BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/20293 21. Wahlperiode 17.03.20 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 09.03.20 und Antwort des Senats Betr.: Rechtsextremismus in Hamburg Im Oktober 2019 erklärte Innensenator Grote im Landesamt für Verfassungsschutz , eine Sondereinheit für den Kampf gegen Rechtsextremismus schaffen zu wollen, den er als die insgesamt größte Bedrohung für die innere Sicherheit Hamburgs betrachte. Da es in Hamburg zu diesem Zeitpunkt jedoch keinen einzigen Gefährder gab, stellt sich die Frage, inwieweit die Entscheidung des Innensenators gerechtfertigt ist.1 Ob diese womöglich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein rechtsextremes Netzwerk steht, das mutmaßlich innerhalb der hessischen Polizei existiert hat, ist nicht klar. Nachdem bekannt geworden war, dass mehrere Beamte aus Frankfurt rechtsextreme Inhalte in sozialen Medien geteilt hatten, tauchte am 18. Dezember 2018 ein weiteres Drohschreiben auf, das an mehrere Strafverteidiger , Behörden und Medien versandt wurde und ebenfalls mit dem Slogan „NSU 2.0“ überschrieben war. Kurz darauf ging ein solcher Drohbrief bereits der türkischstämmigen Rechtsanwältin des mutmaßlichen Leibwächters Osama bin Ladens Samy A. ein. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge sollen mittlerweile drei weitere Fälle rechtsextremer Verfehlungen bekannt geworden sein. Diese hätten sich allerdings nicht in Frankfurt ereignet , sondern seien drei anderen Polizeipräsidien in Hessen zuzuordnen.2 Dafür, dass es ähnliche Vorfälle auch in Hamburg gegeben haben könnte, hat es bislang allerdings keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Für die Bearbeitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete ist das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) zuständig. Diese Ermittlungsverfahren haben in der Regel ihren Ursprung in Strafanzeigen von Geschädigten, von Dritten oder auch von Amts wegen. Die Bearbeitung von Sachverhalten, die nicht den Verdacht einer Straftat begründen – beispielsweise Beschwerden oder Disziplinarverfahren –, liegt nicht in der Zuständigkeit des D.I.E., sondern der Polizei Hamburg. Für die örtliche Zuständigkeit des D.I.E. gilt grundsätzlich das Tatortprinzip. Sofern ein Hamburger Polizeibediensteter eine Straftat in seiner Freizeit außerhalb Hamburgs begeht, sind die örtlichen Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften zuständig; derartige Fälle müssen dem D.I.E. daher nicht bekannt sein. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1 Vergleiche Drs. 21/18927. 2 „Rechte Vorfälle in drei weiteren Polizeipräsidien“. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (online). 18.2.2018. Drucksache 21/20293 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Ist dem Senat bekannt, ob es auch in Hamburg rechtsextreme Netzwerke innerhalb der Landespolizei gibt? Falls ja, welche Hinweise liegen hierzu vor? Zum erfragten Sachverhalt liegen derzeit keine Hinweise vor. 2. Wie oft hat es in der 21. Wahlperiode belegte Fälle von Rechtsradikalismus unter Hamburger Polizeibeamten gegeben? Das D.I.E. führt eine deliktsbezogene Statistik, aus der die Anzahl einzelner Straftatbestände auswertbar ist. Im Sinne der Anfrage sind dies beispielweise aus den Straftatbeständen gemäß § 130 StGB (Volksverhetzung) und § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Im Übrigen werden keine Motive für die beim D.I.E. bearbeiteten Straftaten statistisch erfasst. Grundsätzlich müssten daher für die Beantwortung der Fragen sämtliche relevanten Ermittlungsverfahren seit dem März 2015 händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Aus dem Jahr 2020 befinden sich derzeit zwei Fälle in Bearbeitung. Im Übrigen siehe Drs. 21/15645. 3. Wie oft sind im genannten Zeitraum Polizeibeamte aufgrund von rechtsextremen Verfehlungen vom Dienst suspendiert worden? 4. Wie oft haben solche Suspendierungen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zur Folge gehabt? 