BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2336 21. Wahlperiode 01.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 23.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Gerichte hier: Recht auf den gesetzlichen Richter In Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verfassungsrechtlich garantiert. Ausprägung dieses Gebots ist das Erfordernis der gesetzeskonformen Aufstellung von Geschäftsverteilungsplänen an allen Gerichten. Die Verteilung der Geschäfte des Gerichts auf die Spruchkörper in Form des jedes Jahr im Voraus für die Dauer des Geschäftsjahres aufzustellenden Geschäftsverteilungsplans wird gemäß § 21e Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) durch das Präsidium festgelegt. Die Verteilung innerhalb eines mit mehreren Richtern zu besetzenden Spruchkörpers auf den erkennenden Richter regelt § 21g GVG; sie erfolgt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer durch schriftlichen Beschluss aller Berufsrichter des Spruchkörpers. Es gibt Hinweise, dass seit einigen Jahren Geschäftsverteilungspläne beim Landgericht Hamburg gegen die im GVG normierten Voraussetzungen verstoßen könnten. So wurde beispielsweise der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan der Zivilkammer 24 für das Jahr 2011 nicht vor Beginn des Geschäftsjahres 2011 für dieses beschlossen, sondern erst Mitte Januar 2011. Einige Kammern des Landgerichts sollen in den vergangenen Jahren sogar überhaupt keine internen Geschäftsverteilungspläne eingereicht haben. Träfe es zu, dass durch fehlerhafte Geschäftsverteilung Verstöße gegen das Verfahrensgrundrecht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verursacht wurden, so könnten Betroffene im Rahmen der Klage nach § 584 ZPO noch fünf Jahre nach Rechtskraft des Urteils die Nichtigkeit geltend machen, § 586 Absatz 2 Satz 2 ZPO. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Beschlussfassung über die spruchkörperinterne Geschäftsverteilung ist eine den Richterinnen und Richtern im Rahmen ihrer Rechtsprechungstätigkeit übertragene Aufgabe. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Anfrage wie folgt: 1. Hat es an allen Zivilkammern des Landgerichts Hamburg in den vergangenen fünf Jahren kammerinterne Geschäftsverteilungspläne gemäß § 21g GVG gegeben? Falls nein, an welchen Zivilkammern in welchem Jahr aus welchen Gründen jeweils nicht? 2. Wurden in den vergangenen fünf Jahren alle internen Geschäftsverteilungspläne der Zivilkammern gemäß § 21g GVG im Voraus für das kommende Geschäftsjahr festgelegt? Drucksache 21/2336 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Falls nein, an welchen Zivilkammern in welchem Jahr aus welchen Gründen jeweils nicht? 3. Wurden in den vergangenen fünf Jahren alle internen Geschäftsverteilungspläne der Zivilkammern gemäß § 21g GVG im Voraus durch Beschluss aller Berufsrichter des Spruchkörpers aufgestellt? Falls nein, an welchen Zivilkammern in welchem Jahr aus welchen Gründen jeweils nicht? Im erfragten Zeitraum ist in den Zivilkammern 2 (nur in den Jahren 2013 – 2015), 9, 14, 19, 20 (nur in den Jahren 2013, 2014), 21 (nur in den Jahren 2012 – 2014), 24, 27, 29, 32 und 33 (nur in den Jahren 2011, 2012) bei unveränderter Personal- und Belastungssituation der Geschäftsverteilungsplan des vorigen Geschäftsjahres fortgeführt worden. In diesen Fällen (unveränderte Personal- und Belastungssituation) erfolgte keine (erneute) Niederschrift des internen Geschäftsverteilungsplans, sondern unter den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern der jeweiligen Kammer bestand darüber Einigkeit, dass die interne Geschäftsverteilung innerhalb der Kammer entsprechend der Verteilung des internen Geschäftsverteilungsplans des Vorjahres fortgeführt werden sollte. Bei Änderungen in der Personalsituation ist generell und darüber hinaus bei entsprechendem Bedarf auch bei Änderungen in der Belastungssituation über die interne Geschäftsverteilung entschieden worden 4. Wurden in den vergangenen fünf Jahren alle internen Geschäftsverteilungspläne der Zivilkammern in der dazu vom Präsidium bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme gemäß §§ 21g Absatz 7 i.V.m. 21e Absatz 9 GVG ausgelegt? Falls nein, für welche Zivilkammern in welchem Jahr aus welchen Gründen jeweils nicht? Die internen Geschäftsverteilungspläne gemäß § 21g GVG stehen zur Einsichtnahme in der Verwaltungsregistratur und/oder auf den Geschäftsstellen der jeweiligen Kammern zur Verfügung. Auch bei unterjährigen Änderungen wurden die jeweiligen schriftlichen Beschlüsse in der Verwaltungsregistratur oder auf den jeweiligen Geschäftsstellen ausgelegt. Eine (erneute) Auslegung zur Einsichtnahme bei Fortführung der internen Geschäftsverteilungspläne erfolgte nicht. In diesen Fällen konnte weiterhin der vorherige interne Geschäftsverteilungsplan eingesehen werden. 5. Wie häufig wurden in den vergangenen fünf Jahren in den Zivilkammern des Landgerichts Änderungen der jeweiligen Geschäftsverteilungspläne wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers im Sinne des § 21g Absatz 2 GVG vorgenommen? Bitte pro Jahr und für den Gesamtplan einerseits und die jeweiligen Kammern andererseits angeben. Änderungen des Gesamt-Geschäftsverteilungsplans (bezogen auf die Zivilkammern): Jahr 2015 2014 2013 2012 2011* Anzahl 298 205 279 172 k.A. * Die erfragten Daten für das Jahr 2011 wurden nicht gesondert statistisch erfasst. Zur Beantwortung müssten mehrere Tausend Aktenseiten einzeln ausgewertet werden. Das ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Darüber hinaus werden die erfragten Daten statistisch nicht gesondert erfasst Zur weiteren Beantwortung der Frage müssten mehrere Tausend Aktenseiten einzeln ausgewertet werden. Das ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wurde in den vergangenen fünf Jahren an den Zivilkammern des Landgerichts Hamburg auch die Bestellung des Berichterstatters durch den jeweiligen Beschluss der Mitglieder des Spruchkörpers geregelt? Bitte pro Jahr und Kammer angeben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2336 3 Die Bestimmung der Berichterstatterin beziehungsweise des Berichterstatters ergibt sich nach Mitteilung des Landgerichts Hamburg aus der kammerinternen Geschäftsverteilung . 7. Wie wird die Einhaltung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsverteilungspläne sichergestellt? Der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan ist Sache der dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichterinnen und -richter. Eine Überprüfung findet am Landgericht nur anlässlich eines konkreten Rechtsstreits statt. In unregelmäßigen Abständen werden die Vorsitzenden jedoch durch die Gerichtsleitung des Landgerichts auf die Vorschrift des § 21g GVG hingewiesen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.