BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2058 21. Wahlperiode 03.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 28.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Großsiedlung für Flüchtlinge in Rissen? Eigentlich sollte nach jahrzehntelangen Debatten und Planungsverfahren das alte THW-Gelände nahe der Asklepios Klinik in Rissen mit 230 Wohnungen in zweigeschossiger Bauweise bebaut, doch nun sollen auf der gleichen Fläche 800 Wohnungen innerhalb eines Jahres für rund 5.000 Flüchtlinge errichtet werden. Hierzu frage ich den Senat: 1. Was sah der Bebauungsplan bisher für eine Bebauung vor? Wie viele Wohnhäuser mit wie vielen Wohnungen? Der festgestellte Bebauungsplan Rissen 45/Sülldorf 22 sieht auf 7,2 ha der bundeseigenen Fläche (ehemals THW) im Wesentlichen Doppel- und Reihenhäuser, zwei- bis dreigeschossig, vor. Auf der 1,5 ha großen Fläche im östlichen Bereich des Krankenhauses Rissen (ehemals sechsgeschossige Schwesternwohnhäuser) ist dreigeschossiger Geschosswohnungsbau vorgesehen. Insgesamt waren circa 230 Wohneinheiten mit circa 46 Gebäuden geplant. 2. Warum wurde der Bebauungsplan bisher noch nicht umgesetzt? Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) hat das Grundstück bisher noch nicht verkauft. Zu Verzögerungen hat auch die Frage der Erschließung über den beschrankten Bahnübergang Sieversstücken geführt. 3. Wie stellt sich die Bevölkerungsstruktur nach Einwohnerzahl, Altersgruppen , Geschlecht, Einkommensstruktur, Transferleistungsempfängern , Einwohnern mit Migrationshintergrund et cetera, in Rissen zurzeit dar? Siehe: http://www.statistik-nord.de/daten/datenbanken-und-karten/interaktive-kartenfuer -hamburg-und-historische-stadtteildatenbank/. 4. Wie viele Häuser mit wie vielen Wohnungen sind nun geplant? Die genaue Anzahl der Häuser kann noch nicht benannt werden. Angestrebt wird die Anzahl von circa 800 Wohneinheiten. 5. Auf welcher Rechtsgrundlage soll zunächst geplant und gebaut werden? Wie sieht das weitere Planungsverfahren aus? 6. Wie lange wird nach Einschätzung des Senats ein neues B-Planverfahren dauern? Die Genehmigung über Befreiungen nach § 31 Absatz (2), Nummer 1 BauGB wird vom zuständigen Bezirksamt geprüft. In Falle der Genehmigung über Befreiungen ist keine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Drucksache 21/2058 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 7. Welche alternativen Standorte für kleinere Ansiedlungen von Flüchtlingswohnungsbau im Bezirk Altona hat der Bezirk benannt beziehungsweise der Senat geprüft, warum hat er diese verworfen? Angesichts der Herausforderung hat der Senat jedes Bezirksamt gebeten, eine zusammenhängende größere Fläche von circa 8 ha zu benennen, auf der bis Ende 2016 bezugsfertige Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen errichtet werden können. Hierzu werden bevorzugt größere Flächen gefordert. Darüber hinaus sind alternative Standorte für kleinere Ansiedlungen von „Flüchtlingswohnungsbau“ zu prüfen. 8. Welche möglichen Formen der Bürgerbeteiligung plant der Senat im Zusammenhang mit dem neuen Bauvorhaben? Eine Information für die Öffentlichkeit ist am 18. November 2015 geplant. 9. Welche soziale Infrastruktur, insbesondere Kitas, Grundschule, andere Schulformen, Gemeinschaftseinrichtungen, soziale Dienste sollen auf dem Gelände im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau entstehen? 10. Welche bestehenden sozialen Einrichtungen im Stadtteil Rissen, insbesondere Kitas, Grundschule andere Schulformen, Gemeinschaftseinrichtungen , soziale Dienste sollen die neuen Bewohner nutzen? Die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur ist noch in Planung. In diesem Zusammenhang wird erwogen, die Schule Lehmkuhlenweg zu erweitern. 11. Bei der Mehrheit der zurzeit nach Hamburg kommenden Asylbewerber handelt es sich um Männer aus den verschiedensten Ländern. Da geplant ist, fünf Personen je Wohnung unterzubringen: In der öffentlichen Unterbringung liegt der Anteil der alleinstehenden Männer unter den Zuwanderern bei knapp unter 25 Prozent (Stand 30. September 2015). Rechnet man die Familienväter hinzu, sind 40 Prozent der Zuwanderer, die in Wohnunterkünften leben, erwachsene Männer. a) Wie soll dort langfristig eine Privatsphäre ermöglicht werden? Grundsätzlich werden die Zimmer in allen Unterkünften der öffentlichen Unterbringung mindestens doppelt belegt. Alleinstehende Personen werden immer mit einem Zimmerpartner /einer Zimmerpartnerin des gleichen