BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/219 21. Wahlperiode 21.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 13.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Verschlechterung der Handschrift an Hamburgs Schulen Deutschlandweit erkennt die Lehrerschaft, dass ihre Schüler die Fertigkeit, mit der Hand zu schreiben, nur noch unzureichend erlernen. Dies ist das am 1. April veröffentlichte Ergebnis der Umfrage „Probleme bei der Entwicklung von Handschrift“ des Deutschen Lehrerverbands und des Schreibmotorik Instituts. Dabei bestätigen die befragten Lehrer einhellig die zentrale Bedeutung des Schreibens mit der Hand im Ausbildungskanon. Sie bekräftigen hierdurch die Feststellungen diverser Studien, denen zufolge sich durch das häufige handschriftliche Anfertigen von Texten zusammen mit der entsprechenden Schreibmotorik auch das Schriftbild besser einprägt. Damit einhergehend attestiert die Umfrage Schülern mit überdurchschnittlich guter Handschrift insgesamt eine höhere Leistungsfähigkeit. Das erlaubt Rückschlüsse darauf, dass sich beim Schreiben mit der Hand Rechtschreibung und Zeichensetzung deutlich leichter erlernen lassen und das Ausdrucksvermögen gesteigert wird. Aus diesen Gründen monieren die befragten Lehrer auch, dass an Grundund weiterführenden Schulen immer weniger Zeit für Schreibübungen zur Verfügung steht. Dies ist besonders deswegen alarmierend, weil angesichts der Digitalisierung des Alltags außerhalb des Unterrichts ohnehin kaum noch mit einer Förderung des Handschreibens gerechnet werden darf. Daraus erwächst die Notwendigkeit, geeignete bildungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um der Vermittlung der Kulturtechnik des händischen Schreibens im Curriculum den Platz einzuräumen, der ihrem entscheidenden Mehrwert in der Ausbildung gerecht wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Hat die zuständige Behörde in den letzten Jahren Erhebungen dazu vorgenommen , welche Defizite Hamburger Schüler beim Erlernen der Handschrift zeigen? Sind dem Senat daneben anderweitige diesbezügliche Erhebungen bekannt? Falls eigene oder externe Erhebungen dem Senat vorliegen, inwiefern bestätigen sie den Befund der deutschlandweiten Umfrage „Probleme der Entwicklung in der Handschrift“ für Hamburg ? Falls keine Erhebungen vorliegen, wieso wurden zu diesem Thema in Hamburg von der zuständigen Behörde noch keine Nachforschungen angestellt? Die Vermittlung der Kompetenz der Handschriftlichkeit in der Schule ist in den geltenden Hamburger Bildungsplänen (vergleiche http://www.hamburg.de/bildungsplaene) Drucksache 21/219 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ausgewiesen und gehört zu den regelhaften Aufgaben jeder einzelnen Schule beziehungsweise Lehrkraft. Die Entwicklung der Schreibfertigkeit sowie die Förderung der Schreibfähigkeit sind dabei – ausdrücklich mit Bezug auf das Schreiben mit der Hand – als Teilbereiche des Kompetenzbereichs Schreiben durchgängige Bildungsziele in Grundschule sowie in Stadtteilschule und Gymnasium. Die Entwicklung der Handschriftlichkeit ist kontinuierlich Gegenstand der Lernbeobachtung. Aus dieser Lernbeobachtung hat sich für die zuständige Behörde bisher kein Anlass für eine wissenschaftliche Erhebung ergeben; siehe auch Antwort zu 4. und 5. Die zitierte deutschlandweite Umfrage „Probleme bei der Entwicklung in der Handschrift “ beruht auf einer nicht repräsentativen Umfrage von Lehrkräften und liefert demnach keine empirisch abgesicherten und allgemeingültigen Ergebnisse, weder für Deutschland noch für Hamburg. Diesbezügliche wissenschaftlich fundierte Erhebungen sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. 