BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2313 21. Wahlperiode 27.11.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 19.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Rückkauf der Energienetze – Welche Kosten fallen tatsächlich an? Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) beziehungsweise die HGV teilten am 30.04.2015 mit, dass man sich mit Vattenfall auf einen endgültigen Kaufpreis von 356,95 Millionen Euro für die restlichen 74,9 Prozent an der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) geeinigt habe und damit 55 Millionen Euro unterhalb des vorläufig gezahlten Kaufpreises liege. Zusammen mit den 138,05 Millionen Euro für die 25,1 Prozent Beteiligung aus dem Jahr 2012 ergibt sich somit ein Kaufpreis von 495 Millionen Euro. Hinzuzurechnen ist diesem Betrag ferner ein Kaufpreis von 243 Millionen Euro für ein im Jahr 2014 ebenfalls von Vattenfall übernommenes, endfälliges Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe an die SNH. Somit hat die FHH das Stromnetz nunmehr für zunächst insgesamt circa 738 Millionen Euro von Vattenfall zurückgekauft . Der Senat hatte mit Drs. 21/400 erste Fragen zu den Wertgutachten zum Rückkauf des Stromnetzes beantwortet. Aus der Senatsantwort ergeben sich Nachfragen. Darüber hinaus bestehen Nachfragen zum Kauf der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) und zum Jahresabschluss 2014 der Hamburg Energienetze GmbH (HEG). Zum 01.01.2016 steht ferner die Übernahme der Hamburger Teile der Vattenfall Europe Netzservice GmbH (VEN) und der Vattenfall Europe Metering GmbH (VEM) sowie weiterer Service-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter an. Gemäß Mitteilung der Finanzbehörde vom 30.04.2015 beziehungsweise Senatsangaben in Drs. 21/400 betragen die Kaufpreise 101,4 Millionen Euro für die VEN und 17,7 Millionen Euro für die VEM. Im Übrigen gibt es gemäß Drs. 20/10666 eine Absichtserklärung zwischen Vattenfall und HGV, bis Ende 2015 eine Entscheidung über die Investition in ein Nachfolgekraftwerk für das Heizkraftwerk Wedel zu treffen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) und der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) wie folgt: I. Retrospektive 1. Wann genau wurde der Kaufpreis für das Gesellschafterdarlehen in Höhe von 243 Millionen Euro durch wen in welcher Weise entrichtet? Wie und zu welchen Konditionen wurde er finanziert? Drucksache 21/2313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Kaufpreis für das Gesellschafterdarlehen ist im Finanzmanagement der Hamburg Energienetze GmbH (HEG) nicht gesondert disponiert, sondern einheitlich zusammen mit dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile refinanziert worden. Nach Überweisung durch die HEG am 7. Februar 2014 ist die Finanzierung bis August 2014 über kurzfristige Mittel der HGV (Durchschnittszinssatz 0,28 Prozent) und anschließend über die Brückenfinanzierung eines Bankenkonsortiums erfolgt. Seit Beginn der Umfinanzierung im Mai 2015 erfolgt die Finanzierung kalkulatorisch anteilig aus längerfristigen Krediten, HGV-Cash-Pool und Tagesgeldern von Banken. a. Welche Laufzeit beziehungsweise welches Laufzeitende hat das Darlehen? Wie hoch ist der vereinbarte Zinssatz beziehungsweise inwieweit ist er gegebenenfalls variabel? In welchem Turnus werden die Zinsen fällig? Das Darlehen hat eine vereinbarte Laufzeit bis zum 11. Mai 2022 mit Kündigungsmöglichkeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Der vereinbarte Zinssatz ist 4,056 Prozent. Die Zinsen sind monatlich zu zahlen. b. Inwieweit werden aufgrund der Endfälligkeit dieses relativ großen Darlehens durch die SNH bereits heute Rücklagen zu dessen Ablösung gebildet? Welche Alternativpläne bestehen für eine Refinanzierung des Darlehens? Es werden keine Rücklagen zur Ablösung gebildet. Nach Verschmelzung von Vattenfall Netzservice Hamburg GmbH (VNH, ehemals VEN) und Vattenfall Metering Hamburg GmbH (VMH; ehemals VEM) auf die SNH (im 1. Quartal 2016) ist geplant, die Cash-Bestände der Personal- und Pensionsrückstellungen aus diesem Anteilserwerb zur Tilgung des Darlehens zu nutzen. 2. Aus welchen Gründen wurde für die Pensionsverpflichtungen beziehungsweise -rückstellungen der SNH keine Übertragung von ausreichend Deckungsmitteln in bar durch Vattenfall wie beispielsweise bei VEN und VEM vereinbart? Inwieweit spielte dies bei der Festlegung eines gegenüber dem vorläufig gezahlten letzten Endes um 55 Millionen Euro niedrigeren endgültigen Kaufpreises eine Rolle? Im Gegensatz zu VNH und VMH sind bei der SNH die Pensionsrückstellungen durch das Anlagevermögen gedeckt. Eine Übertragung von Deckungsmitteln in bar kam daher nicht in Betracht. Dies spielte bei der Festlegung des Kaufpreises keine Rolle. 3. Wie sieht der Jahresabschluss 2014 der HEG aus? (Bitte in der Form, wie er im „Bundesanzeiger“ veröffentlicht wird, beifügen.) Die HEG nimmt die Offenlegungserleichterungen nach § 264 Abs. 3 Handelsgesetzbuch in Anspruch. Ihr Jahresabschluss wird nicht im „Bundesanzeiger“ veröffentlicht. Die wesentlichen Abschlussdaten der HEG werden im Geschäftsbericht 2014 der HGV beziehungsweise in der Veröffentlichung des HGV-Jahresabschlusses im „Bundesanzeiger “ wie folgt dargestellt: „Die als Holdinggesellschaft für die Netzbeteiligungen neu gegründete HEG erzielte im ersten vollen Geschäftsjahr einen Überschuss von rd. 31,5 Mio. EUR, den sie an die HGV abführte. Neben der Gewinnabführung der SNH i.H.v. 34,5 Mio. EUR waren die Zinserträge, u.a. aus dem Gesellschafterdarlehen an die SNH, mit rd. 11,3 Mio. EUR die wesentliche Ertragsposition. Die Aufwendungen für Finanzierung, Beratung, Gutachten sowie sonstiges beliefen sich auf rd. 14,3 Mio. EUR.“ 4. Im Jahresabschluss 2014 der SNH heißt es im Prognosebericht: „Die Stromnetz Hamburg geht davon aus, auch im kommenden Geschäftsjahr 2015 ein positives Ergebnis zu erzielen, welches aufgrund von Sonderbelastungen deutlich geringer ausfallen wird.“ Welche konkreten „Sonderbelastungen“ sind damit gemeint und welches Volumen haben sie circa? Nach derzeitigen Erkenntnissen ein zusätzlicher Aufwand aus höheren Zuführungen zu Pensionsrückstellungen aufgrund niedriger Zinssätze für eigene Beschäftigte und im Wege der Kostenverrechnung auch für Beschäftigte der Dienstleister VNH und VMH in Höhe von rund 2 Millionen Euro sowie Kosten des Aufbaus eines integrierten Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2313 3 und von Vattenfall autonomen Stromnetzbetreibers in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro. 5. Wie hoch sind die Kosten des „Zusatzgutachtens zum Unternehmenswert unter Berücksichtigung der steuerlichen Situation der HEG/HGV“1? 31.891,38 Euro (inklusive Mehrwertsteuer). 6. Wer hat dieses Zusatzgutachten wann aus welchem Grund beziehungsweise mit welcher Intention in Auftrag gegeben? Die HGV hat das Gutachten am 9. März 2015 beauftragt, um den individuellen SNH- Unternehmenswert für HGV und HEG unter Berücksichtigung der steuerlichen Situation im HGV-Konzern zu ermitteln. 