BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20171 21. Wahlperiode 18.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 12.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Handschellen bei unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten „die tageszeitung“ berichtete am 16.01.2020 davon, dass in Bremen minderjährige , unbegleitete Geflüchtete bei ihrer „Umverteilung“ in andere Geflüchtetenunterkünfte mit Handschellen gefesselt worden seien.1 In dem Artikel kommt auch der Bremer Flüchtlingsrat zu Wort, dem zwei solcher Fälle bekannt seien. Dabei sei es nicht nur zur Fesselung der Hände mittels Handschellen bei der Abholung der Minderjährigen gekommen, sondern in beiden Fällen hätten die Betroffenen die Handschellen auch während der mehrstündigen Autofahrt tragen müssen. Es habe dafür keinerlei Anlass gegeben, es habe sich lediglich um eine „Umverteilung“ zur Durchsetzung einer Maßnahme der Jugendhilfe gehandelt, nach der unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach einer bestimmten Quote verteilt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der polizeilichen Praxis bei der Umverteilung von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten in Hamburg . Wir fragen den Senat: 1. Wie ist der übliche Ablauf bei der Umverteilung unbegleiteter, minderjähriger Geflüchteter in oder aus Hamburg? Die Inobhutnahme von unbegleiteten, minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern und die bundesweite Verteilung sind gesetzlich geregelt, Gesetzesgrundlage ist § 42a fortfolgende SGB VIII. Das Verfahren der Verteilung ist zwischen den Bundesländern abgestimmt und wird unter Beteiligung des Bundesverwaltungsamtes durchgeführt. Auf dieser Grundlage wird konkret wie folgt verfahren: A. Verteilung aus Hamburg in andere Bundesländer und Kommunen Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII wird geprüft, ob die Voraussetzungen für die Inobhutnahme tatsächlich vorliegen. Ein wichtiger Prüfpunkt ist dabei die Altersfeststellung nach § 42 folgende SGB VIII. Bereits beim Aufnahmegespräch zur Prüfung der Voraussetzung des Inobhutnahmebegehrens wird die in Obhut genommene Person über eine mögliche Verteilung aufgeklärt. Liegen die Voraussetzungen weiter vor, wird unter Beteiligung des Kindes beziehungsweise Jugendlichen geprüft, ob Ausschlussgründe für eine Verteilung vorliegen (§ 42a Absatz 2 SGB VIII und § 42b Absatz 4 SGB VIII). Gegenüber dem Bundesverwaltungsamt sind alle Inobhutnahmen anzuzeigen einschließlich der Information, ob 1 https://taz.de/Kindeswohlgefaehrdung-in-Bremen/!5653928/. Drucksache 21/20171 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 eine Verteilung erfolgen kann oder ausgeschlossen ist (§ 42a Absatz 4 SGB VIII). Das Bundesverwaltungsamt benennt auf der Grundlage der aus allen Ländern eigehenden Meldungen und der länderspezifischen Aufnahmequote gemäß § 42c SGB VIII dasjenige Bundesland, das zur Aufnahme eines Verteilfalles verpflichtet ist. Die Meldung wird gegenüber der Landesverteilstelle des benannten Bundeslandes abgegeben. Dieses verpflichtet auf Grundlage der länderspezifischen Regelung ein kommunales Jugendamt zur Aufnahme. Eine Meldung ergeht auch an den Fachdienst Flüchtlinge (FDF) des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) in Hamburg (§ 42b Absatz 2 SGB VIII). Der Fachdienst ist als Jugendamt zentral für ganz Hamburg für die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII und das Verteilverfahren in ein anderes Bundesland zuständig. Der Fachdienst übernimmt alle jugendamtlichen Aufgaben während der Inobhutnahme einschließlich ihrer Beendigung. Zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Jugendamt wird die Übergabe der beziehungsweise des unbegleiteten minderjährigen Ausländers abgesprochen. Das abgebende Jugendamt ist für die Überführung des beziehungsweise der unbegleiteten minderjährigen Ausländers verpflichtet. Bei einer Verteilung von Hamburg in ein anderes Bundesland ist die Überführung damit Aufgabe des Fachdienstes Flüchtlinge . Die beziehungsweise der unbegleitete minderjährige Ausländer wird über die getroffene Verteilentscheidung informiert und auf die Fahrt an den Zielort vorbereitet. Die Fahrt und Übergabe am Zielort wird vom Fachdienst Flüchtlinge entsprechend den Anforderungen des § 42a Absatz 5 SGB VIII durchgeführt. B. Verteilung anderer Kommunen nach Hamburg Bei einer Verteilung einer beziehungsweise eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers aus einem anderen Bundesland nach Hamburg findet das unter A. beschriebene Verfahren analog statt. Die beziehungsweise der unbegleitete minderjährige Ausländer wird regelhaft beim Fachdienst Flüchtlinge in Empfang und nach § 42 Absatz 1 Nummer 3 SGB VIII in Obhut genommen. Bestehen Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen der Inobhutnahme wird von Amts wegen eine Überprüfung vorgenommen . Zweifel können sich insbesondere bezüglich der Alterseinschätzung des abgebenden Jugendamtes ergeben. 