BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20198 21. Wahlperiode 21.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 13.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Cum-Ex-Skandal – Verzichtete die Finanzbehörde auf 47 Millionen Euro? Neben vielen anderen Banken steht auch die Hamburger Privatbank M.M.Warburg im Verdacht, mit Cum-Ex-Geschäften mehrere Hundert Millionen Euro Steuergelder unrechtmäßigerweise erlangt zu haben. Anders als in anderen Bundesländern wie beispielsweise Hessen (Ausschussvorlage RTA 20/4) und Nordrhein-Westfalen (17/2470), hat der Senat eine inhaltliche Beantwortung entsprechender Fragen in Parlamentarischen Anfragen stets mit dem pauschalen Hinweis auf das Steuergeheimnis verweigert. „Der Senat ist im Hinblick auf das Steuergeheimnis nach § 30 Absatz 1 und 2 der Abgabenordnung daran gehindert, solche Auskünfte zu erteilen, die Rückschlüsse auf die jeweiligen Einzelfälle zulassen würden.“, heißt es beispielsweise in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage, Drs. 21/19283. Weshalb der Senat unter Berufung auf die Abgabenordnung nicht einmal die reine Anzahl der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren auf meine Anfrage nennen konnte beziehungsweise wollte, verwunderte schon sehr. In Anbetracht des ausführlichen und brisanten Artikels „M.M. Warburg Das Millionen -Geschenk“ in der Zeitung „Die Zeit“ vom 13. Februar 2020 erschließt sich der Grund für diese Verschleierungstaktik indes deutlich (https://www.zeit.de/2020/08/m-m-warburg-privatbank-cum-ex-anspruechestaat ). Demzufolge informierte das Bundesfinanzministerium die Hamburger Finanzbehörde im Jahre 2016 darüber, dass sich die Warburg-Bank aus Cum-Ex-Geschäften im Jahre 2009 rund 47 Millionen Euro unberechtigt verschafft habe; die Verjährung drohte zum 31. Dezember 2016. Doch die Finanzbehörde, deren damaliger Senator Tschentscher der heutige Erste Bürgermeister ist, ließ die Frist einfach verstreichen und schenkte der Warburg -Bank damit eine mögliche Forderung von fast 50 Millionen Euro! Im Jahr 2017 soll das Bundesfinanzministerium dann gegen den Willen Hamburgs eine Anweisung erlassen haben, in dessen Folge das Hamburger Finanzamt der Warburg-Bank einen neuen Steuerbescheid für das Jahr 2010 übersandte; 56,4 Millionen Euro muss Warburg an die Stadt zurückzahlen. Der Bund habe eingegriffen, weil er die Steuerentscheidung einer Landesbehörde für grundfalsch hält. Auf diese Weise war es dem Bund zu verdanken, dass der Hamburger Senat der Warburg-Bank ein zweites Mal Millionen schenkt. Dafür soll sich unter anderem Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz im November 2017 mit dem Inhaber und ehemaligen Chef der Warburg -Bank, Christian Olearius, getroffen haben, um über steuerliche und strafrechtliche Probleme zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Ermitt- Drucksache 21/20198 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lungen wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen Herrn Olearius und weitere Manager seiner Bank bereits. Bislang hat der Senat die Fragen nach entsprechenden Treffen verneint. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Siehe Drs. 21/20196. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann und wie informierte das Bundesfinanzministerium die Hamburger Finanzbehörde genau darüber, dass sich die Warburg-Bank aus Cum- Ex-Geschäften im Jahre 2009 rund 47 Millionen Euro unberechtigt verschafft habe? 2. Wann und wie wurden der damalige Präses der Finanzbehörde und/oder der Staatsrat darüber informiert? 