte des Jahres 2020 zugelassen und zunächst in zwei sowie zeitnah auch in den weiteren Hamburger Justizvollzugsanstalten in Betrieb genommen werden. Für die Umsetzung des beschriebenen technischen Verfahrens muss eine neue Version von BASIS-Web implementiert werden. Die im März 2019 in Betrieb genommene Testversion wies noch Fehler auf, sodass der Hersteller des Programmes nachbessern musste. Anfang des Jahres wurde eine angepasste Testversion installiert. Die Testung wird voraussichtlich binnen der nächsten zwei Monate erfolgen. Nach erfolgreichem Abschluss kann eine Freigabe erfolgen. Die Ende des Jahres 2019 noch ausstehende Freigabe durch das Informationssicherheitsmanagement der Polizei ist Anfang Februar 2020 erfolgt, sodass diese nunmehr zur Durchführung des automatisierten Abrufverfahrens in der Lage ist. Die Rechtsverordnung gemäß § 15 Absatz 14 HmbJVollzDSG ist unterschriftsreif vorbereitet . Sie wurde lediglich noch nicht erlassen, da sie als Grundlage für ein einsatzbereites technisches Verfahren dient. Unabhängig von der Inbetriebnahme dieses technischen Verfahrens besteht bereits ein Austausch über sicherheitsrelevante Informationen zwischen den entsprechenden Behörden. Im Übrigen siehe Protokoll des Ausschusses für Justiz und Datenschutz Nr. 21/39. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Was umfasst die besondere Beobachtung? 2. Inwiefern werden hierbei Trennungen oder sonstige Einschränkungen vorgenommen? Eine Beobachtung umfasst das Sammeln und Auswerten von Informationen. Zur besonderen Beobachtung werden unterschiedlich intensive Maßnahmen gezählt. Dazu gehören unter anderem häufigere, unregelmäßige Haftraumrevisionen, Überprüfung der Kontobewegungen, der Besuchs-, Telefon- und Briefkontakte sowie eine erhöhte Aufmerksamkeit im Hinblick auf Äußerungen und Verhalten der Person in unterschiedlichen Sozialkontexten. Trennung oder sonstige Beschränkungen hingegen sind vollzugliche Maßnahmen, die unter anderem der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dienen können. Die Einleitung solcher Maßnahmen kann sich aus den Ergebnissen der Beobachtungen ableiten. 3. Zwei der auffälligen Gefangenen befinden sich im offenen Vollzug in der JVA Glasmoor. a. Wie erfolgt hier die besondere Beobachtung? b. Weshalb stehen Radikalisierungstendenzen einer Eignung für den offenen Vollzug nicht entgegen? Nach § 11 Absatz 2 Satz 2 Hamburgisches Strafvollzugsgesetz sind Gefangene für die Unterbringung im offenen Vollzug geeignet, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs genügen, insbesondere wenn nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werden. Insoweit handelt es sich bei der Entscheidung über eine Unterbringung im offenen Vollzug um eine Prognoseentscheidung, die sich auf den konkreten Einzelfall bezieht. Ob die Eignung gegeben ist, muss die Justizvollzugsanstalt in jedem Einzelfall überprüfen. Bejaht sie die Eignung anhand der gesetzlichen Kriterien, ist sie verpflichtet, den Betroffenen in den offenen Vollzug zu verlegen. Soweit allein Anhaltspunkte für etwaige Radikalisierungstendenzen vorliegen, werden diese Erkenntnisse in die Prognoseentscheidung einbezogen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2.