BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2154 21. Wahlperiode 24.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Joachim Körner und Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 09.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Anstieg der Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte Bei einem nach wie vor nicht versiegenden Strom von Flüchtlingen nach Deutschland und insbesondere auch nach Hamburg, kommt es nach Angaben des Innenministeriums, des Bundeskriminalamtes (BKA) und nach Bericht unterschiedlicher Medien stark zunehmend zu Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte . Laut einem Bericht von „Tagesschau.de“ vom 09.10.2015, der den Bundesinnenminister Thomas de Maizière zitiert, gab es im Jahre 2015 zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit bereits 490 Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte . „SPIEGEL ONLINE“ berichtet am 22.10.2015 bereits von mehr als 500 Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte. Dabei bezieht sich „DER SPIEGEL“ auf einen vertraulichen Lagebericht des BKA. Demgegenüber habe es im Jahr 2014 lediglich 177 Angriffe gegeben und im Jahr 2011 sogar nur 18. Nach Angaben der „Hamburger Morgenpost“, die sich ebenfalls auf ein Dossier des Bundeskriminalamtes bezieht, habe es in Hamburg bis zum 6. Oktober im Jahr 2015 13 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Zusätzlich besorgniserregend zu den nackten Zahlen der Straftaten ist die Angabe, dass zwei Drittel derjenigen, die solche Angriffe begehen, nicht originär aus dem rechtsradikalen beziehungsweise rechtsextremen Umfeld stammen, was ebenfalls aus dem vertraulichen Lagebericht des BKA hervorgeht . Zudem ist dies die Aussage Ralf Peter Anders, des Leiters des Dezernats für politisch motivierte Straftaten bei der Staatsanwaltschaft Lübeck, in einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“. Beides lässt darauf schließen, dass der Kreis derjenigen, die geneigt sind, entsprechende Straftaten zu begehen, sich offenbar vergrößert hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Schriftliche Kleine Anfrage vom 9. November 2015 wurde dem Senat am 18. November 2015 zugeleitet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme (ZEA), der Folgeunterbringung und der Aufnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge gibt es derzeit in Hamburg? Bitte tabellarisch darstellen und dabei ebenfalls angeben, in welchem Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet sowie über wie viele Plätze die jeweilige Einrichtung verfügt. Siehe http://www.hamburg.de/fluechtlinge-unterbringung-standorte/. Drucksache 21/2154 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele Übergriffe auf welche Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen hat es in Hamburg bisher im Jahre 2015 gegeben? Bitte bezogen auf die jeweilige Unterbringung und unter Nennung der jeweiligen Straftat angeben. 3. Wie ist die Entwicklung im Vergleich mit den Vorjahren? Bitte die Anzahl und die Art der Übergriffe der Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 nennen, unter Angabe der jeweiligen betroffenen Einrichtung. Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). In der PKS erfolgt die räumliche Erfassung in ihrer kleinsten Einheit nach Ortsteilen. Nach Art der Tatörtlichkeit oder nach Adressen wird nicht weiter differenziert; somit werden in der PKS Erst- und Folgeunterkünfte sowie Asylunterkünfte als Tatort nicht gesondert erfasst. Im Landeskriminalamt (LKA) Hamburg ist die Abteilung Staatsschutz (LKA 7) für politisch motivierte Straftaten (PMK) zuständig; hierunter können auch Straftaten im Sinne der Fragestellungen fallen. Straftaten der PMK werden im bundeseinheitlichen „Kriminalpolizeilichen Meldedienst politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst; statistisch auswertbare Daten im Sinne der Fragestellungen liegen im KPMD-PMK nicht vor. Zur Erfassung politisch motivierter Straftaten (PMK), den Auswertemöglichkeiten und deren Grenzen im Sinne der Fragen siehe Drs. 19/4795 und 20/3215. Für die Beantwortung der Fragestellungen wäre daher eine Auswertung sämtlicher kriminalpolizeilicher Ermittlungsvorgänge des erfragten Zeitraums erforderlich. Die händische Durchsicht mehrerer hunderttausend Hand- und Ermittlungsakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird nicht erfasst, ob eine Straftat in einem Zusammenhang mit einer Flüchtlingsunterkunft steht. Zur Beantwortung dieser Fragen müssten daher jedenfalls alle Verfahren ausgewertet werden, die im Register 7101 Js/7101 UJs (Ermittlungsverfahren mit politischem Einschlag) eingetragen wurden. Hierbei handelt es sich um die folgende Anzahl von Verfahren1: Jahr 7101 Js 7101 UJs 2011 833 1016 2012 1451 741 2013 746 813 2014 905 1078 20152 815 1065 In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine händische Verfahrensauswertung nicht möglich. Zu „Übergriffen“ und damit verbundenen Straftaten erfolgt weder bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) noch bei f & w fördern und wohnen AöR eine Erfassung. 4. Auf welche Weise reagieren die Hamburger Behörden auf diese Bedrohungslage ? Welche Maßnahmen waren bisher zum Schutz der Einrichtungen getroffen worden? Sind insbesondere nach Bekanntwerden des Anstiegs der geschilderten Straftaten die Sicherheitsvorkehrungen an den Flüchtlingsunterkünften intensiviert worden? Wenn ja, auf welche Weise. Wenn nein, warum nicht? 1 Die Daten stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA. 2 Stand: 18. November 2015. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2154 3 Alle Erstaufnahmeeinrichtungen sind rund um die Uhr mit einem Wachdienst besetzt. Dieser kontrolliert auch den Zugang zu den Einrichtungen und benachrichtigt bei Bedarf die Polizei oder Rettungskräfte. Die Polizei trifft die im Einzelfall zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlichen Maßnahmen. Flüchtlingsunterkünfte sowie deren direktes Umfeld werden durch die Polizei im Rahmen des Streifendienstes überwacht. Darüber hinaus sind die jeweils örtlich zuständigen Beamten des besonderen Fußstreifendienstes regelmäßig in den Unterkünften vor Ort und stehen in ständigem Kontakt mit der Unterkunftsleitung. Im Übrigen bewertet die Polizei Hamburg die aktuelle Entwicklung fortlaufend und steht in einem regelmäßigen Informationsaustausch mit den zuständigen Stellen. Grundsätzlich werden durch die BASFI keine besonderen zusätzlichen Maßnahmen ergriffen. Soweit im Einzelfall geboten, wird während der Herrichtung von Einrichtungen auf den Baustellen gegebenenfalls eine nächtliche Bewachung eingerichtet, um etwaigen Diebstählen und Sachbeschädigungen vorzubeugen. Der Polizei liegen Erkenntnisse zu besonderen Bedrohungslagen im Sinne der Fragestellung nicht vor. Weitere Maßnahmen werden daher derzeit nicht für erforderlich gehalten.