5. Ist es im genannten Zeitraum daraufhin zu Verurteilungen gekommen? Falls ja, bitte jeweils das Datum, das Delikt sowie das Strafmaß nennen. Siehe Antwort zu 2. Staatsanwaltliche Ermittlungen erfolgen aufgrund eines entsprechenden Tatverdachts. Eine Suspendierung ist kein Anlass staatsanwaltlicher Ermittlungen . Suspendierungen im Sinne der Fragestellung wurden nicht angeordnet. 6. Am 17.12.2018 berichtete die „Hamburger Morgenpost“ über einen Vorfall , bei dem ein Polizist am 29. Oktober 2018 einen jungen Mann aus Afghanistan im Rahmen einer Verkehrskontrolle rassistisch beleidigt hätte . Dabei soll der Beamte den Fahrer unter anderem zur Rückkehr in seine Heimat aufgefordert haben.3 Wie stellt sich der Tathergang nach Kenntnis des Senats im Einzelnen dar? Nach dem Ergebnis der Ermittlungen befuhr der Betroffene am 29. Oktober 2018 gegen 9.25 Uhr mit seinem Pkw die Von-Sauer-Allee in Hamburg. Nachdem der hinter ihm mit einem Dienstmotorrad fahrende beschuldigte Polizeibeamte bemerkt hatte, dass die Bremslichter an dem Pkw defekt waren, klopfte er an die Fensterscheibe der Fahrertür. Hierbei sah der Polizeibeamte, dass der Betroffene sein Mobiltelefon in den Händen hielt, darauf schaute und den Straßenverkehr nicht im Blick hatte. Nachdem der Polizeibeamte dem Betroffenen mit seinem verkehrswidrigen Verhalten konfrontiert hatte, warf der Betroffene dem Polizeibeamten vor, mit dem Dienstmotorrad gegen seinen Pkw gestoßen zu sein. Im weiteren Fortgang entwickelte sich zwischen beiden Personen eine – seitens des Betroffenen sehr aufgebracht geführte – verbale Auseinandersetzung. Dabei äußerte der Polizeibeamte auch, der Anzeigende sollte dahin zurückgehen, wo er herkäme, und erklärte, nachdem der Betroffene den Beamten empört aufgefordert hatte, diese Äußerung zu wiederholen, der Betroffene sollte dahin zurückgehen, woher er gekommen sei, und wenn er in Hamburg wohne, solle er in seine Wohnung zurückkehren. a) Ist infolge des Vorfalls eine Strafanzeige gestellt worden? Falls ja, wann? 3 „Geh doch zurück in deine Heimat! Polizist soll Hamburger rassistisch beleidigt haben. „Hamburger Morgenpost“ (online). 17.12.2018. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/20293 3 b) Hat die Staatsanwaltschaft daraufhin die Ermittlungen aufgenommen oder ist es womöglich zu einer Einstellung gekommen? Falls ja, wie lautet das zugrunde liegende Delikt? Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat auf die Anzeige des Betroffenen vom 29. Oktober 2018 hin ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eingeleitet. Dieses wurde gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, da sich der Polizeibeamte nach dem festgestellten Sachverhalt nicht strafbar gemacht hat. c) Welche Maßnahmen hat der Dienstherr des Beschuldigten bis heute ergriffen? Nach dienstrechtlicher Bewertung der Akten hat der Disziplinarvorgesetzte mit dem Beamten ein Kritikgespräch mit Eintrag in die Personalakte geführt. Eine von dem beteiligten Fahrzeugführer am 4. November 2018 eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde zu dem Ereignis vom 29. Oktober 2018 wurde zunächst bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt, danach wurde dem Beschwerdeführer abschließend geantwortet. d) Ist es zu einer Verurteilung gekommen? Falls ja, welches Strafmaß wurde verhängt? Siehe Antwort zu 6. a) und b). 7. Welche konkreten Ereignisse liegen der Forderung zugrunde, im Landesamt für Verfassungsschutz eine Spezialeinheit für den Kampf gegen Rechtsextremismus zu schaffen? 8. Wie ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund zu sehen, dass es in Hamburg keinen einzigen Gefährder aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität – rechts (PMK-rechts) gibt? Die Ermordung von Regierungspräsident Walter Lübcke, die Morde und der Anschlag auf die Synagoge in Halle und zuletzt die Morde in Hanau haben gezeigt, dass eine tödliche Gefahr auch von Personen ausgehen kann, die nicht als Gefährder eingestuft sind. Im Übrigen siehe Drs. 21/17783 und 21/17880.