BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20269 21. Wahlperiode 06.03.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 27.02.20 und Antwort des Senats Betr.: Familiennachzug von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz – Welche Kosten hat Hamburg zu tragen? Asylberechtigte Schutzberechtigte, denen die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, haben nach gültiger Rechtslage Anspruch auf privilegierten Familiennachzug. Das bedeutet, dass kein Nachweis der Lebensunterhaltssicherung und ausreichenden Wohnraums als Voraussetzung für die Einreise der Familienangehörigen notwendig ist. Dies gilt für den Nachzug der Ehegattin beziehungsweise des Ehegatten und der minderjährigen ledigen Kinder. Um den Familiennachzug geltend machen zu können, muss der entsprechende Antrag innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung der Asylberechtigung oder der Zuerkennung der Schutzberechtigung bei der für den Aufenthaltsort der Familienangehörigen zuständigen deutschen Auslandsvertretung gestellt werden. Wird der Antrag später gestellt, besteht kein Anspruch auf den Nachzug, sondern die Auslandsvertretung entscheidet nach Ermessen. Zunächst hatten Flüchtlinge, die lediglich subsidiären Schutz genießen und eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 17. März 2016 erhalten hatten, keine Möglichkeit, ihre Angehörigen nach Deutschland zu holen. Der Grund dafür war, dass die Bundesregierung den Familiennachzug seit dem 17. März 2016 für die Dauer von zwei Jahren aussetzte, weil sie verhindern wollte, dass die Bundesländer unter der Last einer stetig zunehmenden Migration zusammenbrechen. Seit dem 16. März 2018 ist ein Familiennachzug jedoch wieder erlaubt. In diesen Fällen begann die Dreimonatsfrist für den privilegierten Familiennachzug ab dem 16.03.2018. In besonderen Härtefällen ist eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen weiterhin möglich. Solange das Asylverfahren läuft, kann grundsätzlich kein Familiennachzug erfolgen. Ist im Asylverfahren ein Abschiebungsverbot festgestellt worden, darf der Familiennachzug nur aus humanitären oder anderen wichtigen öffentlichen Gründen erfolgen. Das vor zwei Jahren erfolgte Inkrafttreten des Familiennachzuges ist auch für Hamburg von Bedeutung. Denn seit März 2018 musste die Hansestadt jene zusätzlichen Kosten tragen, die durch den Zuzug weiterer Migranten entstehen. Dabei handelt es sich nahezu ausnahmslos um Personen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Obwohl es derzeit kaum möglich ist, die durch den Familiennachzug induzierten Mehrkosten exakt zu kalkulieren, darf man annehmen, dass deren Summe erheblich sein wird. Diese Vermutung ist aus mehreren Gründen berechtigt . Erstens hat das Land Hamburg im Jahr 2016 insgesamt 890 Millionen Euro (7,4 Prozent des Hamburger Gesamtbudgets) für die Verpflegung von Drucksache 21/20269 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 51 448 Flüchtlingen1 (Stand 31. Dezember 2016) aufgewendet. Seither ist die Gesamtzahl von Flüchtlingen weiter gestiegen. Demnach lebten im Dezember 2020 insgesamt 59 136 Flüchtlinge in Hamburg, unter ihnen 4 941 Personen mit subsidiärem Schutz.2 In Abhängigkeit davon, wie viele Angehörige im Zuge des Familiennachzugs einreisen, kommt man auf eine Gesamtzahl von 9 882 (Faktor 2) beziehungsweise 19 764 (Faktor 4). Legt man indes den Faktor 5 zugrunde, steigt dieser Wert hingegen auf 24 705. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit dem Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsrechts vom 8. März 2018, BGBl. I 342 wurde geregelt, dass ab dem 1. August 2018 der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten aus humanitären Gründen auf 1 000 Personen im Monat für die gesamte Bundesrepublik begrenzt wird. Das daran anknüpfende ab dem 1. August 2018 in Kraft getretene Familiennachzugsneuregelungsgesetz (BT-Drs. 19-2438) gestaltet den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Einzelnen aus. Die mit dem § 36a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geschaffene Möglichkeit des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigten berücksichtigte auch die teilweise unklare Situation hinsichtlich einer zeitlichen Rückkehrperspektive für die betroffenen Personen und den Umstand, dass Familienangehörige auch in Flüchtlingslagern außerhalb ihrer Herkunftsländer verblieben waren. Um dieser Situation hinreichend Rechnung zu tragen, wurde eine Regelung geschaffen, die unter Beachtung humanitärer Gesichtspunkte eine Nachzugsmöglichkeit für diese Familienangehörigen regelte. Hierbei war jedoch zu berücksichtigen, dass es keine gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich der Zahl von Personen gab, die diese Nachzugsmöglichkeit in Anspruch nehmen könnten. Um zu vermeiden, dass eine Überlastung der Aufnahmesysteme in Deutschland entstehen kann, hat der Bundesgesetzgeber die Erteilung von Visa für solche Nachzugsfälle daher auf 1 000 pro Monat begrenzt. Die bisherigen Erfahrungen mit dieser Nachzugsmöglichkeit zeigen, dass dieses Kontingent regelmäßig nicht ausgeschöpft wird, sodass es bisher regelmäßig auch keiner Auswahlentscheidungen bedurfte und entsprechend keine Minimal- oder Maximalwerte festzulegen sind. Das Ausländerzentralregister weist zum 31. Januar 2020 für Hamburg 4 789 Personen aus, die in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Absatz 2 AufenthG in Verbindung mit § 4 Asylgesetz (AsylG) sind. Angaben zur Zahl der davon sich gegenwärtig in Hamburg aufhaltenden Personen, denen nach dem 17. März 2018 subsidiärer Schutz gewährt wurde, liegen in statistisch auswertbarer Form nicht vor. Eine händische Auswertung von Tausenden Ausländerakten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Unabhängig davon ist der Anteil der Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 Absatz 1 AsylG kontinuierlich von 22,1 Prozent auf 10,6 Prozent zurückgegangen. Nach Auswertung des ausländerrechtlichen Fachverfahrens wurde im Jahr 2018 17 Personen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 36a Absatz 1 AufenthG erteilt, im Jahr 2019 306 Personen. Personen, denen subsidiär Schutz gewährt wird, haben unbeschränkten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zu Gesundheits- und Bildungsangeboten. Sofern die sich bereits in Hamburg aufhaltende Person, die ihre nachziehende Familie erwartet, noch nicht in privatrechtlichem Wohnraum lebt, sondern in einer öffentlich-rechtlichen Unterkunft, wird die gemeinsame Unterbringung der Familie dort ermöglicht, bis sie eine Wohnung gefunden hat. Im Übrigen werden keine Daten zur Wohnungs- und Lebenssituation von Personen nach dem Schutzstatus erfasst. Sofern die Personen keiner Beschäftigung nachgehen, erhalten sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zur Höhe der vom Bund getragenen Transferleistungen für die verschiedenen Typen der Bedarfsgemeinschaften siehe https://statistik.arbeitsagentur.de/nn_1021940/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/ Rubrikensuche_Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=& 1 Confer Drs. 21/19744. Seite 2. 2 Confer Drs. 21/19744. Seite 2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20269 3 pageLocale=de&topicId=1023398&year_month=201909&year_month.GROUP=1& search=Suchen. Die durchschnittlichen Kosten der Unterkunft für SGB-II-Leistungsempfängerinnen und -empfänger werden pro Monat pro Person mit 277,00 Euro angesetzt. Im Übrigen wird die Inanspruchnahme der Leistungen nicht differenziert nach dem Schutzstatus von Geflüchteten erfasst. Demnach können auch keine Rückschlüsse der Kosten auf einzelne Personengruppen erfolgen oder Prognosen für Kosten für ausgewählte Zielgruppen angestellt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Wie viele Flüchtlinge, denen nach dem 17. März 2018 subsidiärer Schutz gewährt worden ist, halten sich gegenwärtig in Hamburg auf? 2. Inwieweit hat sich der Senat bislang mit der Kalkulation der Mehrkosten beschäftigt, die durch das Inkrafttreten des Familiennachzugs ab März 2018 anfallen werden? 3. Wie berechnet der Senat diese Summe im Einzelnen? 4. Welche Faktoren hat der Senat bei seiner Kalkulation berücksichtigt? 5. Wie viele nachziehende Familienangehörige hat der Senat für 2018 und 2019 registriert? 6. Wie hoch liegt der Minimal- beziehungsweise Maximalwert, den der Senat hier zugrunde legt? 7. Aus welchem Etat hat der Senat die anfallenden Mehrkosten für den Familiennachzug gedeckt? 8. Wo sind die nachziehenden Familienangehörigen untergebracht worden ? Wird eine Unterbringung im Rahmen der Familie generell angestrebt ? 9. Wie viele Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz haben derzeit die Möglichkeit , Angehörige in ihrem Wohnort unterzubringen? 10. In wie vielen Fällen müssten Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz neue Wohnorte beziehen, um dort gemeinsam mit Angehörigen leben zu können ? Siehe Vorbemerkung.