BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2081 21. Wahlperiode 06.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 30.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Salafisten erkennen: Polizei schult Personal in Flüchtlingsunterkünften Aus Medienberichten geht hervor, dass die Polizei beabsichtigt, die Wachleute in Flüchtlingsunterkünften darin zu schulen, Salafistinnen und Salafisten und vermeintliche IS-Kämpferinnen und -Kämpfer zu erkennen. In einem Bericht im „Hamburger Abendblatt“ vom 22.Oktober 2015 heißt es: „Die Beamten sollten den Wachleuten konkrete Hinweise mitgeben, wie auf salafistische Aktivitäten zu reagieren sei.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) wie folgt: 1. Welche polizeilichen Einheiten bilden das Personal in welchen Unterkünften aus? Die Darstellung im Artikel des „Hamburger Abendblattes“ entspricht nicht den Tatsachen . Schulungen des Sicherheitspersonals in Flüchtlingsunterkünften, wie sie dort beschrieben sind, werden von der Polizei nicht durchgeführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/1513. 2. Wie und durch wen sind die Polizistinnen und Polizisten zu den Themen Salafismus, Dschihadismus, Salafistinnen und Salafisten in Hamburg geschult worden? Im Studium des Laufbahnabschnitts II der Polizei werden die Themen Salafismus, Dschihadismus, Salafistinnen und Salafisten insbesondere in den Ausbildungskomplexen „Individuelle und gesellschaftliche Grundlagen beruflichen Handelns“ und „Individuelle und berufliche Problemfelder“ behandelt. Grundsätzlich sind Themen wie Migration, Politik, Kultur und Alltag von Migranten im Zusammenspiel mit der polizeilichen Arbeit punktuell in verschiedenen Lehrgängen integriert. Im Zuge einer ergänzenden Neukonzeption wurden diese Inhalte in ein Tagesseminar „Interkulturelle Kompetenz“ integriert. Referenten in diesem Seminar sind eine externe Islamwissenschaftlerin sowie der Direktor des Völkerkundemuseums . Neben den bereits genannten Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Fortbildung führen die Präventionsdienststelle der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA 7) sowie die zuständige Dienststelle für Fortbildung der Akademie der Polizei konkret für Polizeibeamte bedarfsbezogen Informationsveranstaltungen auf regionaler Ebene durch. 3. Mit welchen Methoden und an welchem Ort tragen die Polizistinnen und Polizisten ihr Wissen weiter? Drucksache 21/2081 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bei der Polizei ist das LKA 7 für die Prävention gewaltzentrierter Ideologien zuständig. Das LKA 7 ist im Hamburger Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung vertreten und steht sowohl anlassbezogen als auch anlassunabhängig externen und internen Bedarfsträgern als Ansprechpartner zur Verfügung. Das LKA 7 wird auf Anfrage tätig. Bei Vorträgen zum Thema Salafismus gehören zu den inhaltlichen Schwerpunkten Aspekte wie allgemeine Sensibilisierung, die Rolle des Salafismus als Aspekt einer Jugendkultur in Deutschland sowie der jeweils aktuelle Stand der Bemühungen Hamburgs zur Begegnung dieses Phänomens. Ziel ist jeweils, abhängig vom Informationsbedarf des Adressatenkreises, die Vermittlung sachlicher Informationen zum entsprechenden Phänomenbereich. 4. Nach welchen Kriterien soll beurteilt werden, wer dem salafistischen Spektrum zuzuordnen sei? Einen Kriterienkatalog im Sinne der Fragestellung gibt es nicht. Im Rahmen des Beratungsnetzwerks Prävention und Deradikalisierung werden derzeit Indikatoren für eine religiös begründete Radikalisierung erarbeitet. Im Übrigen wird auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zurückgegriffen. Unabhängig davon gibt es bereits seit vielen Jahren das „Merkblatt für Ausländerbehörden zum Erkennen von potenziellen islamistischen Gewalttätern“, welches regelmäßig in Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern in der Polizeilichen Informations - und Analysestelle (PIAS) des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) an aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus angepasst wird. 5. Konkretisieren Sie bitte die Aussage, „wie auf salafistische Aktivitäten zu reagieren sei“. a. Was passiert mit Menschen, die dem salafistischen Spektrum zugeordnet werden? b. Sofern sich bestätigt, dass jemand dem Spektrum zugehörig ist, was passiert mit ihm? c. Was passiert, wenn die Person es nicht ist? Bei möglichen Fragestellungen aus dem Phänomenbereich des dschihadistischen