2. Wie viele Unterrichtsstunden werden nach Kenntnis des Senats an Hamburger Grundschulen in den Jahrgangsstufen 1 – 4 durchschnittlich für Schreibübungen aufgewendet, um Schülern die im Bildungsplan für das Fach Deutsch vorgesehene handschriftliche Kompetenz zu vermitteln ? Wie verhält sich diese Zahl zu entsprechenden Vorgaben aus den letzten zehn Jahren, die vor Einführung des aktuellen Bildungsplans galten ? Ziel des Schreibunterrichts ist es, dass alle Schülerinnen und Schüler im Laufe der Grundschulzeit eine flüssige und lesbare, individuelle Handschrift entwickeln (vergleiche Bildungsplan Grundschule Deutsch). Dezidierte Schreibübungen sind daher in der Regel im Anfangsunterricht zusätzlich isoliert zu unterrichten, um die Motorik auf die Schreibbewegungen hin zu schulen. In der Grundschule sind nach der geltenden Stundentafel innerhalb von vier Jahren mindestens 874 45-minütige beziehungsweise 655½ 60-minütige Unterrichtsstunden Deutsch zu erteilen. Das Erlernen einer flüssigen Handschrift nimmt insbesondere in den ersten zwei Grundschuljahren größeren Raum im Deutschunterricht ein, die Reflexion über den eigenen Schreibprozess und die Lesbarkeit von Handschriften anderer sind Unterrichtsinhalte auch in den beiden nachfolgenden Jahren. Eine durchschnittliche Zahl an in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 aufgewendeten Unterrichtsstunden für Schreibübungen lässt sich nicht schlüssig ermitteln, da in einem individualisierten Unterricht die Lernzeiten nicht für alle Schülerinnen und Schüler dieselben sind, des Weiteren Schreibübungen zunehmend in das Schreiben und Überarbeiten von Texten integriert werden und über das Fach Deutsch hinaus vielfältige Schreibsituationen in allen Unterrichtsfächern der Grundschule anteilig auch zum Erwerb der handschriftlichen Kompetenz beitragen. Die zuständige Behörde hat auch vor Einführung des aktuellen Bildungsplans keine Vorgaben zur Anzahl der für Schreibübungen zu verwendenden Unterrichtsstunden gemacht. 3. Wie verhält sich die gegenwärtig von den Stundentafeln vorgeschriebene Mindestanzahl der Unterrichtsstunden im Fach Deutsch in der Grundschule und in den Jahrgangsstufen 5 – 10 der Stadtteilschulen und der Gymnasien im Vergleich zu entsprechenden früheren Vorgaben aus den letzten zehn Jahren? Nach Anlage 2 zu § 40 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 1 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums vom 22. Juli 2011 (APO-GrundStGy) sind in der Grundschule aktuell insgesamt mindestens 23 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten. Im Schuljahr 2010/2011 waren nach Anlage 3 zu § 18 der Verordnung zur Einführung der Primarschule, der Stadtteilschule und des sechsstufigen Gymnasiums im Schuljahr 2010/2011 vom 24. Juni 2010 (VOEPSG ) in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 der Primarschule mindestens 18 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten. Bis zum Jahr 2010 waren gemäß der Verordnung über die Stundentafeln für die Grundschule vom 13. Juli 1999 (StVO-Grundschule) in den Jahrgangsstufen 2 bis 4 insgesamt 17 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten. Für die Jahrgangsstufe 1 war keine konkrete Stundenzahl vorgeschrieben. Es waren viel- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/219 3 mehr 19 Wochenstunden auf die Fächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Künste , Wahlpflicht und Religion zu verteilen. Aktuell sind nach den Anlagen 4 zu § 41 und 6 zu § 42 APO-GrundStGy in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums insgesamt mindestens 22 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten. Im Schuljahr 2010/2011 waren nach den Anlagen 3 zu § 18, 5 zu § 19 und 7 zu § 20 VOE-PSG in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 ebenfalls mindestens 22 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten. Bis zum Jahr 2010 waren gemäß der Verordnung über die Stundentafeln für die Sekundarstufe 1 vom 20. Oktober 1998 (StVO-Sek I) in der jeweils geltenden Fassung in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Realschule, der integrierten Gesamtschule und der kooperativen Gesamtschule ebenfalls mindestens 22 Wochenstunden Deutsch zu unterrichten . Im achtstufigen Gymnasium waren bis zum Schuljahr 2006/2007 mindestens 21 Stunden Deutsch zu unterrichten, ab dem Schuljahr 2007/2008 mindestens 22 Stunden . In der Hauptschule, die nur die Jahrgangsstufen 5 bis 9 umfasste, waren bis zum Schuljahr 2007/2008 mindestens 19 Stunden Deutsch zu unterrichten, in der ab dem Schuljahr 2008/2009 zusammengelegten Haupt- und Realschule, die die Jahrgangsstufen 5 bis 10 umfasste, waren mindestens 22 Stunden Deutsch verbindlich zu unterrichten . 