BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20194 21. Wahlperiode 21.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.02.20 und Antwort des Senats Betr.: G20 – Einsatz der MZP 1 Die Fragestellerin hat Kenntnis darüber, dass nach dem G20-Gipfel mindestens eine Strafanzeige gegen mehrere Polizeieinheiten wegen der Verwendung der MZP 1 während des G20-Gipfels in Hamburg gestellt wurde. Durch Schriftliche Kleine Anfragen wurde herausgearbeitet, dass während des G20-Gipfels verschiedene Einheiten (nach Stand vom 15.08.2017 die jeweiligen Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften Sachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen, sowie das Unterstützungskommando Bayern, vergleiche Drs. 21/10029, und das SEK Sachsen, vergleiche Drs. 21/10063) den Granatenwerfer MZP 1 der Firma Heckler & Koch GmbH eingesetzt haben. § 18 Absatz 4 SOG in der damals gültigen Fassung regelt die für die Hamburger Polizei zugelassenen Waffen abschließend. Dort heißt es: „Als Waffen sind Schlagstock, Distanz-Elektroimpulsgerät, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen“. Bei der MZP 1 handelt es sich allerdings um eine Granatpistole, die eine Unterform eines Granatwerfers darstellt. Eine solche Waffenkategorie ist entsprechend der abschließenden Regelung des § 18 Absatz 4 SOG a.F. in Hamburg nicht zugelassen. Der Senat hat in der Antwort auf Drs. 21/10063 die Auffassung vertreten, es handele sich hingegen bei der MZP 1 um eine Pistole im Sinne des § 18 Absatz 4 SOG a.F. Ich frage den Senat: Der Einsatz von Reizstoffen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt richtet sich nach den Vorschriften der Zwangsanwendung. Entsprechend darf und wird von der Polizei nur in entsprechenden Fällen von dem Einsatz von Reizstoffen Gebrauch gemacht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Reizstoffen in erster Linie in Situationen erfolgt, in denen ansonsten andere Zwangsmittel wie körperliche Gewalt, Schlagstockeinsatz oder gegebenenfalls auch der Schusswaffengebrauch drohen. Der Einsatz von Reizstoffen kann hier das Verletzungsrisiko deutlich begrenzen und ist insofern das mildere Mittel. Der Einsatz von Reizstoffen mittels Abschussvorrichtungen – sogenannte Mehrzweckpistolen (MZP) – ist grundsätzlich nach den Vorschriften der Zwangsanwendung auch in Hamburg zulässig; die Polizei Hamburg setzt diese jedoch nicht ein. Konstruktionsbedingt sind MZP rechtlich nicht als Granatwerfer, sondern als Pistolen einzuordnen und sind somit auch unter dem Begriff Pistole gemäß § 18 Absatz 4 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) zu subsumie- Drucksache 21/20194 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ren. Sie können technisch zum Abschuss von Reizstoffen, Gummigeschossen und Rauchpatronen verwendet werden. Siehe auch bereits Drs. 21/10029. Im Übrigen verfügt die Polizei nicht über Granatpistolen oder Granatwerfer. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Strafanzeigen gegen Polizeikräfte gab es wegen der Verwendung der MZP 1 während des G20-Gipfels in Hamburg? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte gab es wegen der Verwendung der MZP 1 während des G20-Gipfels in Hamburg? 3. Welchen Ursprung hatten die jeweiligen Verfahren (Hinweisgeber, Geschädigte, Dezernat Interne Ermittlungen, Soko beziehungsweise Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“ et cetera)? Dem Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) liegen keine Strafanzeigen oder Ermittlungsverfahren vor. 4. Haben das Dezernat Interne Ermittlungen oder die Staatsanwaltschaft aufgrund der Hinweise, dass es sich bei der MZP 1 um eine in Hamburg nicht zugelassene und damit illegal eingesetzte Waffe handeln könnte, Ermittlungen aufgenommen? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden ergriffen und wie ist der Stand? Wenn nein, warum nicht? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/10029. 5. Laut Antwort in Drs. 21/10029 vom 15.08.2017 wurde die MZP 1 von den jeweiligen Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften Sachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen, sowie dem Unterstützungskommando Bayern und nach Antwort in Drs. 21/10063 auch vom SEK Sachsen eingesetzt. Dabei handelte es sich nach Antwort des Senats um eine vorläufige Erhebung. Wie viele MZP 1 wurden durch welche Einheiten welcher Länderpolizeien beziehungsweise der Bundespolizei nach endgültigem Sachstand eingesetzt? Bitte aufgeschlüsselt nach Einheiten, der jeweiligen Anzahl der MZP 1 und der jeweils eingesetzten Munition (Gummigeschoss, Rauchpatronen, Reizstoff et cetera)? Eine statistische Erhebung der Anzahl der jeweils eingesetzten MZP Typ 1 wurde anlässlich der Nachbereitung des G20-Einsatzes, wie zum Beispiel auch eine Erhebung der Anzahl der eingesetzten Schlagstöcke, als nicht erforderlich angesehen; aus der vorliegenden Berichtslage geht diese nicht vollumfänglich hervor und ist teilweise nicht mehr nachvollziehbar. Die bekannten Daten sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt: Einheit Anzahl eingesetzte MZP Munition Bayern, Unterstützungskommando 3 9x Reizstoff Hessen, Beweissicherungs- und Festnahme Hundertschaft 2 2x Reizstoff Rheinland Pfalz, Beweissicherungsund Festnahme Hundertschaft 4 11x Reizstoff Sachsen, Spezialeinsatzkräfte 2 15x Gummigeschosse Sachsen, Beweissicherungs- und Festnahme Hundertschaft nicht bekannt 22x Reizstoff 4x Übungsrauchpatronen Thüringen, Beweissicherungs- und Festnahme Hundertschaft nicht bekannt 18x Reizstoff Abweichungen zu den Darstellungen in der Drs. 21/10029 ergeben sich aus der abschließenden Bearbeitung der zugrunde liegenden Sachverhalte. 6. Laut Drs. 21/10029 waren zum Zeitpunkt der acht Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Reizstoffen beim Dezernat interne Ermittlungen anhängig. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20194 3 Reizstoffen hat es insgesamt gegeben, in wie vielen Fällen wurde der Reizstoff mittels einer MZP 1 eingesetzt und wie ist der Stand der in der Drs. 21/10029 genannten acht Verfahren? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA wird nicht erfasst, welcher Tatvorwurf im Einzelnen einem wegen § 340 StGB geführten Verfahren zugrunde liegt und welches Tatmittel dabei gegebenenfalls verwendet wurde. Die notwendige händische Auswertung der im unteren dreistelligen Bereich liegenden Anzahl von Verfahren ist innerhalb der zur Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. In den benannten acht Verfahren dauern mit Stand 14. Februar 2020 die Ermittlungen in vier Verfahren an; vier Verfahren wurden gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, da Täterschaft, Tat oder Tatumstände nicht nachweisbar waren. 7. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte gab es insgesamt im Zusammenhang mit dem Einsatz von Gummigeschossen, in wie vielen Fällen wurden das Gummigeschoss aus einer MZP 1 eingesetzt und wie ist der Stand der Verfahren? Den zuständigen Behörden liegen keine Ermittlungsverfahren vor.