BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20196 21. Wahlperiode 21.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 13.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Hat die Finanzbehörde an einem Billigkeitserlass mit der M.M.Warburg gearbeitet? In der Zeitung „Die Zeit“ vom 13.2.2020 wird ausgeführt, dass es Arbeiten für einen sogenannten Billigkeitserlass zwischen der Finanzbehörde und der M.M.Warburg & CO gegeben habe, der den Steuerdiebstahl durch Cum-Ex- Geschäfte abschließend erledigt hätte und eine weitere strafrechtliche Verfolgung unmöglich gemacht hätte. Die Hamburger Finanzbehörde lässt sich in der Zeitung „Die Zeit“ mit dem Satz zitieren: „Rein rechtlich gebe es zudem in Fällen, in denen ein Sachverhalt schwer zu ermitteln sei, die Möglichkeit, zu einer Verständigung zu kommen.“ Abschließend heißt es, dass lediglich durch Intervention in Berlin ein solcher Deal, der mutmaßlich zugunsten der M.M.Warburg ausgefallen wäre, unterbunden werden konnte. Nach Recherchen von Panorama und „Die Zeit“ wollten die Warburg-Bank und die Finanzbehörde diesem Urteil mit einer sogenannten Billigkeitslösung zuvorkommen. Eine zwischen der Finanzverwaltung Hamburg und der Warburg -Bank erarbeitete Lösung sah vor, dass die Privatbank nur 68 Millionen Euro hätte zurückzahlen müssen und die Stadt somit auf fast 100 Millionen Euro verzichtet hätte. Ich frage den Senat: Bei den als sogenannte Cum-Ex-Geschäfte bezeichneten Geschäftsvorfällen im Bankenbereich handelt es sich regelmäßig um sehr komplexe, im Rahmen von steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungen festzustellende Sachverhalte. Das Aufdecken der Geschäfte vollzieht sich daher in vielen kleinen Schritten. Alle verdächtig wirkenden Geschäftevorgänge werden hinterfragt. Der gesamte Prozess ist sehr zeit- und arbeitsintensiv und erfordert ein besonderes Verständnis für das Bankwesen. Die Ermittlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten, wie sie hier regelmäßig vorliegen , ist sehr zeitaufwändig und führt nicht immer zu dem gewünschten Erfolg bei der Aufklärung des Sachverhalts. Wenn ausländische Banken und/oder Wertpapierhändler eingeschaltet sind, ist die Sachverhaltsaufklärung maßgebend von der Gewährung ausländischer Amts- und Rechtshilfe abhängig. Grundsätzlich gehen die Finanzbehörden in Hamburg jedem hier vorliegenden Hinweis auf mögliche Fallgestaltungen in diesem Bereich nach. Insbesondere das Finanzamt für Großunternehmen hat diese Hinweise im Rahmen der Prüfung von in Hamburg ansässigen Banken geprüft. Die dabei festgestellten Sachverhalte wurden dann – soweit strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen waren – über das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Würdigung zugeleitet. In den hier bekannten Fällen haben alle Stellen der Hamburger Finanzverwaltung eng zusammengearbeitet. Aufgrund der möglichen Schadenshöhe wäre in diesen Fällen, soweit ein strafrechtlicher Anfangs- Drucksache 21/20196 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 verdacht zu bejahen wäre, regelmäßig die Staatsanwaltschaft nach den einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und der Strafprozessordnung für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständig. Die Finanzbehörden in Hamburg unternehmen alle Anstrengungen, um Cum-Ex- Geschäfte aufzudecken. Die Beweislast dafür liegt bei den Finanzbehörden. Solange einem Kreditinstitut nicht nachgewiesen werden kann, dass es Cum-Ex-Geschäfte getätigt hat, kommt eine Rückforderung von Kapitalertragsteuer rechtlich nicht in Betracht. Daher wird, solange ein entsprechender Verdacht besteht, alles daran gesetzt, derartige Geschäfte nachzuweisen. Hamburg gehörte zu den ersten Ländern, die diese Strukturen schon seit 2010 ermitteln und sie bis zum Bundesfinanzhof erfolgreich verfolgt haben. Vor diesem Hintergrund hat die Leitung der Hamburger Steuerverwaltung folgende Erklärung abgegeben: „Die in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit geführte Diskussion zu Cum-Ex Geschäften hat augenscheinlich zu vielen Missverständnissen geführt. Aus diesem Grunde sehe ich mich als Leiter der Hamburger Steuerverwaltung veranlasst, losgelöst von einem konkreten steuerlichen Einzelfall eine allgemeine Klarstellung zu geben. Das aus dem Grundgesetz abgeleitete Rechtsstaatsprinzip verlangt von einer Eingriffsverwaltung