7. Sind die in Drs. 21/400 erwähnten Gutachten zwischenzeitlich endabgerechnet ? Wenn ja, wie hoch waren die Gesamtkosten für die FHH beziehungsweise HGV/HEG? Wenn nein, warum nicht und bis wann soll dies erfolgen? Ja. Die Gesamtkosten (ohne Zusatzgutachten) betragen 820.942,86 Euro (inklusive Mehrwertsteuer). 8. Ist das Zusatzgutachten bereits im Transparenzportal der FHH veröffentlicht ? Wenn ja, seit wann und unter welchem Link? Wenn nein, wann soll es dort veröffentlicht werden beziehungsweise aus welchen Gründen nicht veröffentlicht werden? Nein, die HGV ist nicht veröffentlichungspflichtig, da sie keine öffentlichen Aufgaben gemäß Hamburgisches Transparenzgesetz wahrnimmt und daher nicht unter die zur Veröffentlichung verpflichteten Unternehmen gemäß § 2 Absatz 3 und 4 Hamburgisches Transparenzgesetz fällt. 9. Wer trägt die Kosten, die durch das Herauslösen von Unternehmensteilen (business units) inklusive Mitarbeitern aus dem Vattenfall-Konzern entstehen? a. Wie hoch sind die Kosten, die durch die daraus folgenden Umstrukturierungen bisher angefallen sind? b. Wie hoch werden sie am Ende des Prozesses voraussichtlich liegen ? c. Wie hoch sind dabei jeweils die bisherigen Kosten für externe Beratungsunternehmen insgesamt beziehungsweise wie hoch werden diese Kosten bis zum Abschluss der Unternehmensintegration gemäß aktuellem Plan sein? 10. Wie hoch sind die bisherigen Kosten der Unternehmensintegration in die HGV? Welche Kosten entfallen dabei auf a. die Beschaffung neuer IT-Infrastruktur, b. Personalberatung/-rekrutierung, c. Beratung für Aufsetzung von HEG-internen Prozessen, d. das Rebranding der bisher zum Vattenfall-Konzern gehörenden Geschäftseinheiten? Die Kosten zur Bildung des großen Stromnetzbetreibers, die unter anderem durch das Herauslösen von Unternehmensteilen inklusive Mitarbeitern aus dem Vattenfall- 1 Vergleiche Drs. 21/400, Senatsantwort zu Frage 7. Drucksache 21/2313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Konzern entstehen, werden im Wesentlichen von der SNH und zum Teil von der HEG (Beratungs- und Projektleitungskosten für das „carve-out“-Projekt bisher in Höhe von 2.144.023 Euro) sowie Vattenfall (zum Beispiel Trennung der übergreifenden Metering - und Netzservice-Gesellschaften sowie ausgewiesene IT-Vorarbeiten) getragen. Da eine Integration von ehemaligen Vattenfall-Gesellschaften oder Unternehmensteilen direkt in die HGV nicht erfolgt, sind hierfür auch keine Kosten angefallen. Soweit entsprechende Kosten im Rahmen des Aufbaus eines großen Netzbetreibers bei der SNH anfallen, werden sie im Folgenden aufgeführt. Alle genannten Beträge geben den Stand zum 30. September 2015 wieder. Die bisherigen Ausgaben für die Umstrukturierung (ohne IT) betragen rund 3,1 Millionen Euro. Bis zum Ende des Prozesses (April 2016) werden Ausgaben von rund 6,6 Millionen Euro prognostiziert. Die darin enthaltenen bisher angefallenen Kosten für externe Beratungsunternehmen belaufen sich auf rund 2,1 Millionen Euro (Prognose bis zum Ende des Prozesses: rund 3,3 Millionen Euro). Externe Beratungsunternehmen sind für die Überführung der IT-Systeme beauftragt worden. Die hierfür angefallenen Kosten sind in dem Gesamtbetrag der IT-Kosten enthalten. Für den Aufbau der IT-Infrastruktur inklusive der Migration der von der SNH benötigten IT-Systeme sowie aller erforderlichen Lizenzen sind im bisherigen Projektverlauf rund 23,1 Millionen Euro angefallen. Da im Wesentlichen Vattenfall-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter übernommen werden, sind über die im laufenden Betrieb üblichen Rekrutierungsmaßnahmen hinaus keine gesonderten Maßnahmen erforderlich gewesen. Kosten