Salafismus treffen die Sicherheitsbehörden die fachliche Einschätzung anhand des jeweiligen Einzelfalles. Welche Maßnahmen im Einzelfall auf Grundlage dieser Einschätzung durch die Polizei getroffen werden, bestimmt sich nach ihrem gesetzlichen Auftrag der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Unter den Voraussetzungen der §§ 47, 53 fortfolgende Aufenthaltsgesetz können zudem gegebenenfalls aufenthaltsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen. 6. Inwiefern kann der Senat ausschließen, dass es bei dem Vorgehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unterkünften nicht zu einer Art „Racial Profiling“, also zu einer Diskriminierung von Flüchtlingen kommt, die dem Spektrum nicht angehören, von denen es aber angenommen wird? Inhalt bestehender und gegebenenfalls einzuführender Schulungen ist zwar die Sensibilisierung für bestimmte Verdachtsindikatoren, die auf eine extremistische Gesinnung von Personen hindeuten könnten. Selbstverständlich wird jedoch auch auf den Grundsatz der Toleranz und des Respekts gegenüber allen Religionen oder Weltanschauungen , die auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen , hingewiesen und dass keine Glaubensrichtung oder ethnische Gruppe unter Generalverdacht gestellt werden darf. 7. Inwiefern sind Maßnahmen zur Schulung des Personals in Gewaltprävention geplant? Derartige Schulungen werden bereits durchgeführt. So sieht der Regelkatalog für Fortbildungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von f & w jeweils zweitägige Fort- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2081 3 bildungen zu den Themen „Deeskalierendes Verhalten und deeskalierende Kommunikation “ sowie „Islam im Arbeitsalltag“ vor. Letztere wurde erst im Laufe des Jahres 2015 neu in den Fortbildungskanon aufgenommen . Bis zum Jahresende 2015 werden noch jeweils sieben dieser Veranstaltungen durchgeführt. Die Fortbildung vermittelt Wissen über die verschiedenen Glaubensrichtungen im Islam und beinhaltet einen speziellen Block zum Thema religiöser Extremismus im Islam. In diesem wird gezielt über Gruppen informiert, deren Zielsetzungen und Handlungsweisen nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Grundsätzlich befinden sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Unterkünfte in engem Austausch mit den Bürgernahen Beamten der Polizei, um bei Verdacht auf strafrechtliche Handlungen frühzeitig die zuständigen Behörden hinzuzuziehen. Darüber hinaus siehe Drs. 21/1542. Darüber hinaus prüfen die Sicherheitsbehörden der Länder im Rahmen ihrer Gremienstruktur , welche Schulungsbedarfe bestehen könnten. 8. Inwiefern ist geplant, die Schulungen auf freiwillige Helferinnen und Helfer in Unterkünften auszuweiten? Bisher werden keine speziellen Veranstaltungen für freiwillig Engagierte angeboten. Anders als bei den Beschäftigten handelt es sich bei den Helfenden nicht um eine feste Gruppe, vielmehr unterliegt deren Zahl einer stetigen Fluktuation. Im Zusammenhang mit dem aufzubauenden Forum Flüchtlingshilfe wird jedoch auch der Qualifizierungs - beziehungsweise Unterstützungsbedarf ehrenamtlich Tätiger neu diskutiert und bewertet. Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus siehe Drs. 21/1542. Grundsätzlich stehen die Freiwilligen bei f & w in sehr engem Austausch mit den hauptamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor Ort und der f & w-weiten Freiwilligenkoordination. In diesem Rahmen besteht die Möglichkeit, sich grundsätzlich über Auffälligkeiten auszutauschen und sich gegebenenfalls gegenseitig über entsprechende Vorkommnisse zu informieren. Darüber hinaus prüfen die Sicherheitsbehörden der Länder im Rahmen ihrer Gremienstruktur , welche Schulungsbedarfe bestehen könnten. 9. Inwiefern sind Maßnahmen geplant, bei denen Flüchtlinge andere Flüchtlinge für dieses Thema sensibilisieren? Wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Derartige Planungen bestehen derzeit nicht. Solche Maßnahmen könnten als gegenseitige Überwachung von Flüchtlingsgruppen oder Einzelnen aufgefasst werden. Zudem bestünde die Gefahr einer Hierarchisierung und Stigmatisierung bestimmter Gruppen innerhalb der Unterkünfte. Dies könnte einen erheblichen negativen Einfluss auf den sozialen Frieden in den Einrichtungen haben. Auch die Polizei Hamburg bewertet eine Sensibilisierung von Flüchtlingen zum Thema Salafismus gegenwärtig nicht als zielführende Maßnahme zur Bekämpfung des dschihadistischen Salafismus.