Geschlechts und möglichst gleicher Muttersprache und kulturellem Hintergrund untergebracht. Dabei werden individuelle Wünsche in Bezug auf die Zimmerpartner so weit berücksichtigt, wie die Kapazitäten dies erlauben. Ein Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelzimmer besteht für Alleinstehende nicht. Einzelunterbringung erfolgt nur, wenn gesundheitliche oder andere wichtige Gründe dies notwendig machen. b) Wie sollen Konflikte verhindert werden? Welche Maßnahmen zur Konfliktprävention sind geplant? Das Unterkunfts- und Sozialmanagement vor Ort verfolgt eine sozialverträgliche Belegung . Einerseits wird in jeder Unterkunft eine Mischung von Familien sowie alleinstehenden Männern und Frauen verschiedener Nationalitäten vorgenommen. Bei der Belegung konkreter Zimmer oder Wohneinheiten wird zudem darauf geachtet, Menschen zusammen zu bringen, die die gleiche Sprache sprechen und/oder einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund haben. Soweit es die Kapazitäten zulassen, wird dabei auch auf individuelle Wünsche zur gemeinsamen Unterbringung Rücksicht genommen. Für den Fall, dass es trotzdem zu Konflikten kommt, steht das Sozialmanagement unter der Woche jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung, um als Streitschlichter oder wenn nötig zur Krisenintervention einzugreifen. Wenn innerhalb der bestehenden Bewohnerkonstellation keine Lösung gefunden werden kann, besteht die Möglichkeit, Bewohner in andere Unterkünfte zu verlegen. Sollten Konflikte so schwerwiegend werden, dass es zu strafrechtlich relevanten Handlungen kommt, besteht enger Kontakt zwischen den Mitarbeitern und den zuständigen Polizeidienststellen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2058 3 c) Ist die Einrichtung eines eigenen Polizeikommissariats oder die Aufstockung der zuständigen Außenstelle des PK 26 geplant? Derzeit nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. 12. Ab wann ist ein Zuzug von Nicht-Flüchtlingen geplant? Welche Durchmischung in der Großsiedlung wird auf welchem Wege angestrebt? Weshalb wird eine Durchmischung nicht von Anfang an geplant? Es ist beabsichtigt, die Wohnungen für die nächsten 15 Jahre als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, weil hierfür ein dringender Bedarf besteht. Ob bereits in diesem Zeitraum auch reguläre Mietverträge abgeschlossen werden können, ist noch offen. 13. Welches Integrationskonzept will der Senat im Zusammenhang mit der Errichtung der Großsiedlung zur Anwendung bringen? Ist ein Quartiersmanagement geplant? Eine Konzentration von bis zu 4.000 Menschen auf relativ engem Raum bringt planerische und soziale Herausforderungen mit sich. Die Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben und eine positive Quartiersentwicklung werden von den zuständigen Behörden von Anfang an bedacht. Ziel ist dabei die Integration in den gesamten Stadtteil. Auch anhand der Erfahrungen anderer Dienststellen, die auf kurzem Wege eingebunden werden, sind Aspekte wie zum Beispiel Nahversorgung, Kinderbetreuung, Bildung aber auch die Schaffung von Orten der Begegnung im Quartier von großer Bedeutung . Vorrangig geht es dabei auch um eine Ertüchtigung der Infrastruktur in der Umgebung, um eine gute Integration der neuen Quartiere zu ermöglichen. Von Anfang wird es qualifizierte Betreuungspersonen vor Ort geben. Ob jeweils auch ein Quartiersmanagement eingerichtet wird, wird zurzeit von der zuständigen Behörde geprüft. Von großer Bedeutung für eine gute Nachbarschaft im Quartier und mit den angrenzenden Quartieren ist dabei die Belegung, das heißt die Zusammensetzung der Bewohner. Diese Belegungssteuerung erfolgt in öffentlicher Hand durch f & w fördern und wohnen AöR. 14. Mit welcher Begründung setzt der Senat sich über die massiven stadtentwicklungs - und integrationspolitischen Bedenken gegen die geplanten Großsiedlungen hinweg? Ausdrückliches Ziel ist eine Entlastung der öffentlichen Unterbringung und insbesondere der vorübergehenden Unterbringung in Zelten, Hallen und Containern. In diesen temporären Unterkünften leben mittlerweile mehr als 30.000 Menschen. Der Senat sieht in der schnellen Entwicklung von Wohnungsbauquartieren eine Chance einerseits die extreme Wohnungsnotlage der in Hamburg verbleibenden Flüchtlinge und Asylbewerber mit zu beheben und andererseits der weiterhin steigenden Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen durch die heutigen und zukünftigen Hamburger Bürger auch dauerhaft Rechnung zu tragen.