3. Wer hat wann konkret aus welchen Gründen entschieden, dass der Bescheid nicht geändert wurde und die Rückforderung zum 31. Dezember 2016 verjährte? War der damalige Präses der Finanzbehörde darüber informiert? Siehe Vorbemerkung. 4. Gab es ein Treffen zwischen dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und dem damaligen Chef der Warburg-Bank, Olearius? a. Falls ja, wann, auf wessen Veranlassung, aus welchem Grund und welchen Inhalt hatte das Gespräch? Ja, am 10. November 2017 auf Grundlage eines allgemeinen Gesprächswunsches von Herrn Olearius. Der Inhalt des Gesprächs ist im Einzelnen nicht dokumentiert. b. Falls ja, weshalb wurde das bislang verneint? Im Hinblick auf den exakten Wortlaut der Fragestellung in Drs. 21/18881: Ja. Der Fragesteller hat sich ausdrücklich auf den von ihm beschriebenen Zusammenhang bezogen , also das Zusammenwirken von Finanzämtern, Finanzbehörde und Bundesministerium der Finanzen im steuerlichen Verfahren. In diesen Verfahren gibt es keine Beteiligung von außenstehenden Personen wie zum Beispiel dem Ersten Bürgermeister . 5. Ist es richtig, dass das Bundesfinanzministerium im Jahre 2017 Hamburg anwies, den Steuerbescheid der Warburg-Bank für das Jahr 2010 zu korrigieren? Wann ging diese Anweisung bei wem ein und wann erfuhr der Präses der Finanzbehörde davon? 6. Ist es richtig, dass eine „Billigkeitslösung“ zwischen der Finanzverwaltung und der Warburg-Bank geschlossen wurde, nach der die Bank nur 68 Millionen hätte zurückzahlen müssen und die Stadt somit auf fast 100 Millionen Euro verzichtet hätte? a. Falls ja, wann wurde diese zwischen wem aus welchen Gründen vereinbart? b. Falls ja, wurde der Erste Bürgermeister darüber informiert? c. Falls ja, ist es richtig, dass diese Billigkeitslösung im November 2019 vom Bundesfinanzministerium verhindert wurde? Siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex-Geschäften gegen jeweils wie viele Beschuldigte wurden bei der Staatsanwaltschaft seit dem Jahre 2014 jährlich eingeleitet? a. Wie viele dieser Ermittlungsverfahren wurden jeweils eingestellt? Bitte nach Einstellung wegen § 170 Absatz 2 StPO, nach § 153 StPO, § 153a StPO, § 154 StPO und sonstigen Einstellungsgründen differenziert angeben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20198 3 b. Wie viele Anklagen wurden jeweils erhoben? 8. Wie viele Hauptverfahren wurden wegen des Verdachts von Cum-Ex- Geschäften eröffnet? 9. Sofern der Senat die Antworten zu 7. und 8. verweigert: Auf welche konkreten Gründe wird dies gestützt und warum wird in anderen Bundesländern die Beantwortung nicht verweigert? Bitte detailliert erläutern. Im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt gilt, dass gemäß § 30 Absätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) das unbefugte Offenbaren von steuerlichen Verhältnissen nicht zulässig ist. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Durchbrechung dieses Grundsatzes nach § 30 Absatz 4 AO sind vorliegend nicht ersichtlich. Die betroffene Bank wird in den Fragen explizit genannt. Insofern ist das Steuergeheimnis sowohl hinsichtlich dieser Bank als auch der dahinterstehenden Personen, insbesondere der Vorstände, unzweifelhaft berührt. Ebenso verhält es sich mit den in der Parlamentarischen Anfrage nicht genannten Banken, die ihren Sitz in Hamburg haben. Diese sind leicht zu identifizieren, zumal in verschiedenen Medien bereits hierüber berichtet worden ist. Aus diesem Grund sind konkrete Angaben weiterhin unzulässig. Auf welcher Grundlage in anderen Ländern trotz § 30 Absätze 1 und 2 der AO eine Antwort erfolgt ist, entzieht sich der Kenntnis des Senats.