BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2047 21. Wahlperiode 03.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 28.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Beschäftigung von Flüchtlingen in Erst- und Folgeunterkünften, insbesondere von Ärzten und Krankenschwestern In Deutschland gibt es Zehntausende unbesetzte Stellen in den Gesundheitsberufen . Der Zuzug von rund einer Million Flüchtlingen in diesem Jahr erhöht die bereits hohe Nachfrage zusätzlich, denn auch sie müssen medizinisch versorgt werden. Umso erfreulicher ist das bundesweit bisher einmalige Modellprojekt im Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster, in dem syrische Ärzte vorerst für 18 Monate begrenzt eine Zulassung erhalten haben, um im Krankenhaus die Versorgung der Flüchtlinge mit zu übernehmen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass im Asylkompromiss von Bund und Ländern vom 24. September 2015 auch vorgesehen ist, „Asylsuchende, die über eine abgeschlossene Ausbildung in einem medizinischen Heilberuf verfügen, in die medizinische Erstversorgung von anderen Asylsuchenden in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen“ einzubinden. Zugleich war einem Bericht des „SPIEGEL“ allerdings zu entnehmen, dass alle 127 Absolventen eines Berufsstarterkurses „Early Intervention“ in Hamburg, unter denen sich auch Mediziner befanden, 14 Monate nach Kursende noch auf Jobsuche waren. Der Senatsantwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/1260 war hingegen zu entnehmen, dass sich im Zeitraum vom 1. Januar bis 10. August dieses Jahres nur neun Personen „mit Abschlüssen in den akademischen Heilberufen, die zugleich Flüchtlingsstatus haben“, in der „Zentralen Anlaufstelle Anerkennung“ beraten ließen. Krankenpflegekräfte suchten die Anlaufstelle in dem genannten Zeitraum überhaupt nicht auf. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass man nicht wisse, ob sich unter dem in Hamburg in diesem Jahr anerkannten ausländischem medizinischen Fachpersonal Flüchtlinge befinden, da die Herkunftsländer und der Flüchtlingsstatus nicht erfasst würden. Hierzu frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Agentur für Arbeit Hamburg (AA) und Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter): 1. Ist dem Senat bekannt, ob eines der Krankenhäuser in Hamburg ein ähnliches Modellprojekt plant, so wie es schon in Neumünster angelaufen ist? Dem Senat sind hierzu keine Modellprojekte in Hamburger Krankenhäusern bekannt. 2. Plant der Senat – und wenn ja, mit welchen konkreten Maßnahmen – die Bund-Länder-Vereinbarung, nach der medizinisches Fachpersonal unter den Asylbewerbern bei der Erstversorgung anderer Asylbewerber einzubinden ist, in Hamburg umzusetzen? Drucksache 21/2047 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das am 24. Oktober 2015 in Kraft getretene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sieht nach § 90 Asylgesetz vor, dass Asylbegehrende, die über eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin oder Arzt verfügen, auf Antrag zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde ermächtigt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass zur ärztlichen Versorgung von Asylbegehrenden in Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften nach § 44 und § 53 Asylgesetz Ärztinnen und Ärzte, die über eine Approbation oder Berufserlaubnis nach der Bundesärzteordnung verfügen, nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und hierdurch die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Asylbegehrenden gefährdet ist. In Hamburg haben auf einen entsprechenden Aufruf der Ärztekammer Hamburg zwischenzeitlich zahlreiche Ärztinnen und Ärzte ihre Bereitschaft für eine Unterstützung bei der ärztlichen Versorgung der Flüchtlinge in Hamburg erklärt und sind teilweise bereits in den zentralen Erstaufnahmen tätig. Vor diesem Hintergrund wird die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) diesbezügliche Anträge von geflüchteten Ärztinnen und Ärzten prüfen. 3. In der Drs. 21/1260 hieß es noch, dass die berufliche Qualifikation in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen nicht erfragt werde und selbst in den Folgeunterkünften dies nicht immer geschehe. Dies sollte sich im Rahmen der Initiative W.I.R nun ändern. Inwieweit hat der Senat inzwischen Kenntnisse über die Qualifikation der in Hamburg registrierten Flüchtlinge? Für wie viele Flüchtlinge wurden konkret die Qualifikationen seit dem 1. Oktober 2015 erfasst? 