BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/206 21. Wahlperiode 17.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 09.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Wie setzt Hamburg das Instrument des Passentzuges ein? Wie der nationalen Tagespresse zu entnehmen war, hat die niedersächsische Polizei in der Stadt Wolfsburg trotz rechtlicher Möglichkeiten, bisher kaum vom Recht des Passentzuges für mutmaßliche ausreisewillige Jihadisten Gebrauch gemacht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist die Handhabung in Hamburg? Wird vom Mittel des Passentzuges Gebrauch gemacht? In Hamburg wird bei deutschen Staatsangehörigen von den Möglichkeiten des Passgesetzes (PassG) und bei ausländischen Staatsangehörigen von den aufenthaltsrechtlichen Instrumentarien des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) Gebrauch gemacht. In jedem rechtzeitig bekannt werdenden Fall werden die Möglichkeiten passentziehender oder beschränkender Maßnahmen geprüft. Darüber hinaus werden gezielte Ansprachen durchgeführt. Bei Vorliegen konkreter Erkenntnisse, dass eine Person die Absicht hat, sich am bewaffneten Kampf im Ausland zu beteiligen, leitet die Polizei strafverfolgende Maßnahmen ein. 2. Wenn ja, wie oft ist dies bisher geschehen? Die Hamburger Sicherheitsbehörden (Landeskriminalamt, Landesamt für Verfassungsschutz ) haben in den Jahren 2012 – 2015 insgesamt 16 Ausreiseverbote mit Bezügen zu Ausreisen in das Gebiet Syrien/Irak angestoßen, welche dann von den jeweils zuständigen Abteilungen des Hamburger Einwohnerzentralamtes (beziehungsweise in einem Fall von der zuständigen Stelle in Bremen) verfügt wurden. Neun der 16 Personen sind deutsche Staatsangehörige, bei diesen wurden jeweils die Einziehung des Reisepasses (soweit vorhanden) und eine räumliche Beschränkung des Personalausweises angeordnet. Bei den sieben Personen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit wurde jeweils der Pass eingezogen. 3. Sind die betreffenden Personen damit an der Ausreise gehindert worden ? Ja. Lediglich in zwei Fällen haben die Maßnahme des Passentzuges die Personen nicht an der Ausreise gehindert. Ein ausländischer Staatsangehöriger ist mit dem Pass einer anderen Person ausgereist . Die ausgereiste Person wurde daraufhin formal ausgewiesen, um mit dem damit verbundenen Einreiseverbot nach § 11 AufenthG einer Rückkehr entgegenzuwirken. Mit welchen Papieren im zweiten Fall die Ausreise erfolgt ist, ist der zuständigen Behörde nicht bekannt. Drucksache 21/206 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Gibt es sonstige Erkenntnisse über in die Kriegsgebiete ausgereiste Personen ? Ja. Siehe Drs. 20/12169, 20/13133 und 20/13641. 5. Sind ausgereiste Personen mit jihadistischem Hintergrund aus den Gebieten Syrien/Irak nach polizeilichen Erkenntnissen wieder nach Hamburg eingereist? Bisher sind rund 50 Personen mit dem Ziel ausgereist, den sogenannten bewaffneten Dschihad in Syrien und im Irak zu unterstützen. Nicht jede Reisebewegung erfolgt mit dem Ziel, dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Sie kann auch zum Überbringen von Geld und Sachen dienen. Aufgrund der unübersichtlichen Lage vor Ort und der fehlenden Einblickstiefe kann nicht in jedem Fall sicher bestimmt werden, welchem Zweck die Reise dient. Von diesen Personen ist circa ein Drittel nach Hamburg zurückgekehrt. Im Übrigen siehe Drs. 20/13641. 6. Wenn ja, befinden sich diese Personen noch auf hamburgischem Gebiet? Nach den derzeitigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden halten sich diese Personen überwiegend in der Metropolregion Hamburg auf. 7. Geht nach Auffassung von Sicherheitsbehörden nach den unter 6. erfassten Personen eine Gefahr aus? Grundsätzlich wird, wie auch von den Bundessicherheitsbehörden angenommen, zunächst von einer erhöhten Gefährdung durch diese Personen ausgegangen, die einer jeweiligen Einzelfallprüfung zu unterziehen ist. Es gibt derzeit jedoch keine Hinweise oder Erkenntnisse, dass von diesen Personen aktuell konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. 8. Wenn ja, welche Maßnahmen haben der Senat und die Sicherheitsbehörden zum Schutz der Bevölkerung ergriffen? Hamburg geht mit präventiven wie mit repressiven Mitteln gegen Gefahren durch Rückkehrer aus Dschihadgebieten vor: Bei Vorliegen von Straftatbeständen werden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Zuge dessen werden alle nach der Strafprozessordnung möglichen und für die Beweisführung erforderlichen Maßnahmen durch die Staatsanwaltschaft beantragt und von der Polizei durchgeführt. Weiterhin erstellen die Sicherheitsbehörden individuelle Gefährdungsanalysen und passen notwendige Maßnahmen den jeweiligen Einschätzungen an. Dabei werden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten alle gefahrenabwehrenden Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ausgeschöpft. Durch das Landeskriminalamt Abteilung Staatsschutz (LKA 7) werden im Rahmen des bereits seit 2008 bestehenden Programms „Verstehen, Verbünden, Vorbeugen“ Aktivitäten im Sinne der Fragestellung ergriffen, um möglichst frühzeitig Gefährdungen zu erkennen und diesen durch die Einleitung von geeigneten Präventionsmaßnahmen zu begegnen. Das vom Senat beschlossene Maßnahmenpaket „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ (Drs. 20/11767) wird umgesetzt und gestärkt: Dazu gehört die Einrichtung eines Netzwerks Prävention und Deradikalisierung, die Schaffung eines Mobilen Beratungsteams, das Aufsetzen eines Deradikalisierungsprojekts und die Beteiligung am Bundesprogramm „Demokratie leben“. Die beteiligten Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen richten eine Präventionsstelle ein, die insbesondere Schulen, Vereine und Jugendzentren informieren und beraten kann, wenn eine Radikalisierung Einzelner droht. Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter erhalten Angebote zur Fortbildung gerade auch im Umgang mit Erscheinungsformen des Islamismus. Jugendleiter werden auch im Umgang mit den Gefahren von scheinbar religiös motiviertem Extremismus geschult.