BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2122 21. Wahlperiode 10.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 04.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand – Aus welchem Grund wird die Richterschaft gegenüber den Beamten benachteiligt? In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage, Drs. 21/2026, gibt der Senat an, dass für Beamte nach § 35 Absatz 4 Nummer 2 des Hamburgischen Beamtengesetzes (HmbBG) die Möglichkeit besteht, den automatischen Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen der Altersgrenze auf Antrag des Beamten um bis zu drei Jahre hinauszuschieben, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt. Für Richterinnen und Richter kann der gesetzliche Eintritt in den Ruhestand jedoch nicht hinausgeschoben werden. Diese Ungleichbehandlung ist nicht nachvollziehbar. Ein Anspruch besteht seit Erlass des Gesetzes zur Förderung der Mobilität zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft vom 17. Februar 2014 (MobFG) auch für Beamte zurzeit leider nicht. Das Inkrafttreten dieser in § 35 Absatz 5 HmbBG enthaltenen Regelung wurde vom 1. Januar 2015 auf den 1. Januar 2020 entgegen der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußerten Empfehlung der Vereinigung Hamburgischer Verwaltungsrichter (Drs. 20/9602) verschoben. Für Hamburgs Richterschaft ist die Rechtslage noch undurchsichtiger: Das Inkrafttreten der im Gesetz zur Neuregelung des hamburgischen Beamtenrechts vom 15. Dezember 2009 in Artikel 17 enthaltenen Parallelvorschrift für Hamburgs Richterinnen und Richter, die diesen in § 7 Absatz HmbRiG ebenfalls die Möglichkeit des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand ab dem 1. Januar 2015 einräumte, soll nach Angaben des Senats in der Antwort auf die Frage 10. der Schriftlichen Kleinen Anfrage, Drs. 21/2026, ebenfalls durch das MobFG auf den 1. Januar 2020 verschoben worden sein. Die aktuelle Fassung des Hamburgischen Richtergesetzes (HmbRiG) enthält jedoch überhaupt keinen Absatz 6. Das Interesse der Hamburger Beamtinnen und Beamten am Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand steigt stetig: Während im Jahr 2013 52 Anträge gestellt wurden, sind es in diesem Jahr bereits bis Ende Oktober 69 Anträge. Auch immer mehr Tarifbeschäftigte wollen länger arbeiten: Gab es am 31. Dezember 2010 noch 108 Angestellte des öffentlichen Dienstes, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt waren, waren es am 31. Dezember 201 bereits 182. Gerade im Hinblick auf die aktuelle personelle Situation der hamburgischen Verwaltung und die gravierende Überlastung der Justiz ist es unverständlich, weshalb der Senat nicht – vermehrt – auf motivierte und erfahrene Beamte Drucksache 21/2122 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 und Richter zurückgreifen will, die ihren Eintritt in den Ruhestand verschieben möchten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Aus welchem Grund wurde wann und auf wessen Veranlassung der Absatz 6 des § 7 HmbRiG gestrichen? § 7 Absatz 6 HmbRiG wurde nicht gestrichen. Er wird erst am 01.01.2020 in Kraft treten. Sein künftiger Wortlaut ergibt sich aus Artikel 17 Nummer 5.6 des Gesetzes zur Neuregelung des hamburgischen Beamtengesetzes vom 15. Dezember 2009 (HmbGVBl. Seite 405). 2. Aus welchem Grund wurde es Beamten ermöglicht, den Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen der Altersgrenze um bis zu drei Jahre hinauszuschieben , wenn dies im dienstlichen Interesse liegt, Richterinnen und Richtern hingegen nicht? Wie rechtfertigt die zuständige Behörde diese Ungleichbehandlung? Die Differenzierung beruht auf Artikel 97 Grundgesetz (GG) (vergleiche Drs. 19/3757). 3. Seit dem Jahr 2013 stieg sowohl die Anzahl der von Beamten gestellten als auch die Anzahl der abgelehnten Anträge stark an. In diesem Jahr wurden bis zum 26. Oktober 2015 bereits 69 Anträge gestellt, von denen 24 aufgrund entgegenstehenden oder fehlenden dienstlichen Interesses abgelehnt wurden. a. Wurden von Beamten, deren Anträge seit dem Jahr 2010 abgelehnt wurden, Rechtsbehelfe eingelegt? Falls ja, wie viele und mit jeweils welchem Ausgang? Bitte pro Jahr darstellen. Bei der Polizei Hamburg (insgesamt 43 Ablehnungen im abgefragten Zeitraum) kann zwar die Anzahl der Ablehnungsfälle aus dem Personalverwaltungssystem, nicht jedoch können die dazugehörigen Personalfälle ausgewertet werden. Für eine valide Beantwortung der Fragen nach eingelegten Rechtsbehelfen und deren Ausgang müssten die Personalakten von mehreren Hundert Beamtinnen und Beamten, die seit 2010 in den Ruhestand getreten sind, durchgesehen werden. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für die übrigen Behörden und Ämter ergibt sich folgendes Bild: Im Jahr 2010 wurde in einem Fall Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt und später zurückgenommen. In den Jahren 2011 und 2013 wurden keine Rechtsbehelfe eingelegt. Im Jahr 2012 wurden in zwei Fällen Rechtsbehelfe gegen die ablehnenden Entscheidungen eingelegt. In einem Fall wurde der Eintritt in den Ruhestand aufgrund eines Vergleichs um einen Teil des beantragten Zeitraumes hinausgeschoben. Im zweiten Fall verschob sich der Eintritt in den Ruhestand um die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Im Jahr 2014 wurden in drei Fällen Rechtsbehelfe eingelegt. In einem Fall wurde der Widerspruch zurückgenommen, im zweiten der Widerspruch zurückgewiesen und im dritten Fall der einstweilige Rechtsschutz durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Bis zum 26. Oktober 2015 wurden in zwei Fällen Rechtsbehelfe eingelegt. In einem Fall wurde der Widerspruch zurückgenommen. Der zweite Fall ist noch offen. b. Inwiefern hält die zuständige Behörde weiterhin an der mit dem Gesetz zur Förderung der Mobilität zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft getroffenen Regelung zum Inkrafttreten des § 35 Absatz 5 HmbBG fest? Die Verwaltung ist nach Artikel 20 Absatz 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2122 3 c. Vielfach werden identische beziehungsweise vergleichbare Tätigkeiten in Dienststellen sowohl von Beamten als auch von Angestellten des öffentlichen Dienstes ausgeübt. Wie beurteilt die zuständige Behörde vor diesem Hintergrund den Umstand, dass die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung von Angestellten des öffentlichen Dienstes gemäß § 33 Absatz 5 TV-L wesentlich flexibler ausgestaltet ist als für Beamte? Die unterschiedliche Ausgestaltung der dienst- beziehungsweise arbeitsrechtlichen Verhältnisse der beiden Statusgruppen – bei Beamtinnen und Beamten durch Gesetz, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeits-/Tarifvertrag – ist durch Artikel 33 Absatz 4 und 5 GG verfassungsrechtlich begründet und kann hinsichtlich der Regelungsgegenstände (Begründung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses , Entgelt, Arbeitszeit und so weiter) zu Differenzierungen zwischen den Statusgruppen führen. Das ist auch nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich.