BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2158 21. Wahlperiode 17.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten David Erkalp (CDU) vom 09.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Bewährte Standards im Handwerk und in den Freien Berufen erhalten: Überprüfung der nationalen Berufszugangsregeln durch die EUKommission Die EU-Kommission hat mit der Mitteilung zur Bewertung nationaler Reglementierungen des Berufszugangs vom 2. Oktober 2013 (COM (2013) 676 final) einen Arbeitsplan zur Evaluierung der Berufszugangsregelungen vorgelegt . Damit soll überprüft werden, ob die einzelnen nationalen Regulierungen nicht diskriminierend, erforderlich und angemessen sind. Darauf aufbauend soll jedes Mitgliedsland einen Aktionsplan formulieren, über dessen Inhalt jeder Mitgliedstaat eigenverantwortlich entscheidet. Auch das Handwerk ist von dieser Evaluierung betroffen. Auch wenn sich aus der ergebnisoffenen Untersuchung der EU-Kommission keine unmittelbaren gesetzgeberischen Konsequenzen ergeben, so gilt es aufmerksam zu sein und gegenüber der EU immer wieder auf die Notwendigkeit und Bewahrung verhältnismäßiger und bewährter Berufszugangsregeln zu verweisen. Auch gilt es, auf die Erhaltung des Meisterbriefes für den Verbraucherschutz, für nachhaltige Existenzgründungen und als Teil der Erfolgsgeschichte der dualen Ausbildung hinzuweisen. Es muss verhindert werden, dass die Meisterpflicht in ihrem Grundsatz durch Maßnahmen des europäischen Binnenmarktes beeinträchtigt wird. Mit der Meisterqualifikation wird auch das Rüstzeug zur Selbstständigkeit und zum Unternehmertum vermittelt. 80 Prozent der Auszubildenden im Handwerk haben einen Hauptschul- oder Realschulabschluss. Diese Zielgruppe erhält mit der Möglichkeit der Fortbildung zum Meister eine aussichtsreiche Chance für eine eigene Existenzgründung. Die Meisterqualifikation ermöglicht einen bewährten Weg zur Selbstständigkeit jenseits der akademischen Ausbildung. Zwar ist es richtig, die Dienstleistungsfreiheit EUweit zu stärken, jedoch müssen sinnvolle Beschränkungen im öffentlichen Interesse dringend aufrechterhalten bleiben. Die gegenseitige Evaluierung der Mitgliedsstaaten der Zugangsbeschränkungen lief für eine erste Gruppe von Berufen von Juni 2014 – Februar 2015, für eine zweite Gruppe von November 2014 bis September 2015. Die nationalen Aktionspläne sollen dann für alle Berufsgruppen bis Anfang 2016 vorliegen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Gründe sprechen aus Sicht des Senats für die Beibehaltung des Meisterbriefs in den zulassungspflichtigen Handwerken? Der Senat hat in der Drs. 20/14201 ausführlich dargelegt, dass der Meisterbrief erhalten bleiben soll. Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Meisterqualifikation von wesentlicher Bedeutung für eine nachhaltige Unternehmensgründung, erfolgreiche Unternehmensführung sowie für die Sicherung des qualifizierten Nachwuchses im Drucksache 21/2158 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Handwerk ist. Die duale Ausbildung und die Meisterqualifikation sichert zum einen eine hohe Qualität der betrieblichen Ausbildung und vermittelt zum anderen die Grundlagen für die erfolgreiche Selbständigkeit. Hierdurch wird ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet und Verbraucherinnen und Verbraucher werden vor unsachgemäßen oder gefährlichen Arbeitsausführungen geschützt. Diese Sichtweise ist auch vom Bundestag mit der Annahme des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und SPD „Transparenzinitiative der Europäischen Kommission mitgestalten – Bewährte Standards im Handwerk und in den Freien Berufen erhalten“ (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/052/1805217.pdf) nochmals am 2. Juli 2015 bestätigt worden. 2. Wie bewertet der Senat in diesem Kontext die Mitteilung der EUKommission vom 2. Oktober 2013 über die Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs? Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass ungerechtfertigte Reglementierungen den Binnenmarkt einschränken und hierdurch nachteilige Auswirkungen auf Beschäftigung und für Verbraucher haben können. Sie weist außerdem darauf hin, dass eine Reglementierung zum Schutz wichtiger Belange geboten sein kann. Die geltenden Regelungen für das Handwerk gewährleisten eine qualitativ hochwertige Ausbildung und dienen dem Verbraucherschutz. 3. Welchen aktuellen Sachstand hat die Überprüfung der nationalen Berufszugangsregeln durch die Europäische Kommission? Die von der Europäischen Kommission geforderten nationalen Aktionspläne dienen der europaweiten Transparenz. Für Deutschland bereiten die Fachressorts auf Bundesebene die geforderten nationalen Aktionspläne im Anschluss an einen von der EUKommission vorzulegenden Evaluationsbericht vor. 4. Wie bewertet der Senat die von der Europäischen Kommission geforderten nationalen Aktionspläne? Die Forderung der EU-Kommission, unter anderem alle reglementierten Berufe hinsichtlich des Berufsbestandes und ihrer Regulationsrahmen einer Prüfung zu unterziehen , kann nicht kritisiert werden. Der Senat wird aber darauf achten, dass der bewährte Meister nicht gefährdet wird. 5. Wie bewertet der Senat die Forderung der Europäischen Kommission, regulatorische Beschränkungen im Berufszugang zu deregulieren? Im Gesamtbereich der reglementierten Berufe lässt sich sowohl die berufsständisch absichernde als auch die hemmende Wirkung feststellen, die die Reglementierung von Berufen (etwa in zeitlicher Hinsicht) mit sich bringt. Gerade vor dem Hintergrund von Engpässen in bestimmten Berufszweigen ist weniger eine Deregulierung, wohl aber eine Erleichterung der Anerkennungsverfahren wünschenswert. Die mit Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU eingeführten Neuerungen versprechen eine solche Erleichterung. Die Europäische Kommission selbst verweist in ihrer Mitteilung vom 2. Oktober 2013 allerdings darauf, dass eine Reglementierung von Berufen unter Aspekten von Verbraucherschutz und Gemeinwohl erforderlich sein kann, wenn die Berufe – auch aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen – eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung einschließlich Praktika erfordern oder die betreffenden Dienstleistungen als „Dienste für das Gemeinwohl“ betrachtet werden können. Der Senat ist der Auffassung, dass die bewährte Meisterqualifikation zu erhalten ist. 6. Wie bewertet der Senat die Gefahren beziehungsweise Chancen, die sich durch eine Deregulierung des Berufszugangs für den Hamburger Arbeitsmarkt ergeben? 7. Wie bewertet der Senat die Auswirkungen einer Deregulierung des Berufszugangs für die Hamburger Wirtschaft? Wie bewertet der Senat die Auswirkungen einer Deregulierung des Berufszugangs speziell für das Hamburger Handwerk? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2158 3 Eine Deregulierung des Berufszugangs ist für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft nicht zwangsläufig von Vorteil. Eine Deregulierung bedarf – wie eine neue Regulierung – der genauen Prüfung im Einzelfall. Die Erfahrungen aus den Deregulierungen im Rahmen der Handwerksnovelle 2003 haben gezeigt, dass zwar die Existenzgründungen anstiegen, jedoch die Betriebsgrößen und Marktverweildauer sanken. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 1. Eine unzweckmäßige Deregulierung birgt die Gefahr, dass die persönliche Qualifikation der Betriebsinhaber sowie die Ausbildungsleistung und -qualität der Betriebe sinkt. 8. Wie positioniert sich der Senat bezüglich der von der Europäischen Union angestrebten Deregulierung des Berufszugangs auf Bundesebene? Der Senat hält an seiner vorgenannten Auffassung (siehe insbesondere Antworten zu den Fragen 5. bis 7. fest und wird sie im Rahmen des Bundesratsverfahrens vertreten. 9. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um dass das EU-Verfahren konstruktiv und kritisch zu begleitet und auf den Evaluierungsprozess Einfluss zu nehmen? Grundsätzlich bieten sich bei EU-weiten Verfahren immer der Austausch zwischen den Ländern sowie der Austausch über die Länderkoordinatoren mit der EU an, um Auslegungsfragen zu klären und als Länder in einem föderalen System so harmonisch zu verfahren, dass es keine zu markanten Umsetzungsdifferenzen innerhalb der Länder zu Ungunsten der EU-Bewerberinnen und -Bewerber auf deutsche Berufe gibt. Die für die verschiedenen reglementierten Berufe zuständigen Bundesministerien stehen in ständigem engem fachlichem Austausch mit den jeweiligen Hamburger Behörden. Dadurch ist gesichert, dass die Auffassung des Senats in die Diskussion über Standards im Berufszugang und in den Regelungen zur Berufsausübung eingebracht werden können.