2. Wie viele unbegleitete, minderjährige Geflüchtete wurden seit dem 01.01.2018 innerhalb Hamburgs oder aus Hamburg in ein anderes Bundesland umverteilt? Bitte getrennt für 2018 und 2019 nach Geschlecht und Alter aufschlüsseln. Aufgrund der Stadtstaatensituation findet eine Verteilung nach § 42b SGB VIII innerhalb Hamburgs nicht statt. Nach Beendigung der Inobhutnahme der in Hamburg verbleibenden unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer und Gewährung einer Anschlusshilfe im Rahmen der Jugendhilfe wird die Zuständigkeit an eines der sieben bezirklichen Jugendämter abgegeben. Die Verteilung in andere Bundesländer erfolgte wie folgt: Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern 2018 Alter Geschlecht Gesamt m w 14 1 / 1 15 6 / 6 16 5 1 6 17 12 3 15 Gesamt 24 4 28 Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern 2019 Alter Geschlecht Gesamt m w 9 1 / 1 13 2 / 2 14 / 1 1 15 6 3 9 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20171 3 Alter Geschlecht Gesamt m w 16 13 4 17 17 13 5 18 Gesamt 35 13 48 Quelle: Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) 3. Bei wie vielen der Umverteilungen von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten erfolgte bei der Durchführung der Umverteilung eine Fesselung mittels Handfesseln? Bitte nach Jahren aufschlüsseln und den Zeitpunkt, Kurzsachverhalt angeben, sowie die Gründe ausführen, aus denen die Fesselung erfolgte. 4. Bei wie vielen der Umverteilungen von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten seit dem 01.01.2018 wurden anderen Formen des unmittelbaren Zwangs eingesetzt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln und Kurzsachverhalt angeben, sowie die Gründe ausführen, aus denen die Anwendung unmittelbaren Zwanges erfolgte. In keinem Fall. 5. Wie ist der übliche Ablauf bei der Umverteilung unbegleiteter, minderjähriger Geflüchteter in oder aus Hamburg? Siehe Antwort zu 1. 6. Wie viele Einrichtungen zur Unterbringung von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten wurden seit dem 01.11.2015 geschlossen und welche Einrichtungen sind das? Am 01.11.2015 wurden neben Einrichtungen für einen längerfristigen Betrieb auch Anmietungen für eine übergangsweise Nutzung, in der Regel nur für wenige Monate, als Betreuungseinrichtung genutzt. In der anliegenden Übersicht sind die 32 Objekte, die zur Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern genutzt und aufgrund stark sinkender Zahlen nach Hamburg einreisender unbegleiteter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer mittlerweile aufgegeben wurden, aufgeführt. Drucksache 21/20171 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Seit dem 01.11.2015 geschlossene Einrichtungen zu Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern Straße PLZ Stadtteil Bezirk Stein-Hardenberg-Straße 124 22045 Tonndorf Wandsbek Lerchenkamp 8a 22459 Niendorf Eimsbüttel Alsterdorfer Markt 4 22297 Alsterdorf Hamburg-Nord Bruktererweg 1 22455 Niendorf Eimsbüttel Wellingsbüttler Landstraße 19 22337 Ohlsdorf Hamburg-Nord Mannesallee 21 21107 Wilhelmsburg Hamburg-Mitte Nerlichsweg 10 20535 Borgfelde Hamburg-Mitte Marckmannstraße 25 20539 Rothenburgsort Hamburg-Mitte Kollaustraße 150 22453 Niendorf Eimsbüttel Bullerdeich 6-8 20537 Hammerbrook Hamburg-Mitte Hammer Straße 124 22043 Marienthal Wandsbek Menckesallee 17 22089 Wandsbek Wandsbek Auf dem Königslande 92 22047 Wandsbek Wandsbek Jugendparkweg 58 22415 Langenhorn Hamburg-Nord Oehleckerring 20 22419 Langenhorn Hamburg-Nord Petunienweg 100 22395 Sasel Wandsbek Stargarder Straße 62 22147 Rahlstedt Wandsbek Kielkoppelstraße 16c 22149 Rahlstedt Wandsbek Stapelfelder Straße 7 22143 Rahlstedt Wandsbek Bötelkamp 32 22529 Lokstedt Eimsbüttel Cuxhavener Straße 188 a-c 21149 Neugraben-Fischbek Harburg Nöldekestraße 17 21079 Wilsdorf Harburg Billwerder Billdeich 648 c 21033 Billwerder Bergedorf Lerchenfeld 4 22081 Barmbek-Süd Hamburg-Nord Billwerder Straße 31 21033 Billwerder Bergedorf Haldesdorfer Straße 111 22179 Bramfeld Wandsbek Krausestraße 96 a 22049 Dulsberg Hamburg-Nord Flughafenstraße 89 22415 Hummelsbüttel Wandsbek Kurfürstendeich 41 21073 Allermöhe Bergedorf Eiffestraße 398 20537 Borgfelde Hamburg-Mitte Hohe Liedt 67 22417 Langenhorn Hamburg-Nord Dehnhaide 161 a-b 22049 Dulsberg Hamburg-Nord Quelle: Landebetrieb Erziehung und Beratung (LEB)