BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20246 21. Wahlperiode 28.02.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 20.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Landgrabbing nun auch in Hamburg Durch die Presse ging der Fall eines Milchbauern im Klövensteen, dem seitens der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) die notwendige Pachtfläche für die Fortführung seines Betriebes entzogen werden soll. Dem Vernehmen nach wird die landwirtschaftliche Fläche, auf der zurzeit mit 140 Milchkühen mehr als ein Zehntel des gesamten Milchviehs in Hamburg1,2 gehalten wird, an zwei Immobilienmakler verkauft. Damit zerstört die BWVI, im Widerspruch zum Bekenntnis des Senats zur Landwirtschaft einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb in Hamburg. Dieses in Hamburg erstmalig bekannt gewordene Landgrabbing und die offenkundige Passivität des Senats werfen eine Reihe von Fragen auf. Ich frage den Senat: Der Senat nimmt zu Presseberichtserstattungen grundsätzlich keine Stellung. Im Übrigen siehe Drs. 21/20222. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Landwirtschaftskammer Hamburg wie folgt: 1. Wann hat der Senat vom Verkauf der von dem in der Vorbemerkung beschriebenen Milchhof gepachteten Flächen Kenntnis erhalten? Mit Schreiben vom 25. Juni 2019 wurde der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) eine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages mit der Bitte um Erteilung der Genehmigung nach Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) übersandt. 2. Welche Abteilung(en) waren seitens der Behörde an dem Verfahren beteiligt? Das Genehmigungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz wurde von der Abteilung Agrarwirtschaft, Pflanzenschutzbehörde in der BWVI durchgeführt. Das Rechtsamt der BWVI wurde beteiligt. 3. Waren der Behörde zu Beginn des Verfahrens Präzedenzfälle aus Niedersachsen bekannt, in denen ein solcher Verkauf abgelehnt wurde? a. Wenn ja: Wie wurden diese bewertet und warum wurde in Hamburg anders entschieden? 1 140 Milchkühe (NDR, 2.2.20) xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx. 2 => 12 Prozent von 1 145 Milchkühen hamburgweit laut jüngster Statistik (bezogen auf 2016; GA Drs. 21/18793 https://www.stephan-jersch.de/index.php?id=71376&no_cache=1&tx_ news_pi1[news]=341155&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail.  Drucksache 21/20246 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Wenn nein: Warum nicht? Ja. Die gerichtlich entschiedenen Fälle in Niedersachsen unterscheiden sich von der hier in Rede stehenden Fallgestaltung in wesentlichen Tatbestandsmerkmalen und sind deshalb auch in der Rechtsfolge unterschiedlich zu bewerten. 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den Milchhof im Klövensteen zu erhalten, und welche Auswirkung des Verlustes des Milchhofs auf die Milchwirtschaft in Hamburg sieht der Senat? Versagungsgründe nach dem Grundstücksverkehrsgesetz lagen nicht vor. Damit hat der Senat keine Rechtsgrundlage, die Verfügungsberechtigung der privaten Verkäuferin über ihr geschütztes Eigentum einzuschränken. In Hamburg gibt es zehn landwirtschaftliche Betriebe mit einem Gesamtbestand von rund 900 Milchkühen. Bei einer Durchschnittsleistung je Kuh und Jahr von 8 500 kg Milch ergibt sich für Hamburg eine Produktionsmenge von rund 7,6 Millionen kg Milch. Bei einem Ausscheiden eines Betriebes mit 140 Milchkühen würde das einen Einfluss von circa 16 Prozent auf die Jahrproduktionsmenge haben. 5. Wie groß ist die landwirtschaftliche Fläche, die in Hamburg an nicht hauptberufliche Landwirte und Landwirtinnen verkauft wurde? Bitte fallweise einzeln für die letzten fünf Jahre und mit Angabe der nachfolgenden Nutzungsart aufführen. 6. Wer war jeweils Verkäufer (privat oder die Freie und Hansestadt Hamburg )? Die Freie und Hansestadt Hamburg hat in den letzten fünf Jahren rund 3,5 ha landwirtschaftliche Flächen aus dem eigenen Bestand an sieben nicht hauptberufliche Landwirte und Landwirtinnen (jeweils bisherige Pächter oder deren Angehörige) unter Beibehaltung der bisherigen Zweckbestimmung der Pachtverträge verkauft. Im Übrigen sieht der Senat zur Wahrung seiner Verhandlungsposition und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Vertragspartnern grundsätzlich in ständiger Praxis davon ab, zu Einzelheiten von Immobilienverkäufen Auskunft zu geben. Daneben wurden über private Kaufverträge landwirtschaftliche Flächen an nicht hauptberufliche Landwirte und Landwirtinnen verkauft. Die entsprechenden Kaufverträge wurden gemäß Grundstücksverkehrsgesetz der BWVI zur Genehmigung vorlegt. Im Übrigen siehe Anlage. 7. Welche landwirtschaftlichen Flächen in Hamburg wurden in den letzten fünf Jahren von anderen Nutzungen zur Pferdehaltung umgenutzt? Bitte pro Jahr aufführen und die jeweils umgenutzte Fläche in Hektar angeben . Die nachgefragten Informationen werden statistisch nicht erhoben. Eine Aktenrecherche scheidet nach der Fragestellung aus, weil die „Pferdehaltung“ unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen kann, nicht jeder Wechsel des Eigentums gleichermaßen dem GrdstVG unterfällt (§ 4 GrdstVG) und der Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke bis 1 ha nicht der Genehmigungspflicht unterliegt (§ 2 Absatz 3 Ziffer 2 in Verbindung mit dem Gesetz über die Freigrenze im land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksverkehr vom 21. Juni 1971). 