4. Wie wird von der zuständigen Behörde überprüft, dass an Grundschulen die im Bildungsplan Grundschule Deutsch vorgesehene Kompetenz der Handschrift erfolgreich vermittelt wird? Wie beurteilt der Senat diesbezüglich den Nutzen von landesweiten Vergleichsarbeiten? 5. Welche Maßnahmen ergreift die zuständige Behörde gegenüber Grundschulen , an denen die Kompetenz der Handschriftlichkeit nicht hinreichend vermittelt wird? Die Vorgaben der zuständigen Behörde sowie die Verantwortung der jeweiligen Schulleitungen gewährleisten eine pflichtmäßige Dienstausübung der Lehrkräfte. Im Rahmen der landesweiten Vergleichsarbeiten in der Grundschule wird mit der abgeforderten Schreibleistung innerhalb einer zeitlich begrenzten Leistungssituation auch eine flüssige und lesbare Handschrift unter Beweis gestellt. Des Weiteren nimmt die zuständige Behörde die ihr vom Gesetzgeber übertragene Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht wahr. Zu diesem Zweck wirken gemäß § 85 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) Schulaufsicht, Schulberatung und Schulinspektion an der Qualitätssicherung des Unterrichts mit. 6. Wie verhält es sich bei den Vorbereitungskursen für Deutsch als Zweitsprache ? Wie viele Unterrichtsstunden werden nach Kenntnis des Senats an Hamburger Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien in den Vorbereitungskursen für Schreibübungen aufgewendet, um Schülern die vorgesehene handschriftliche Kompetenz zu vermitteln? Wie verhält sich diese Zahl zu Vorgaben aus den letzten zehn Jahren, die vor Einführung des aktuellen Bildungsplans galten? Grundlegendes Merkmal der IVK ist die große Heterogenität der Schülerinnen und Schüler auch im Hinblick auf ihre Schreiberfahrungen, die einen kompetenzorientierten individualisierten Unterricht erfordert. Eine Festlegung einer Anzahl von Unterrichtsstunden , die für die Durchführung von Schreibübungen aufgewendet werden, ist deshalb nicht zielführend. Auch vor Einführung des aktuellen Bildungsplans war kein Zeitrahmen für die Durchführung von Schreibübungen vorgesehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 7. Ist eine Mindestanzahl für Unterrichtsstunden im Fach Deutsch als Zweitsprache festgelegt? Falls ja, wie hoch ist diese und aufgrund welcher Erwägungen wurde diese Zahl bestimmt? Falls nein, warum wurde keine Mindestanzahl festgelegt? Drucksache 21/219 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Nein. Der gesamte Unterricht in den IVK ist auf den Erwerb der für den Übergang in eine Regelklasse notwendigen Sprachkompetenzen ausgerichtet. Die Stundenzuweisung für IVK entspricht dabei den Bedarfsgrundlagen der jeweiligen Schulform und Jahrgangsstufe und variiert damit zwischen mindestens 27 45-minütigen Unterrichtsstunden in der Grundschule und 30 bis 34 45-minütigen Unterrichtsstunden in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums. 8. Die von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration herausgegebene Hamburger Bildungsempfehlung für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen legt letzteren nicht explizit nahe, Kindern das Schreiben beizubringen. Beabsichtigt der Senat dementgegen, in der 21. Wahlperiode die Durchführung von Schreibübungen in Tageseinrichtungen anzuregen oder zu fördern? Falls ja, welche Maßnahmen sollen ergriffen werden? Falls nicht, wieso sieht der Senat hiervon ab? Nein. Die Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen bilden den Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit in den Hamburger Kindertageseinrichtungen. Ihnen liegt ein ganzheitliches Bildungsverständnis zugrunde. Ziel ist die individuelle Entwicklungsbegleitung der Kinder zur Stärkung ihrer kognitiven, (fein-)motorischen, emotionalen, sozialen und sprachlichen Kompetenzen. Eine gesonderte Anregung seitens des Senats, Schreibübungen in den Kindertageseinrichtungen durchführen zu lassen, ist nicht geplant und wird im Übrigen nicht für erforderlich gehalten. Im Übrigen ist es Auftrag der Grundschule, allen Schülerinnen und Schülern in einem gemeinsamen Bildungsgang grundlegende Kompetenzen wie die des Schreibens zu vermitteln. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis zu 3.