für externe Beratung sind in den bereits genannten externen Beratungskosten für die Umstrukturierung enthalten. Für den Aufbau einer neuen Marke für die Geschäftseinheiten Stromnetz, Netzservice und Metering fielen bislang Kosten von rund 180.000 Euro an. Sie sind ebenfalls in den bereits angegebenen Umstrukturierungskosten enthalten. II. Perspektive 11. Gibt es für das laufende Geschäftsjahr sowohl bei der SNH als auch der HEG bereits absehbare Abweichungen gegenüber den Prognoseberichten aus den Jahresabschlüssen 2014? Wenn ja, jeweils welche aus jeweils welchen Gründen? Ja. Sowohl die SNH als auch die HEG werden voraussichtlich ein negatives Ergebnis erzielen, da insbesondere die Aufwendungen für Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen aufgrund des weiterhin gesunkenen Zinssatzes höher als prognostiziert ausfallen werden. 12. Wurden die in Drs. 20/10666 genannten vorläufigen Kaufpreise für die VEN und VEM bereits gezahlt? Wenn nein, inwieweit sind sie angesichts der bereits festgestellten endgültigen Kaufpreise hinfällig? Nein, sie sind angesichts der bereits festgestellten endgültigen Kaufpreise hinfällig. a. Wann sollen diese endgültigen Kaufpreise durch wen gezahlt werden ? Wie wird der entsprechende Mittelbedarf finanziert? Die Kaufpreise werden im Rahmen der Anteilsübertragung nach Unterzeichnung der Abtretungsverträge im Januar 2016 durch die HEG gezahlt und langfristig kreditär finanziert. b. Wie genau sollen die Gesellschaften (strukturell) in den Konzernverbund der HGV eingegliedert werden? Die Gesellschaften VNH und VMH werden auf die SNH verschmolzen und als betriebliche Einheiten in das Unternehmen integriert. Ziel ist, die SNH rückwirkend zum 1. Januar 2016 als großen integrierten Netzbetreiber zu positionieren. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2313 5 13. Welches Volumen haben jeweils die Pensionsverpflichtungen beziehungsweise -rückstellungen sowie die entsprechenden Deckungsmittel, die Vattenfall gemäß Kaufvertrag und Drs. 20/10666 für VEN, VEM sowie Service-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern in Form von Barmitteln bereitstellen muss? Wie hoch lagen sie jeweils bei der Hamburg Verkehrsanlagen GmbH (HHVA)? (Bitte nach genannten Unternehmen differenziert auflisten.) Für die bis 31. Dezember 2015 in die SNH übergehenden Beschäftigen aus Serviceeinheiten läuft derzeit noch die Übertragung und Abrechnung der Barmittel für die Pensionsrückstellungen im Umfang von circa 6,5 Millionen Euro (Prognose). Genaue Werte werden erst zum Jahresabschluss bilanziert. Für die gemäß Kaufvertrag bereitzustellenden Deckungsmittel für die Pensionsrückstellungen von VMH und VNH sind die Werte zum 31. Dezember 2015 maßgeblich. Diese Daten liegen noch nicht vor. Beim Kauf der Hamburg Verkehrsanlagen GmbH (HHVA) war der Stand der Pensionsrückstellungen zum 31. Dezember 2013 maßgeblich. Bei Vollzug des Kaufvertrages Strom sind Barmittel von 21.504.267 Euro an die HHVA übertragen worden. 14. In welchem Rahmen bewegt sich der mögliche „Ausgleichsanspruch von Vattenfall für Steuereffekte aus dem Übergang der Netzservicegesellschaften “2 voraussichtlich etwa? Wann war/ist er durch wen zu zahlen und wie wurde/wird er finanziert? Die Erörterungen und Gespräche hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 15. Was ist der aktuelle Sachstand hinsichtlich einer Entscheidung in puncto GuD-Kraftwerk Wedel? Bis wann soll diese endgültig gefällt werden? Siehe Drs. 20/13013, Drs. 21/917 und Drs. 21/1528. 2 Vergleiche Drs. 21/400, Senatsantwort zu Frage 8.