BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2303 21. Wahlperiode 24.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 18.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Die Sicherheitslage und Situation des Verfassungsschutzes in Hamburg nach den Anschlägen von Paris vom 13. November 2015 Wie der Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, Thorsten Voß, gegenüber NDR 90,3 am 16.11.2015 äußerte, hat sich die Sicherheitslage in Hamburg nach den Anschlägen von Paris vom 13.11.2015 nicht geändert. Nach Voß werde der Fokus der Beobachtungen insbesondere auf Rückkehrer aus dem Nahen Osten gelegt, um die Gefährdung durch radikalisierte Islamisten beurteilen zu können. Auch im Bereich der Flüchtlingsunterkünfte müsse eine Sensibilisierung zur Bekämpfung möglicher Radikaler unter den aufgenommenen Personen stattfinden. Unterdessen wurde bekannt, dass beim Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz insgesamt etwa 500 neue Stellen geschaffen werden. Auch Frankreichs Präsident François Hollande hat am 16.11.2015 angekündigt, Tausende neue Sicherheitskräfte einzustellen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Erwägt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, die personelle und sächliche Ausstattung des Landesamts für Verfassungsschutz sowie der Polizei Hamburg angesichts der Gefährdung durch radikale Islamisten nach den Anschlägen von Paris vom 13.11.2015 zu erweitern ? Wenn ja, in welchem quantitativen und qualitativen Ausmaß? Wenn nein, warum nicht? Die zuständige Behörde plant vor dem Hintergrund, dass durch die zunehmende Feststellung von der salafistischen Szene in Hamburg zugehörigen Personen auch der Bedarf an Kräften zur Beobachtung dieser Szene und zur Auswertung von Informationen über diese Szene gestiegen ist, das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verstärken. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund steigender Einsatzanforderungen geplant, die Einstellungszahlen um weitere 25 Beamtinnen und Beamte jährlich zu steigern. Außerdem soll für bis zu 50 Polizeibeamtinnen und -beamte die Möglichkeit bestehen, ihre Dienstzeit nach der Pensionierungsgrenze zu verlängern, um in Flüchtlingsunterkünften als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Drucksache 21/2303 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie schätzt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Sicherheitslage in Hamburg vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris vom 13.11.2015 ein? Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden hat sich die Sicherheitslage für Deutschland und für Hamburg durch die Anschläge in Paris nicht geändert. Deutschland steht bereits seit Längerem im Fokus terroristischer Gruppierungen und wurde wiederholt auch als Anschlagsziel benannt. 3. Auf welche Weise findet die Zusammenarbeit im Bereich der Fahndung nach den Attentätern der Anschläge von Paris vom 13.11.2015 mit anderen Strafverfolgungsbehörden der Länder, des Bundes und der anderen Mitgliedsstaaten der EU konkret statt und wie kann diese verbessert werden? Der Informationsaustausch im internationalen Rahmen obliegt den zuständigen Bundesbehörden . In der Zusammenarbeit mit ausländischen Ermittlungsbehörden nimmt das Bundeskriminalamt im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion eine steuernde und koordinierende Funktion auch für die Länderpolizeien wahr. Erkenntnisse wurden bereits vor den Anschlägen von Paris und werden im „Gemeinsamen Terrorismus Abwehrzentrum“ (GTAZ) durch Bund und Länder ausgewertet. Sowohl das LfV Hamburg als auch das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) sind im GTAZ eng eingebunden. 4. Inwieweit fanden seit dem 13.11.2015 und finden aktuell Fahndungen, Razzien und andere Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris vom 13.11.2015 statt? Bei der Polizei Hamburg ist seit dem 13. November 2015 ein im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris erhöhtes Hinweisaufkommen aus der Bevölkerung festzustellen . Zur Verifizierung und Falsifizierung wird jeder Hinweis einer eingehenden Bewertung unterzogen und die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen getroffen. Konkrete Bezüge nach Hamburg haben sich bisher nicht ergeben. . 5. Wie viele potenzielle Gefährder aus dem Kreise radikaler Islamisten, Salafisten und weiterer stehen in Hamburg unter Beobachtung? Bei dem Begriff „Gefährder“ handelt es sich, für den Bereich der politisch motivierten Kriminalität, um einen bundesweit einheitlichen Arbeitsbegriff der Polizeien des Bundes und der Länder, siehe Drs. 20/1117. Dem Kreis der Gefährder werden in Hamburg für den Phänomenbereich „politisch motivierte Ausländerkriminalität“ aktuell 17 Personen zugerechnet. Das LfV Hamburg zählt aktuell circa 460 Personen zum salafistischen Spektrum, davon werden 270 als jihadistisch eingestuft. Polizeiliche Eingriffsmaßnahmen gegen „Gefährder“ erfolgen auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG), des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) sowie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren auf der Grundlage StPO. Das LfV Hamburg handelt auf Grundlage des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes. Observationen gehören zu den Maßnahmen, die auf Grundlage der genannten Gesetze bei Gefährdern und weiteren Islamisten durchgeführt werden. Eine detaillierte Veröffentlichung durchgeführter Maßnahmen könnte jedoch die Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden gefährden. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat in Teilen von einer Beantwortung ab. 6. Auf welche Weise begegnet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde der potenziellen Gefährdung der Allgemeinheit durch Radikale unter den Flüchtlingen in Hamburgs Unterkünften? Der Senat legt Wert auf die Feststellung, dass die weit überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge gerade vor dem Terror religiös verbrämten Extremismus und Fanatismus sowie autoritärer Regime geflohen ist. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2303 3 Sofern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wohnunterkünften auf Verhaltensweisen aufmerksam werden, die die Sicherheit der Unterkunft und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gefährden und/oder möglicherweise strafrechtliche Relevanz haben, werden die zuständigen Polizeikommissariate verständigt, die die Fachdienststellen einbeziehen. Es bestehen insbesondere über die bürgernahen Beamten gute Kontakte zur Polizei, die die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter beratend unterstützen. Darüber hinaus steht die Beratungsstelle „Legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ sowohl den Geflüchteten als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unterkünfte mit ihrem Beratungsangebot zur Verfügung. Es gibt in Hamburg bisher keinen eindeutig verifizierten Fall, dass sich ein Angehöriger im Sinne der Fragestellung unter den Flüchtlingen befunden hat. Jedem entsprechenden Hinweis gehen die Sicherheitsbehörden mit der gebotenen Sorgfalt nach. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. Im Übrigen siehe Drs. 21/1703. 7. Auf welche Weise werden die Erkenntnisse aus den Anschlägen von Paris vom 13.11.2015 das Sicherheitskonzept für die Bewerbung zu den Olympischen Sommersspielen 2024 verändern? Bei der Entwicklung des Sicherheitskonzeptes für die Bewerbung zu den Olympischen Sommerspielen 2024 wurde schon vor dem Hintergrund der allgemeinen Sicherheitslage eine abstrakt hohe Gefährdungslage durch terroristische Gewalttäter berücksichtigt . Inwieweit und in welcher Form das Sicherheitskonzept weiterzuentwickeln ist, ist abhängig von den Entwicklungen der Sicherheitslage in den nächsten Jahren zu entscheiden .