8. Welche Bedeutung misst der Senat dem Erhalt der in Hamburg ansässigen landwirtschaftlichen Vollzeit- und Teilzeitbetrieben bei? Zielsetzung der Agrarpolitik des Senats ist die Unterstützung von leistungsfähigen, landwirtschaftlichen Betrieben sowohl im Haupt- als auch im Nebenerwerb. Im Übrigen siehe Agrarpolitisches Konzept 2025 (Drs. 21/18512). 9. Ist der Senat der Auffassung, dass Pferdehaltung eine der Landwirtschaft gleichwertige Nutzung des Bodens ist, und bezieht sich das Bekenntnis zum Erhalt der Landwirtschaft auch auf Pferdehaltung? Landwirtschaft ist gemäß § 2 GrdstVG die Bodenbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20246 3 gewinnen, besonders der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau , der Erwerbsobstbau und der Weinbau sowie die Fischerei in Binnengewässern . Dementsprechend stellt eine Tierhaltung dann Landwirtschaft dar, wenn sie ganz oder jedenfalls überwiegend aus den Erzeugnissen des Betriebs ermöglicht wird. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. 10. Was steht nach Auffassung des Senats der seit 2006 möglichen Überführung des Grundstücksvergabegesetzes mit genauen Regelungen gegen das Landgrabbing in Hamburg entgegen? Hiermit hat sich der Senat nicht befasst. 11. Welche Sicherheiten gegen Landgrabbing bietet der Senat landwirtschaftlichen Betrieben, deren Flächen gepachtet sind? Jeder Pachtvertrag über landwirtschaftliche Flächen unterliegt den Formen der zivilrechtlichen Beendigung, wie sie die privatautonomen Vertragsparteien untereinander vereinbart haben. Das Grundstücksverkehrsgesetz bietet den erforderlichen gesetzlichen Schutz davor, dass eine Veräußerung zu einer ungesunden Verteilung des Grund und Bodens führt oder durch die Veräußerung das Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen und dem Veräußerer gehören, unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt würde oder der Gegenwert in einem groben Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht. In diesen Fällen liegen Versagungsgründe gemäß § 9 GrdstVG vor. Jahr Größe in m² Nachnutzung 2015 36.017 Landwirtschaft 2015 14.336 Wohnungsbau 2015 34.626 Landwirtschaft 2015 22.661 Landwirtschaft 2015 92.982 Landwirtschaft 2015 12.939 Landwirtschaft 2015 18.762 Landwirtschaft 2015 23.736 Landwirtschaft 2015 17.238 Landwirtschaft 2015 19.976 Landwirtschaft 2016 12.289 Landwirtschaft 2016 91.069 Landwirtschaft 2016 51.015 Landwirtschaft 2016 26.241 Landwirtschaft 2016 17.069 Landwirtschaft 2016 65.609 Landwirtschaft 2016 103.403 Landwirtschaft 2016 82.357 Landwirtschaft 2016 17.321 Landwirtschaft 2016 33.487 Landwirtschaft 2016 12.493 Landwirtschaft 2016 62.650 Landwirtschaft 2016 15.324 Landwirtschaft 2016 33.513 Landwirtschaft 2016 17.431 Landwirtschaft 2016 16.010 Landwirtschaft 2016 22.984 Landwirtschaft 2016 10.800 Landwirtschaft 2016 43.142 Landwirtschaft 2016 24.926 Landwirtschaft 2016 11.268 Landwirtschaft 2017 14.954 Landwirtschaft 2017 16.630 Landwirtschaft 2017 10.962 Landwirtschaft 2017 11.552 Landwirtschaft 2017 19.165 Landwirtschaft 2017 28.090 Landwirtschaft 2017 13.577 Landwirtschaft 2018 312.511 Landwirtschaft 2018 59.566 Landwirtschaft 2018 16.630 Landwirtschaft 2018 10.458 Landwirtschaft 2018 11.684 Landwirtschaft 2018 41.301 Landwirtschaft 2018 199.907 Landwirtschaft 2018 14.454 Landwirtschaft 2018 12.928 Landwirtschaft 2018 11.772 Landwirtschaft 2018 17.662 Landwirtschaft 2018 14.543 Landwirtschaft 2018 14.026 Landwirtschaft 2018 20.147 Gewerbe 2018 101.250 Landwirtschaft Landwirtschaftliche Flächen, die in Hamburg durch private Grundstücksverkäufe an nicht hauptberufliche Landwirte und Landwirtinnen verkauft wurden Drucksache 21/20246 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 2018 34.728 Landwirtschaft 2019 10.458 Landwirtschaft 2019 27.557 Landwirtschaft 2019 53.280 Landwirtschaft 2019 45.077 Landwirtschaft 2019 23.904 Landwirtschaft 2019 21.831 Landwirtschaft 2019 11.250 Landwirtschaft 2019 75.237 Landwirtschaft 2019 10.174 Landwirtschaft 2019 45.528 Landwirtschaft 2019 16.602 Landwirtschaft 2019 28.321 Landwirtschaft 2019 13.028 Landwirtschaft Verkäufer waren Privatpersonen, Firmen, öffentliche Unternehmen und Kirchengemeinden. Gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 2 GrdstVG hat Hamburg durch das Gesetz über die Freigrenze im landund forstwirtschaftlichen Grundstücksverkehr vom 21. Juni 1971 bestimmt, dass die Veräußerung von Grundstücken bis zu einer Größe von 1 ha keiner Genehmigung bedarf. Verkäufe von landwirtschaftlichen Grundstücken mit bis zu einer Größe von 1 ha werden der BWVI daher nicht gemeldet und sind entsprechend nicht in der Liste enthalten. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20246 5 20246ska_Text_ds 20246ska_Anlage