BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2037 21. Wahlperiode 03.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 26.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Ausnahmegenehmigungen für die Elbtunneldurchfahrt In Hamburg wurden im letzten Jahr rund 40.000 Heizölverbraucheranlagen betrieben. Die drei Haupttanklager in Hamburg zu ihrer Versorgung mit Heizöl befinden sich südlich der Elbe. Zur Betankung der Tankfahrzeuge und Belieferung der Heizöl-Kunden nördlich der Elbe ist eine Überquerung der selbigen daher zwingend erforderlich. Hierbei stellt die Nutzung des Elbtunnels eine sichere, schnelle und den Hamburger Innenstadtverkehr entlastende Strecke dar. Die hierzu von mittelständischen Mineralölhändlern benötigten Ausnahmegenehmigungen wurden seit der Eröffnung des Elbtunnels im Jahre 1975 jahrzehntelang auf Antrag problemlos durch den Landesbetrieb Verkehr erteilt. Aufgrund der Neukategorisierung des Elbtunnels in Kategorie E werden seit dem 1.7.2014 Ausnahmegenehmigungen vom generellen Durchfahrverbot für alle gefährlichen Güter in der Zeit von 5 bis 23 Uhr unter Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes technisches Gutachten für Heizöl-/Dieseltransporte in Tankfahrzeugen nicht mehr erteilt. Diesel und Heizöl sind jedoch nicht ansatzweise mit Chlor, TNT oder Propan vergleichbar und mit Benzin nur höchst bedingt. Das bestätigt auch die unterschiedliche Einstufung der genannten Stoffe im Gefahrgutrecht. Da insbesondere die Heizölkunden im nächtlichen Zeitfenster 23 bis 5 Uhr nicht beliefert werden können, müssen die Tankfahrzeuge seit Juli 2014 tagsüber durch den Hamburger Innenstadtbereich fahren. Dies führt insbesondere in der Amsinckstraße und der Stresemannstraße zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen für alle Verkehrsteilnehmer und zu erhöhtem innerstädtischen Gefahrgutverkehr. Die alternative Nutzung des Elbtunnels hingegen würde zu relevanten Streckenreduzierungen beitragen, die den Innenstadtverkehr entlasten und somit durch den reduzierten Kraftstoffverbrauch auch die Umwelt schonen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Seit dem 1. Januar 2010 schreibt das für den Gefahrguttransport auf der Straße maßgebliche und in Deutschland verbindliche Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) vor, dass aufgrund nationaler beziehungsweise lokaler Entscheidungen für den Gefahrguttransport beschränkte Tunnel einer Tunnelkategorie zugeordnet werden müssen. Dazu sind unter anderem die Tunneleigenschaften und die Risikoeinschätzung aufgrund eines durch den Betreiber des Tunnels zu veranlassenden Gutachtens zu berücksichtigen. Die Tunnelkategorien werden mit den Buchstaben A bis E bezeichnet, wobei die Kategorie A eine beschränkungsfreie Durchfahrt zulässt und die Kategorie E ein Drucksache 21/2037 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nahezu komplettes Durchfahrverbot von Gefahrguttransporten (dazu gehören auch Diesel- beziehungsweise Heizöltransporte) ausdrückt. Für den Elbtunnel im Verlaufe der BAB A 7 wurde für die Zeit von 23 Uhr bis 5 Uhr die Kategorie C und für die Zeit von 5 Uhr bis 23 Uhr die Kategorie E festgelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Heizölverbraucheranlagen mit und ohne Brennwert wurden seit 2010 in Hamburg betrieben? Bitte um jahrweise Angabe. Wiederkehrend messpflichtige Ölfeueranlagen in Hamburg Jahr Anzahl 2010 36.000 2011 34.700 2012 34.500 2013 34.300 2014 34.100 Die Zahlen für 2015 werden zu Beginn des Jahres 2016 ermittelt. 2. Wer hat das im Jahr 2010 durch den Landesbetrieb Verkehr in Auftrag gegebene Gutachten bezüglich des Gefährdungspotenzials von Gefahrguttransporten im Elbtunnel erstellt und anschließend bewertet? Das in Rede stehende Gutachten wurde durch den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in Auftrag gegeben und basierte auf einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt des Bundes. Erstellt wurde das Gutachten durch die BUNG Ingenieure AG aus Heidelberg. Die Bewertung und die Festlegung der daraus resultierenden Maßnahmen erfolgten durch die Behörde für Inneres und Sport einschließlich der Feuerwehr in Zusammenarbeit mit dem LBV und dem LSBG. 3. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für Tankfahrzeuge zur Durchfahrt des Elbtunnels wurden seit 2010 gestellt? Bitte um jahrweise Angabe. a. Wie viele Ausnahmegenehmigungen wurden erteilt? Bitte mit Angabe des jeweiligen Transportgutes. b. Wie viele Ausnahmegenehmigungen wurden verweigert? Bitte mit Angabe der jeweiligen Gründe. Jahr Anzahl der Anträge Anzahl der abgelehnten Anträge Anzahl der Ausnahmegenehmigungen genehmigte Transportgüter 2010 110 0 110 UN 1202, UN 3257, UN 3082 2011 121 0 121 UN 1202, UN 3257, UN 3082 2012 303 0 303 UN 1202, UN 3257, UN 3082 2013 297 0 297 UN 1202, UN 3257, UN 3082 2014 34 32 2 UN 1202, UN 3257, UN 3082 2015 0 entfällt entfällt entfällt UN 1202: Dieselkraftstoff, Gasöl oder Heizöl leicht UN 3082: Umweltgefährdender Stoff, zum Beispiel schweres Heizöl UN 3257: Erwärmter Flüssiger Stoff, zum Beispiel Bitumen Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen im Sinne der Fragestellung setzt Gründe voraus, die das öffentliche Interesse an dem Verbot, von dem abgewichen werden soll, überwiegen. Entsprechende Gründe wurden von den Antragstellern nicht vorgetragen . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2037 3 4. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für sonstige Gefahrguttransporte zur Durchfahrt des Elbtunnels wurden seit 2010 gestellt? Bitte um jahrweise Angabe. a. Wie viele Ausnahmegenehmigungen wurden erteilt? Bitte mit Angabe des jeweiligen Transportgutes. b. Wie viele Ausnahmegenehmigungen wurden verweigert? Bitte mit Angabe der jeweiligen Gründe. Keine. Im Übrigen: entfällt. 5. Aus welchen Gründen lehnt der LBV seit dem 1.7.2014 die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen für Heizöl-/Dieseltransporte in Tankfahrzeugen ab? Aufgrund der in der Vorbemerkung dargelegten Kategorisierungs-Entscheidung wurde im Oktober 2013 an dem Elbtunnel im Verlauf der BAB A 7 eine neue Beschilderung vorgenommen. Das bis dahin angebrachte Vorschriftszeichen (VZ) 261 wurde durch ein Vorschriftszeichen ergänzt, das die Kategorisierung des Tunnels entsprechend nennt. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Beschilderung (VZ 261 und Kategorie E zwischen 5 Uhr und 23 Uhr) dürfen durch den Elbtunnel Diesel- beziehungsweise Heizöl als Ladung nicht befördert werden. Gemäß § 41 Absatz 1 StraßenverkehrsOrdnung (StVO) hat der Verkehrsteilnehmer die durch Vorschriftszeichen nach Anlage 2 der StVO angeordneten Ge- und Verbote zu befolgen. Bei einem Unfall oder Zwischenfall mit einem mit Diesel beziehungsweise Heizöl beladenen Fahrzeug bestünde die Gefahr, dass durch diese gefährlichen Güter Gefahren unter anderem für das Leben und das Bauwerk selbst in erheblichem Umfang eintreten können. Die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Bestimmungen sind unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die besonderen Interessen desjenigen, der die Ausnahmegenehmigung begehrt, abzuwägen. Dies setzt voraus, dass der Antragssteller wesentlich stärker darauf angewiesen sein muss, die Straßenverkehrsordnung nicht einhalten zu müssen, als sonstige Personen in vergleichbarer Lage. Demnach dürfen derartige Ausnahmegenehmigungen nur bei Vorliegen einer besonderen Dringlichkeit und unter strengen Anforderungen erteilt werden. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung darf hingegen den allgemeinen Verkehr weder erschweren noch gefährden (vergleiche: BVerwG NJW 74 1781). Eine restriktive Handhabung bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ist demnach erforderlich , um den Ausnahmecharakter einer solchen Genehmigung beizubehalten und die (Sicherheits-)Interessen der übrigen Verkehrsteilnehmer (im Elbtunnel) zu wahren. 6. Wie beurteilt der Senat das Gefährdungspotenzial, das von Diesel und Heizöl ausgeht, wenn die Tankfahrzeuge statt durch den Elbtunnel seit Juli 2014 durch den Hamburger Innenstadtbereich fahren? Das Gefährdungspotenzial von Heizöl oder Dieselkraftstoff im Falle eines Brandes ist im Elbtunnel größer als außerhalb. Die erforderliche Brandbekämpfung gestaltet sich außerhalb des Tunnels einfacher aufgrund des besseren Rauch- und Wärmeabzugs und der besseren Zugänglichkeit. 7. Setzt der Landesbetrieb Verkehr bei seiner Risikobewertung das Gefährdungspotenzial bei einer eventuellen Freisetzung von Heizöl und Diesel aus Tankfahrzeugen dem der Freisetzung von Chlor, TNT, Propan oder Benzin gleich? Wenn ja, warum? Nein. Gleichwohl ist das Gefahrenpotenzial bei einem Unfall im Elbtunnel mit Heizöloder Dieseltankfahrzeugen aufgrund des Gutachtens so hoch, dass eine freie Durchfahrt durch den Elbtunnel mit diesen Gefahrgütern nicht zugelassen werden kann. 8. Wie viele Heizöl- und Diesel-Tankfahrzeuge haben vor der Durchfahrtbeschränkung den Elbtunnel durchschnittlich pro Woche durchfahren? Drucksache 21/2037 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 9. Um wie viele Kilometer haben sich die durchschnittlichen Fahrtstrecken und Fahrzeiten der Tankfahrzeuge durch die Einschränkung der Durchfahrtgenehmigung verlängert? 10. Um welchen Wert haben sich die Abgasemissionen der Heizöl- und Diesel -Tankfahrzeuge durch die nun deutlich längeren Fahrstrecken und Fahrzeiten schätzungsweise erhöht (absolut und in Prozent)? Daten im Sinne der Fragestellungen liegen den zuständigen Behörden nicht vor.