4. Wie viele der zurzeit in Hamburg registrierten Flüchtlinge, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Heilberuf verfügen, befinden sich zurzeit in Hamburger Erst- oder Folgeeinrichtungen? Eine systematische Erfassung der beruflichen Kompetenzen von Flüchtlingen ist bisher durch die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter nicht erfolgt. Daher arbeiten die Freie und Hansestadt Hamburg, die Agentur für Arbeit Hamburg und Jobcenter team.arbeit.hamburg im Rahmen des neuen Vorhabens W.I.R – work and integration for refugees rechtskreisübergreifend zusammen. Ziel ist es, die Kompetenzen der Flüchtlinge zu erkennen und für den Arbeitsmarkt in Hamburg nutzbar zu machen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Gesundheitsberufe, für den es einen großen Bedarf an Fachkräften gibt. Bei der Ausgestaltung des Unternehmensservice im Rahmen von W.I.R ist neben der für Arbeit zuständigen Behörde auch die für Gesundheit zuständige Behörde beteiligt. Der vollständige Kundenbetrieb im Vorhaben W.I.R – work and integration for refugees (W.I.R), insbesondere die Beratung durch die Agentur für Arbeit und das Jobcenter team.arbeit.hamburg wurde erst am 30. Oktober 2015 aufgenommen, sodass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben im Sinne der Fragestellung gemacht werden können. 5. Auch bei der Anerkennung ausländischer Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich wird nicht nach den Herkunftsländern und dem Flüchtlingsstatus gefragt. Soll das künftig geändert werden? Bei der Anerkennung ausländischer Fachkräfte aus dem Bereich der medizinischen Heilberufe und Gesundheitsfachberufe wird das Herkunftsland, nicht jedoch der Flüchtlingsstatus erhoben. Eine Änderung dieser Verwaltungspraxis ist derzeit nicht vorgesehen. 6. Wie ist es nach Ansicht des Senats zu erklären, dass, obwohl doch händeringend Personal im Gesundheitsbereich gesucht wird, offenbar vorhandenes und anerkanntes medizinisches Fachpersonal aus Syrien in Hamburg keinen Job findet? Bei der zuständigen Behörde wurden von syrischen Staatsangehörigen seit dem 1. Januar 2013 im Bereich der medizinischen Heilberufe 19 Anerkennungsanträge (15 Ärzte, vier Zahnärzte) gestellt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2047 3 Im gleichen Zeitraum wurden drei ärztliche und eine zahnärztliche Approbation sowie vier ärztliche und eine zahnärztliche Berufserlaubnis an syrische Staatsangehörige erteilt. Im Bereich der Gesundheitsfachberufe wurden im gleichen Zeitraum vier Anträge auf Anerkennung gestellt, die sich alle noch in der Bearbeitung befinden. Es ist der zuständigen Behörde nicht bekannt, dass und gegebenenfalls wie viel vorhandenes anerkanntes medizinisches Fachpersonal aus Syrien in Hamburg keine Anstellung findet. 7. Hat die „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“ in den Wochen seit Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/1260 weitere Personen aus der Berufsgruppe der Heilberufe beraten? Seit dem 1. Juli 2015 bis zum 29. Oktober 2015 hat die „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung “ (ZAA) insgesamt 17 Flüchtlinge in akademischen Heilberufen und vier Flüchtlinge in Gesundheitsfachberufen beraten. 8. Hat die „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“ seit Januar 2015 ihr Personal aufgestockt? Wenn ja, wann um wie viele Mitarbeiter mit welchem Stundendeputat? Wenn nein, ist eine Aufstockung geplant? Wenn letzteres bejaht wird, zu wann um wie viele Stellen? Das Personal der ZAA wurde im Rahmen des Programms W.I.R ab dem 15. September 2015 um eine Vollzeitstelle aufgestockt. Eine Entscheidung über eine weitere Aufstockung liegt momentan noch nicht vor. 9. Plant der Senat, Flüchtlinge mit anderen beruflichen Qualifikationen in den Erst- und/oder Folgeunterkünften zukünftig zu beschäftigen? Wenn ja, welche und zu welchen Konditionen, wenn nein, warum nicht? Hierzu sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wird von der Möglichkeit nach § 5 AsylbLG, Bewohnerinnen und Bewohnern Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, Gebrauch gemacht. Dabei handelt es sich um einfache Tätigkeiten im Rahmen des Betriebsablaufs, zum Beispiel Einsammeln von Geschirr nach den Mahlzeiten, Aufkehren von Blättern et cetera. Die Aufwandsentschädigung ist in § 5 Absatz 2 AsylbLG bundesgesetzlich geregelt. Darüber hinaus werden Flüchtlinge, die bereits über deutsche oder englische Sprachkenntnisse verfügen, in einigen Fällen auf freiwilliger Basis als Übersetzer bei einfachen Gesprächen eingebunden. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Beschäftigung im Sinne der Beschäftigungsverordnung. Im Übrigen siehe Drs. 20/12288 und 21/1260.