BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2432 21. Wahlperiode 08.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Jens Meyer (FDP) vom 30.11.15 und Antwort des Senats Betr.: St. Pauli Elbtunnel – Elbphilharmonie 2.0 Die HPA hat am 27.11.2015 bekanntgegeben, dass die Sanierung der Oströhre des St. Pauli Elbtunnels nach neuesten Schätzungen 59,7 Millionen Euro kosten wird. Ursprünglich sollte die gesamte Sanierung für beide Röhren 17 Millionen Euro Kosten. Es ist erkennbar, dass beim St. Pauli Elbtunnel vergleichbare Fehler wie bei der Elbphilharmonie begangen worden. Eine unzureichende Bestandsaufnahme führte zu vermeidbaren Kostenrisiken, die durch eine frühzeitige Intervention der Beteiligten hätte erkannt und gemindert werden können. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die baulichen Gegebenheiten und die Komplexität der erforderlichen Arbeiten in der Oströhre stellen nicht nur für die Planung der Hamburg Port Authority (HPA) eine Herausforderung dar, sondern auch für die jeweiligen Baufirmen. Eine Kostenerhöhung von 12 Millionen Euro in der HPA-Wirtschaftsplanung im November 2015 wird wie folgt begründet: - Bei den ersten zwei von fünf erforderlichen Ausschreibungen für den unteren Tunnelquerschnitt hat sich gezeigt, dass der Wettbewerb im Baugewerbe aufgrund der aktuell sehr starken Auslastung gestört ist, was sich kostentreibend ausgewirkt hat. So gab es nur eine geringe Anzahl von Bietern. Die Angebotspreise fielen unerwartet hoch aus. Nach Auswertung dieser Ausschreibungen wurde im vergangenen August 2015 ersichtlich, dass die eingegangenen Angebote deutlich über dem veranschlagten Budget lagen. Da davon auszugehen ist, dass die noch ausstehenden Ausschreibungen unter gleichen Rahmenbedingungen erfolgen, wurde diese eine analoge Kostenerhöhung ebenfalls planerisch berücksichtigt. - Berücksichtigung von zusätzlichen unvorhersehbaren Plankosten auf Grundlage der Erfahrungen aus der Grundinstandsetzung des oberen Tunnelquerschnitts sowie im Sinne der Drucksache „Kostenstabiles Bauen“. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HPA wie folgt: 1. Seit wann ist der HPA bekannt, dass die am 8. Dezember 2014 aktualisierten Projektkostenunterlagen (PKU) erneut überarbeitet werden müssen ? Wie und wann hat der Senat von diesem Erfordernis erfahren? Die zuständige Behörde hat erstmalig im September 2015 davon erfahren, dass eine weitere Kostensteigerung bevorstehen könnte und sich daraufhin mit der HPA über die Hintergründe dieser Entwicklung ausgetauscht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/2432 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Welche Ergänzungen und Änderungen der PKU gab es seit dem Beginn der Planungen zur Sanierung der Oströhre des St. Pauli Elbtunnels? Bitte Datum und Inhalte der Änderung dezidiert angeben. Kosten für die Oströhre (Bauabschnitt 4) Zeitpunkt der geplanten Fertigstellung gemäß PKU (WP): Gründe 47,38 Mio. € Mai 2017 (Wirtschaftsplan 2013, Nachtrag) Die Kostensteigerung bei der Oströhre ist aus den folgenden Gründen zu sehen: - Nachtragsangebote in unerwarteter Höhe - Mehrmengen (Fugenbearbeitung in kompletter Länge, Schrauben, Nieten ) - Einpreisung der Erkenntnisse aus der Planungsphase unterer Tunnelquerschnitt (Bei Erkundungsarbeiten zur Erstellung eines Schadstoffkatasters wurden unerwartet erhebliche Mengen an Stahlbrammen im unteren Tunnelquerschnitt gefunden sowie –polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe unter der Fahrbahn) - Personalkostensteigerung durch Bauzeitverlängerung - Anpassung Budget für besondere Kostenrisiken (Unvorhersehbares) 59,7 Mio. € April 2018 (Wirtschaftsplan 2015, Nachtrag) siehe Vorbemerkung Für die Zeiträume davor siehe Drs. 20/6783 und 20/11117. 