wie der Steuerverwaltung, dass sie im Zeitpunkt, in dem sie eine belastende Maßnahme, z.B. den Erlass eines Steuerbescheids, ergreift, dies auf Basis eines belastbar ermittelten Sachverhalts tut und von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme überzeugt ist. Sie darf – egal, ob im Veranlagungsinnendienst oder in der Außenprüfung – keinesfalls eine Maßnahme ergreifen in der Hoffnung, die zu seiner Begründung erforderlichen Sachkenntnisse werden in nächster Zukunft noch gefunden bzw. hinreichend konkretisiert werden können. Gleichzeitig müssen in diesem Moment die mit einem evtl. hieraus erwachsenden Rechtsstreit verbundenen Risiken für den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg abgewogen werden, sollten die Gerichte letztlich einer Argumentation der Steuerverwaltung nicht folgen. Neben Zinsen, Prozess- und Anwaltskosten sind insbesondere drohende Amtshaftungsansprüche in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, deren in der Regel nicht bezifferbare Höhe möglicherweise den Steueranspruch weit übersteigen kann. Die Hamburger Steuerverwaltung handelt ausschließlich aufgrund von Recht und Gesetz. Sie setzt die nach dem Gesetz zu fordernde Steuer allein unter Beachtung der maßgeblichen Rechtsauffassungen und Steuerverwaltungspraxis fest. Dabei behält sie auch in der Folgezeit Entwicklungen der Rechtsprechung oder der Gesetzgebung im Auge, die es ermöglichen können, vermeintlich verjährte Ansprüche doch noch realisieren zu können. Dabei geht es stets darum, die steuerlichen Entscheidungen so zu treffen, dass sie vor Gericht auch Bestand haben. Es hat in Hamburg weder bezüglich von Cum-Ex-Gestaltungen noch sonst Versuche gegeben, politisch auf Entscheidungen der Steuerverwaltung Einfluss zu nehmen. Es hat in Hamburg im Zusammenhang mit Cum-Ex-Gestaltungen keinen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder Erlass von Steuern gegeben. Das Instrument des Vergleichs ist zudem im Steuerrecht nicht zulässig. Ebenso wenig hat die Steuerverwaltung zu irgendeinem Zeitpunkt „Billigkeitslösungen“ vorgeschlagen oder gar ausgearbeitet. Dies ist gesetzlich nicht vorgesehen, sondern die Verwaltung reagiert im gesetzlich zulässigen Rahmen auf etwaige Anträge von Steuerpflichtigen und/oder ihren Beratern. Sofern Cum-Ex-Geschäfte ausreichend nachgewiesen werden können , wird die entsprechende Kapitalertragsteuer ausnahmslos zurückgefordert. Grundsätzlich entscheiden die Finanzämter in eigener Zuständigkeit. Im Rahmen der Fachaufsicht oder bei in rechtlich und/oder tatsächlich besonders gelagerten Einzelfällen informieren sie die zuständigen Referate oder Abteilungen im Amt 5 (Steuerverwaltung ) in der Finanzbehörde oder binden diese ggf. in die Entscheidungen ein. Nur in ganz seltenen Einzelfällen wird auch die Leitung des Amtes 5 einbezogen oder die Staatsrätin bzw. der Präses der Finanzbehörde informiert.“ Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20196 3 Im Hinblick auf das Steuergeheimnis nach § 30 Absatz 1 und 2 der Abgabenordnung ist der Senat daran gehindert, Auskünfte zu einem Einzelfall zu erteilen. Daher sind konkrete Angaben – und zwar weder in positiver noch in negativer Hinsicht – nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 21/12088, Drs. 21/18036 sowie Drs. 21/18881. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Haben der Senat und die ihm untergebene Finanzbehörde an einem Billigkeitserlass oder einem vergleichbaren Instrument mit der M.M.Warburg gearbeitet? a. Wenn ja, wann wurde an einer solchen Lösung gearbeitet? b. Wer hat an einer solchen Lösung gearbeitet? c. War dem Finanzsenator die Arbeit an einer solchen Lösung bekannt? d. Wenn ja, ist es zutreffend, dass Vertreter der Finanzbehörde mit einem fertigen Entwurf für eine solche Regelung eine Zustimmung des Bundesfinanzministeriums gesucht haben? e. Wären die jetzt bekannt gewordenen strafrechtlichen Ermittlungen auch nach Abschluss eines Billigkeitserlasses durchführbar gewesen ? f. Welcher finanzielle Nachteil wäre dem öffentlichen Haushalt entstanden , wenn ein solcher Billigkeitserlass statt der jetzt bekannt gewordenen Strafe mit der M.M.Warburg abgeschlossen worden wäre? 2. Werden betreffend mutmaßlicher Cum-Ex- und Cum-Cum-Prozesse derzeit Verhandlungen, wie oben dargestellt, zur Herstellung einer außergerichtlichen Einigung mit Banken geführt? Siehe Vorbemerkung.