3. Welche unvorhergesehenen Komplikationen bei den Sanierungsarbeiten sind aufgetreten, die zu den voraussichtlichen Kostensteigerungen geführt haben? 4. Welche konkreten Maßnahmen sind erforderlich, um die unvorhergesehenen Komplikationen zu beheben? Wie hoch sind dabei die jeweils erforderlichen Mehrkosten? Sofern möglich bitte nach DIN 276 differenziert angeben. Da die Sanierungsarbeiten am unteren Tunnelquerschnitt der Oströhre erst beginnen, sind unvorhergesehene Komplikationen nicht aufgetreten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 5. Wie soll die Finanzierung der nun bekannt gewordenen Mehrkosten bewerkstelligt werden? Aus welchem Haushaltsplan, welcher Produktgruppe soll die Finanzierung in welcher Höhe erfolgen? Wo wird es gegebenenfalls Einsparungen durch die Mehrkosten geben? Die Finanzierung des Projektes erfolgt aus dem Investitionsprogramm „Allgemeine Hafeninfrastruktur“ der Produktgruppe „Hafen“ des Einzelplans 7. Sie wird durch über mehrere Jahre verteilte Umschichtungen innerhalb dieses Budgets sichergestellt. Einzelheiten stehen noch nicht fest. Verschiebungen von Liquiditätsbedarfen zwischen einzelnen Baumaßnahmen innerhalb eines Investitionsprogramms sind üblich. Eine Aussage zur Auswirkung auf andere Projekte kann gegenwärtig nicht getroffen werden, da dies vom Bau- und Liquiditätsverlauf der anderen Projekte abhängig ist. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2432 3 6. Welche Bauzeit ist für das Projekt nun vorgesehen? Gibt es Abweichungen durch unvorhergesehene Komplikationen? Wenn ja, welche und warum? Wenn nein, warum nicht? Der aktuelle Bauzeitenplan sieht eine Verkehrsfreigabe für die Oströhre für Ende 2018 vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 4. 7. Aus welchen Gründen wurden die durchgeführten vier Bauteilöffnungen in Wand und Gewölbe sowie drei Bauteilöffnungen im Bereich der Fahrbahn im Rahmen der Voruntersuchungen als ausreichend erachtet? Wer hat diese Bewertung vorgenommen? Die Anzahl der Bauteileröffnungen wurde nach Beratung mit diversen externen und internen Fachleuten durch den Bauherrn festgelegt. 8. Inwieweit hätte spätestens nach Bekanntwerden der Fehlerhaftigkeit der Bestandspläne eine deutlich umfassendere Bestandsaufnahme erfolgen müssen? Aus welchen Gründen wurde darauf verzichtet, obwohl spätestens zu diesem Zeitpunkt erhebliche Kostenrisiken erkennbar waren? Die alterungsbedingten Veränderungen des Bestandes über 100 Jahre und die damals dem Stand der Technik entsprechend verwendeten Materialien sind die wesentlichen Risikofaktoren. In Bezug auf den unteren Tunnelquerschnitt haben sich die Bestandspläne als unvollständig herausgestellt. Zudem konnten sie den Alterungsprozess naturgemäß nicht abbilden. Aus diesem Grund wurden Bauteilöffnungen durchgeführt, die jedoch nur ein punktuelles Bild geliefert haben. Ein möglicher tatsächlicher Schadensumfang wurde erst nach vollständiger Entkernung – und damit Freiliegen der Tübbingkonstruktion – festgestellt. 9. Aus welchen Gründen wurde auf eine umfassende Bestandserhebung der Baukonstruktion des St. Pauli Elbtunnels mithilfe von zerstörungsfreien Verfahren aus der Geophysik (beispielsweise Radar, Ultraschall und Mikroseismik) verzichtet? Im Rahmen der erfolgten Bestandsaufnahme der Oströhre wurde beispielsweise Georadar und Ultraschall eingesetzt. 10. Inwieweit plant die HPA eine umfassende Bestandserhebung der Baukonstruktion der Weströhre des St. Pauli Elbtunnels? Welche Vorgehensweise und Technik soll hierfür genutzt werden? Im Rahmen der anstehenden Planungsarbeit wird unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse aus der Grundinstandsetzung der Oströhre ein Konzept zur Bestandserhebung mit gegebenenfalls weiteren Untersuchungen in der Weströhre festgelegt.